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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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daß sie beharrlich von der Annahme ausging, Oestreich vermöge einen großen
Krieg nicht zu führen. Das Gegentheil ist der Fall. Preußen hat seit 60 Jahren
das Glück gehabt, in Frieden zu gedeihen, das gesammte jetzt lebende Geschlecht
kennt Krieg im Lande nur vom Hörensagen. Oestreich hat seit 1848 zwei
schwere Kriege geführt. Dort ist daS Volk daran gewöhnt, und der Regierung
ist der Entschluß nicht neu. Die Finanznoth hat zu keiner Zeit den Krieg ge¬
hindert, der Soldat nimmt, was er braucht, im Nothfall mit Gewalt. Dao
östreichische Volk hat gelernt, mit mangelhaftem Credit und viel Papier zu
Wirthschaften, es giebt ernsthafte Männer in Oestreich, welche auch nach dieser
Hinsicht den Krieg fast für ein Glück halten, weil er den ohnedies schwer zu
vermeidenden Staatsbankerott aufs anständigste motivire. Die Soldaten aber,
Mit denen der Kaiserstaat seine Kriege führt, welche Bedeutung haben sie für
den wohlhabenden Bürger und Gutsherrn, ja für die Regierung selbst? Die
gebildeten Classen haben, wenn nicht zufällig Söhne in einem Offiziercorps
stehen, mit dem Heer aus Slaven und Magyaren keinen andern Zusammenhang,
als daß diese ihrem Staate dienen. In der italienischen Campagne freuten
sich die Wiener sogar der freiwilligen Rüstungen, weil dadurch ihre Stadt von
unsicherem Volk frei wurde. Der Krieg ist dort auch ein kritischer und lcidens-
voller Zustand, aber durchaus nicht in der Weise, wie im übrigen Deutschland.
Das leichte Blut und die Freude an Emotionen helfen über vieles weg. Das
östreichische Volk ist allerdings ein in seinen Vermögensverhältnissen längst
heruntergekommener Lebemann, aber ein Verschwender in großem Stil, der
immer noch die Macht hat, Andere für sich arbeiten zu lassen. Das preußische
Heer aber ist die Blüthe des Volkes, in jeder Compagnie, bei jeder Batterie
stehen Männer aus den verschiedensten Bcrufskreisen, der Beamte, der Guts¬
herr, der Gelehrte neben dem Ackerknecht, das Material des Krieges ist ungleich
kostbarer, in der That das werthvollste in ganz Europa, und es bedarf der
größten Veranlassung, um anch nur ein Regiment davon aufs Spiel zu setzen.

Während nach dieser Richtung der Krieg für Oestreich weit weniger be¬
deutet, ist allerdings seine Waffenstärke nicht so groß, als die östreichischen
Zeitungen melden. Immer hat dort mehr auf dem Papier gestanden, als in
Wirklichkeit disponibel war, und der kaiserlichen Regierung war ein Krieg gegen
Preußen und zugleich gegen Italien eine unlösliche Aufgabe, wenn ihr nicht
gelang, die thätige Bundesgenossenschaft der deutschen Mittelstaatcn zu erhalten.
Dafür hat der preußische Ministerpräsident gesorgt, als er den Neformantrag
in der Weise, wie geschehen, herauswarf, und die kaiserliche Regierung säumte
uicht. diesen Fehler zu benutzen. Dadurch ist in der That wahr geworden,
was noch vor wenig Wochen die Regierungsblätter zu Berlin ohne Wahrheit
behaupteten: in Oestreich will man, wenn nicht alles täuscht, an entscheidender
Stelle den Krieg. Indeß liegen auch dort zwischen Wunsch und That Hinter-


