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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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und da außerdem auch die Eigenthumsfrage in dem Falle, daß etwa die
Dynastie aufhören sollte zu regieren, eine bedenkliche war, -- denn die neue
Vereinbarung von 1849 erklärte die Güter für Eigenthum des Staats und
die alten dynastischen Hausgesetze schreiben sogar vor, daß die Domanial-
guter untrennbar verbunden sein sollen nicht nur mit der Dynastie, sondern
auch mit dem Lande --, so hegte der Hof ernstliche Besorgnisse, welche an
Umfang und Stärke zunahmen, sobald eine europäische Krisis im Anzüge be¬
griffen schien, wie z. B. 1834 aus Anlaß der orientalischen Verwicklung und
1859 aus Anlaß des italienischen Kriegs. Unter diesen Umständen wünschte,
wenigstens in dieser Frage, die Dynastie "im Frieden zu leben mit ihrem
Volke".

Die Negierung hegte einen anderen Herzenswunsch. Die Stände von 1862
hatten sich nicht widersetzt, als es sich darum handelte, die Büreaukratie in
ihrem oben geschilderten alten Umfange, rheinbündlichen Angedenkens, wieder¬
herzustellen und die locale Selbstverwaltung mit der centralisirenden Bevor¬
mundung zu vertauschen. Aber auch hier waren sie zäh im Geldpunkte. Ob¬
gleich das Geld im Werth gesunken und die Lebensbedürfnisse theuerer geworden
waren, weigerten sie eine bleibende Aufbesserung der Gehalte. Das zahlreiche
Heer der Beamten wollte aber nicht nur herrschen und sich vermehren; es wollte
auch leben. Es schrie nach Brod, es wünschte Gehaltsaufbesserung, und das
Cabinet theilte diesen Wunsch.

Der Halbbruder des Herzogs, Prinz Nikolaus von Nassau, Präsident der
ersten Kammer, befürwortete diese beiden Wünsche. Aus seinen Aeußerungen
glaubte man entnehmen zu müssen, daß wenn jene beiden Steine des Anstoßes
aus dem Wege geräumt seien, unzweifelhaft das goldene Zeitalter beginne, oder
um es bescheiden auszudrücken, daß da die Octroyirung von 18S1, wie man
annahm, ihren Hauptgrund und Anlaß in der Domänenfrage gehabt habe, -- wenn
dieser Streitpunkt einmal geschlichtet sei, das Haupthindernis der Rückkehr zur
1849er Verfassung beseitigt erscheine, und daß es überhaupt kein besseres Mittel
gebe, den Frieden zwischen Dynastie und Land wiederherzustellen und auf die
Dauer zu befestigen, als die Entfernung dieses Zankapfels, der seit einem
Menschenalter die Ruhe des Landes störte. Der Regierungscommissär Bertram
aber ging noch weiter, er übernahm bindende Verpflichtungen zu einer Reihe
von Reformen, falls die Stände auf jene beiden Vorlagen des Hoff und der
Regierung einginge". Und die Stände gingen darauf ein, namentlich auch die
liberale Partei, in deren Hand es lag, beide Projecte zu vereiteln, wenn sie
wollte.

Mit Umgehung der epinösen Eigenthumsfrage durch eine Bezugnahme auf
die alten Hausgesetze, -- wobei sich jeder sein Theil dachte, nämlich der Hof
die untrennbare Verbindung mit der Dynastie, un-d die Landstände die untrenn-


und da außerdem auch die Eigenthumsfrage in dem Falle, daß etwa die
Dynastie aufhören sollte zu regieren, eine bedenkliche war, — denn die neue
Vereinbarung von 1849 erklärte die Güter für Eigenthum des Staats und
die alten dynastischen Hausgesetze schreiben sogar vor, daß die Domanial-
guter untrennbar verbunden sein sollen nicht nur mit der Dynastie, sondern
auch mit dem Lande —, so hegte der Hof ernstliche Besorgnisse, welche an
Umfang und Stärke zunahmen, sobald eine europäische Krisis im Anzüge be¬
griffen schien, wie z. B. 1834 aus Anlaß der orientalischen Verwicklung und
1859 aus Anlaß des italienischen Kriegs. Unter diesen Umständen wünschte,
wenigstens in dieser Frage, die Dynastie „im Frieden zu leben mit ihrem
Volke".

Die Negierung hegte einen anderen Herzenswunsch. Die Stände von 1862
hatten sich nicht widersetzt, als es sich darum handelte, die Büreaukratie in
ihrem oben geschilderten alten Umfange, rheinbündlichen Angedenkens, wieder¬
herzustellen und die locale Selbstverwaltung mit der centralisirenden Bevor¬
mundung zu vertauschen. Aber auch hier waren sie zäh im Geldpunkte. Ob¬
gleich das Geld im Werth gesunken und die Lebensbedürfnisse theuerer geworden
waren, weigerten sie eine bleibende Aufbesserung der Gehalte. Das zahlreiche
Heer der Beamten wollte aber nicht nur herrschen und sich vermehren; es wollte
auch leben. Es schrie nach Brod, es wünschte Gehaltsaufbesserung, und das
Cabinet theilte diesen Wunsch.

Der Halbbruder des Herzogs, Prinz Nikolaus von Nassau, Präsident der
ersten Kammer, befürwortete diese beiden Wünsche. Aus seinen Aeußerungen
glaubte man entnehmen zu müssen, daß wenn jene beiden Steine des Anstoßes
aus dem Wege geräumt seien, unzweifelhaft das goldene Zeitalter beginne, oder
um es bescheiden auszudrücken, daß da die Octroyirung von 18S1, wie man
annahm, ihren Hauptgrund und Anlaß in der Domänenfrage gehabt habe, — wenn
dieser Streitpunkt einmal geschlichtet sei, das Haupthindernis der Rückkehr zur
1849er Verfassung beseitigt erscheine, und daß es überhaupt kein besseres Mittel
gebe, den Frieden zwischen Dynastie und Land wiederherzustellen und auf die
Dauer zu befestigen, als die Entfernung dieses Zankapfels, der seit einem
Menschenalter die Ruhe des Landes störte. Der Regierungscommissär Bertram
aber ging noch weiter, er übernahm bindende Verpflichtungen zu einer Reihe
von Reformen, falls die Stände auf jene beiden Vorlagen des Hoff und der
Regierung einginge». Und die Stände gingen darauf ein, namentlich auch die
liberale Partei, in deren Hand es lag, beide Projecte zu vereiteln, wenn sie
wollte.

Mit Umgehung der epinösen Eigenthumsfrage durch eine Bezugnahme auf
die alten Hausgesetze, — wobei sich jeder sein Theil dachte, nämlich der Hof
die untrennbare Verbindung mit der Dynastie, un-d die Landstände die untrenn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/396>, abgerufen am 28.07.2024.