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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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in der linken Kniescheibe und rechten Ferse und dringet durch das Fleisch in
das Gebein, durch das Gebein in das Mark." "Sein Losament hat er an
solchen Orten, wo die Aussicht sich weit und breit erstrecket, die unreinen Augen
zu weiden, die Vorübergehenden zu verhöhnen, zu verlachen, zu beschnarchen,
mit Steinen zu werfen und ihnen hinterrücks den Esel zu stechen. Er machet
Kugeln aus Thon und beleidigt vermittelst des Blasrohrs die ganze Nachbar¬
schaft. Auch die Fenster derer, so ihm gegenüber wohnen, zu beschießen und
zu brechen, rechnet er für Spiel. Er hat Wundergefallen daran, die, welche
sich nicht vorsehen, mit dem Kammer- und Nachtregcn der Xanthippe zu be¬
spritzen und mit dem Malvasier zu begießen, aus welchem der geizige Kaiser
Vespasianus vorzeiten den Zoll forderte."

"Kommst du zufällig in des Kerls Stube, ich frage dich, was wirst du
für Hausrath finden? Erstlich zwar keine Bücherlein, oder etliche wenige ver-
wegentlich unter die Bänke und in die Winkel geworfene, die von Staub ver¬
wüstet, von Motten zerfressen und von Mäusen fast aufgezehret, es sei denn,
daß auf dem Tische vielleicht Zauberkarten, buhlerische Schnaken und amadisische
Fabeln liegen." "schauest du hin und her, so wirst du an der Wand hängen
sehen etliche Dolche und etliche Sticher, darunter ein Theil nicht drei Heller
werth, damit, wenn es noth thut, er solche dem Rector einhändigen könne.
Außerdem etliche Büchsen, die er bisweilen in dem Losament oder in den Vor-
städten zwischen Häusern mit Schindeln gedeckt oder Scheuern voll Getreide
loszuplatzen sich gar nicht scheuet. (Auch Racketen liebte der flotte Bursch dieser
Zeit, wie wir nach verschiedenen Verboten in Univerfitätsgesetzen schließen, ab¬
zubrennen.) Du wirst sehen Panzer oder eiserne Handschuhe, damit der Niese
nicht ungewappnet auf dem Kampfplatz erscheine; auch Wannser, die inwendig
mit Baumwolle, Werg, Haar oder Fischbein dick ausgefüllt und wohl vermachet
sind (also schon unser Paukwichs), damit, wenn es zur Faust gerathen, solche
den Stich desto steifer dulden können. Du wirst sehen etliche Humpen und
eine große Anzahl Gläser, welche der neuen Gäste erwarten, Karten, Bretspiel
und Würfel und mehr Instrument", das Geld sammt der Jugend zu verderben.
Vornehmlich aber an der Decke und an den Wänden wirst du sehen aufgerichtete
Siegeszeichen und daran lesen, es wären etliche gewesen, die das Bier für ihren
Herrn erkannt, mit vollem Munde ausgerufen und mit dieser Handschrift be¬
zeuget hätten. Darnach andre, welche, ob sie wohl in der Karte vier Däuser
gehabt, dennoch den Stich verspielet hätten. Wenn du die Schlafkammer aus¬
wachest und heimlich umherlauerst, wirst du bisweilen antreffen, daß eine hübsche
Nymphe ihre Pantoffeln darinnen gelassen, der Gesell aber aus Unachtsamkeit
nicht beiseite gestoßen."

"Dieses Nüßlein erwählet sich zum Diener einen Buben, der ihm in allen
Dingen gleichet, und von dem du mit gutem Grund der Wahrheit sagen kannst,


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in der linken Kniescheibe und rechten Ferse und dringet durch das Fleisch in
das Gebein, durch das Gebein in das Mark." „Sein Losament hat er an
solchen Orten, wo die Aussicht sich weit und breit erstrecket, die unreinen Augen
zu weiden, die Vorübergehenden zu verhöhnen, zu verlachen, zu beschnarchen,
mit Steinen zu werfen und ihnen hinterrücks den Esel zu stechen. Er machet
Kugeln aus Thon und beleidigt vermittelst des Blasrohrs die ganze Nachbar¬
schaft. Auch die Fenster derer, so ihm gegenüber wohnen, zu beschießen und
zu brechen, rechnet er für Spiel. Er hat Wundergefallen daran, die, welche
sich nicht vorsehen, mit dem Kammer- und Nachtregcn der Xanthippe zu be¬
spritzen und mit dem Malvasier zu begießen, aus welchem der geizige Kaiser
Vespasianus vorzeiten den Zoll forderte."

„Kommst du zufällig in des Kerls Stube, ich frage dich, was wirst du
für Hausrath finden? Erstlich zwar keine Bücherlein, oder etliche wenige ver-
wegentlich unter die Bänke und in die Winkel geworfene, die von Staub ver¬
wüstet, von Motten zerfressen und von Mäusen fast aufgezehret, es sei denn,
daß auf dem Tische vielleicht Zauberkarten, buhlerische Schnaken und amadisische
Fabeln liegen." „schauest du hin und her, so wirst du an der Wand hängen
sehen etliche Dolche und etliche Sticher, darunter ein Theil nicht drei Heller
werth, damit, wenn es noth thut, er solche dem Rector einhändigen könne.
Außerdem etliche Büchsen, die er bisweilen in dem Losament oder in den Vor-
städten zwischen Häusern mit Schindeln gedeckt oder Scheuern voll Getreide
loszuplatzen sich gar nicht scheuet. (Auch Racketen liebte der flotte Bursch dieser
Zeit, wie wir nach verschiedenen Verboten in Univerfitätsgesetzen schließen, ab¬
zubrennen.) Du wirst sehen Panzer oder eiserne Handschuhe, damit der Niese
nicht ungewappnet auf dem Kampfplatz erscheine; auch Wannser, die inwendig
mit Baumwolle, Werg, Haar oder Fischbein dick ausgefüllt und wohl vermachet
sind (also schon unser Paukwichs), damit, wenn es zur Faust gerathen, solche
den Stich desto steifer dulden können. Du wirst sehen etliche Humpen und
eine große Anzahl Gläser, welche der neuen Gäste erwarten, Karten, Bretspiel
und Würfel und mehr Instrument«, das Geld sammt der Jugend zu verderben.
Vornehmlich aber an der Decke und an den Wänden wirst du sehen aufgerichtete
Siegeszeichen und daran lesen, es wären etliche gewesen, die das Bier für ihren
Herrn erkannt, mit vollem Munde ausgerufen und mit dieser Handschrift be¬
zeuget hätten. Darnach andre, welche, ob sie wohl in der Karte vier Däuser
gehabt, dennoch den Stich verspielet hätten. Wenn du die Schlafkammer aus¬
wachest und heimlich umherlauerst, wirst du bisweilen antreffen, daß eine hübsche
Nymphe ihre Pantoffeln darinnen gelassen, der Gesell aber aus Unachtsamkeit
nicht beiseite gestoßen."

„Dieses Nüßlein erwählet sich zum Diener einen Buben, der ihm in allen
Dingen gleichet, und von dem du mit gutem Grund der Wahrheit sagen kannst,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/449>, abgerufen am 28.07.2024.