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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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für den Hofnarren. Die Rentämter zahlten den Professoren keine Besoldung
mehr, und so mußten diese sich entschließen, sich dadurch zu erhalten, daß sie
Studenten ins Haus und an ihren Tisch nahmen. Sie wurden so Gastwirihe
und nahmen damit die Grundsätze von Gastwirthen an. Recht viele Tischgänger
zu haben, wurde, da ein Universitätslehrer als zoll, und steuerfrei wohlfeiler
kaufte wie Andere, als lucratives Geschäft ein Hauptwunsch der Professoren
und Rectoren. und dieser Wunsch bedingte vor allem Duldsamkeit. nachsichtiges
Verhalten gewann viele Kunden, und flotte Studenten, denen man zuließ, was
ihnen beliebte, brachten mehr ein als ordentliche. Die Professoren gestatteten,
wie Meyfart klagt, "Sattes Fressen, Volkes Saufen, schrieben reichliche Zechen
auf, gaben den bösesten Gesellen die süßesten Worte, fuchsschwänzeten ihnen"
und suchten ihnen in unwürdigster Weise bei Anklagen und Strafandrohungen
durchzuhelfen.

"Ach es gehet mir auf etlichen Universitäten wie einem, der im Wein¬
berge nachliefet, da man keine Trauben findet, zu essen. Ich spüre nur einzelne
verschmachtete und zertretene Beerlein. Die frommen Leute sind weg in diesem
Lande, und die Gerechten sind nicht mehr unter den Leuten, oder wo sie sind,
müssen sie sitzen und verstummen." So seufzt unser würdiger Freund aus Er¬
furt und fährt dann fort: "Haben die Professoren zuvor dem Rector einen Dienst
gethan, ehe er Rector worden, so muß jetzt der Rector sprechen, was die Pro¬
fessoren wollen. Die Gewaltigen. nettesten und Dekane rathen nach ihrem
Muthwillen, Schaden zu thun, und drehens, wie sie wollen." "Wird demnach
der Rector, wenn er der akademischen Teufelei gedenket zu steuern, erstlich von
seinen College" verhindert. Haben dieselben dem Professor, der jetzunder Rector
ist, früher auf sein Bitten gewährt, daß ein böser Bube nicht weggeschaffet
werde, so muß er jetzt diesen oder jenen Buben, den er gern mit Schanden,
doch der hohen Schule zu Nutzen austriebe, länger bei der Universität leiden.
Oftmals geschiehts, daß Rector und Professoren einhellig beipflichten, den Ba-
chanten-Esel. der nichts Anderes gelernet und getrieben, denn rechte und ge-
lehrte Studenten mit seiner Henkers-Rotte zu Plagen, als ein stinkendes Glied
von dem gesunden Körper der Universität abzuschneiden. Das Urtheil ist von
den Sekretarien, Syndicen oder Notarien gefasset und niedergeschrieben, ein
Professor sitzet darneben und fertiget das Patent. Siehe da bricht jemand her-
vor, nicht wie die Morgenröthe, nicht schön wie der Mond, nicht auserwählet
wie die Sonne, sondern schrecklich wie Heeresspitzen, mit trüben Augen, ver-
nebelter Stirn und stammelnder Zunge, und nach erzähleten Titeln bekennet er:
Bachanten-Esel habe die Relegation mehr denn wohlverdienet, sei ihm aber für
Tisch und Extra über die sechzig oder achtzig Thaler schuldig, und wo das
Decret vollzogen würde, könne er sich keines Hellers versichern, zumal weil
ohnedies noch stärkere Bären bei Andern angebunden. Bittet dechalven um


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für den Hofnarren. Die Rentämter zahlten den Professoren keine Besoldung
mehr, und so mußten diese sich entschließen, sich dadurch zu erhalten, daß sie
Studenten ins Haus und an ihren Tisch nahmen. Sie wurden so Gastwirihe
und nahmen damit die Grundsätze von Gastwirthen an. Recht viele Tischgänger
zu haben, wurde, da ein Universitätslehrer als zoll, und steuerfrei wohlfeiler
kaufte wie Andere, als lucratives Geschäft ein Hauptwunsch der Professoren
und Rectoren. und dieser Wunsch bedingte vor allem Duldsamkeit. nachsichtiges
Verhalten gewann viele Kunden, und flotte Studenten, denen man zuließ, was
ihnen beliebte, brachten mehr ein als ordentliche. Die Professoren gestatteten,
wie Meyfart klagt, „Sattes Fressen, Volkes Saufen, schrieben reichliche Zechen
auf, gaben den bösesten Gesellen die süßesten Worte, fuchsschwänzeten ihnen"
und suchten ihnen in unwürdigster Weise bei Anklagen und Strafandrohungen
durchzuhelfen.

„Ach es gehet mir auf etlichen Universitäten wie einem, der im Wein¬
berge nachliefet, da man keine Trauben findet, zu essen. Ich spüre nur einzelne
verschmachtete und zertretene Beerlein. Die frommen Leute sind weg in diesem
Lande, und die Gerechten sind nicht mehr unter den Leuten, oder wo sie sind,
müssen sie sitzen und verstummen." So seufzt unser würdiger Freund aus Er¬
furt und fährt dann fort: „Haben die Professoren zuvor dem Rector einen Dienst
gethan, ehe er Rector worden, so muß jetzt der Rector sprechen, was die Pro¬
fessoren wollen. Die Gewaltigen. nettesten und Dekane rathen nach ihrem
Muthwillen, Schaden zu thun, und drehens, wie sie wollen." „Wird demnach
der Rector, wenn er der akademischen Teufelei gedenket zu steuern, erstlich von
seinen College« verhindert. Haben dieselben dem Professor, der jetzunder Rector
ist, früher auf sein Bitten gewährt, daß ein böser Bube nicht weggeschaffet
werde, so muß er jetzt diesen oder jenen Buben, den er gern mit Schanden,
doch der hohen Schule zu Nutzen austriebe, länger bei der Universität leiden.
Oftmals geschiehts, daß Rector und Professoren einhellig beipflichten, den Ba-
chanten-Esel. der nichts Anderes gelernet und getrieben, denn rechte und ge-
lehrte Studenten mit seiner Henkers-Rotte zu Plagen, als ein stinkendes Glied
von dem gesunden Körper der Universität abzuschneiden. Das Urtheil ist von
den Sekretarien, Syndicen oder Notarien gefasset und niedergeschrieben, ein
Professor sitzet darneben und fertiget das Patent. Siehe da bricht jemand her-
vor, nicht wie die Morgenröthe, nicht schön wie der Mond, nicht auserwählet
wie die Sonne, sondern schrecklich wie Heeresspitzen, mit trüben Augen, ver-
nebelter Stirn und stammelnder Zunge, und nach erzähleten Titeln bekennet er:
Bachanten-Esel habe die Relegation mehr denn wohlverdienet, sei ihm aber für
Tisch und Extra über die sechzig oder achtzig Thaler schuldig, und wo das
Decret vollzogen würde, könne er sich keines Hellers versichern, zumal weil
ohnedies noch stärkere Bären bei Andern angebunden. Bittet dechalven um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/465>, abgerufen am 28.07.2024.