daß sie beharrlich von der Annahme ausging, Oestreich vermöge einen großen
Krieg nicht zu führen. Das Gegentheil ist der Fall. Preußen hat seit 60 Jahren
das Glück gehabt, in Frieden zu gedeihen, das gesammte jetzt lebende Geschlecht
kennt Krieg im Lande nur vom Hörensagen. Oestreich hat seit 1848 zwei
schwere Kriege geführt. Dort ist daS Volk daran gewöhnt, und der Regierung
ist der Entschluß nicht neu. Die Finanznoth hat zu keiner Zeit den Krieg ge¬
hindert, der Soldat nimmt, was er braucht, im Nothfall mit Gewalt. Dao
östreichische Volk hat gelernt, mit mangelhaftem Credit und viel Papier zu
Wirthschaften, es giebt ernsthafte Männer in Oestreich, welche auch nach dieser
Hinsicht den Krieg fast für ein Glück halten, weil er den ohnedies schwer zu
vermeidenden Staatsbankerott aufs anständigste motivire. Die Soldaten aber,
Mit denen der Kaiserstaat seine Kriege führt, welche Bedeutung haben sie für
den wohlhabenden Bürger und Gutsherrn, ja für die Regierung selbst? Die
gebildeten Classen haben, wenn nicht zufällig Söhne in einem Offiziercorps
stehen, mit dem Heer aus Slaven und Magyaren keinen andern Zusammenhang,
als daß diese ihrem Staate dienen. In der italienischen Campagne freuten
sich die Wiener sogar der freiwilligen Rüstungen, weil dadurch ihre Stadt von
unsicherem Volk frei wurde. Der Krieg ist dort auch ein kritischer und lcidens-
voller Zustand, aber durchaus nicht in der Weise, wie im übrigen Deutschland.
Das leichte Blut und die Freude an Emotionen helfen über vieles weg. Das
östreichische Volk ist allerdings ein in seinen Vermögensverhältnissen längst
heruntergekommener Lebemann, aber ein Verschwender in großem Stil, der
immer noch die Macht hat, Andere für sich arbeiten zu lassen. Das preußische
Heer aber ist die Blüthe des Volkes, in jeder Compagnie, bei jeder Batterie
stehen Männer aus den verschiedensten Bcrufskreisen, der Beamte, der Guts¬
herr, der Gelehrte neben dem Ackerknecht, das Material des Krieges ist ungleich
kostbarer, in der That das werthvollste in ganz Europa, und es bedarf der
größten Veranlassung, um anch nur ein Regiment davon aufs Spiel zu setzen.

Während nach dieser Richtung der Krieg für Oestreich weit weniger be¬
deutet, ist allerdings seine Waffenstärke nicht so groß, als die östreichischen
Zeitungen melden. Immer hat dort mehr auf dem Papier gestanden, als in
Wirklichkeit disponibel war, und der kaiserlichen Regierung war ein Krieg gegen
Preußen und zugleich gegen Italien eine unlösliche Aufgabe, wenn ihr nicht
gelang, die thätige Bundesgenossenschaft der deutschen Mittelstaatcn zu erhalten.
Dafür hat der preußische Ministerpräsident gesorgt, als er den Neformantrag
in der Weise, wie geschehen, herauswarf, und die kaiserliche Regierung säumte
uicht. diesen Fehler zu benutzen. Dadurch ist in der That wahr geworden,
was noch vor wenig Wochen die Regierungsblätter zu Berlin ohne Wahrheit
behaupteten: in Oestreich will man, wenn nicht alles täuscht, an entscheidender
Stelle den Krieg. Indeß liegen auch dort zwischen Wunsch und That Hinter-


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[0341] daß sie beharrlich von der Annahme ausging, Oestreich vermöge einen großen Krieg nicht zu führen. Das Gegentheil ist der Fall. Preußen hat seit 60 Jahren das Glück gehabt, in Frieden zu gedeihen, das gesammte jetzt lebende Geschlecht kennt Krieg im Lande nur vom Hörensagen. Oestreich hat seit 1848 zwei schwere Kriege geführt. Dort ist daS Volk daran gewöhnt, und der Regierung ist der Entschluß nicht neu. Die Finanznoth hat zu keiner Zeit den Krieg ge¬ hindert, der Soldat nimmt, was er braucht, im Nothfall mit Gewalt. Dao östreichische Volk hat gelernt, mit mangelhaftem Credit und viel Papier zu Wirthschaften, es giebt ernsthafte Männer in Oestreich, welche auch nach dieser Hinsicht den Krieg fast für ein Glück halten, weil er den ohnedies schwer zu vermeidenden Staatsbankerott aufs anständigste motivire. Die Soldaten aber, Mit denen der Kaiserstaat seine Kriege führt, welche Bedeutung haben sie für den wohlhabenden Bürger und Gutsherrn, ja für die Regierung selbst? Die gebildeten Classen haben, wenn nicht zufällig Söhne in einem Offiziercorps stehen, mit dem Heer aus Slaven und Magyaren keinen andern Zusammenhang, als daß diese ihrem Staate dienen. In der italienischen Campagne freuten sich die Wiener sogar der freiwilligen Rüstungen, weil dadurch ihre Stadt von unsicherem Volk frei wurde. Der Krieg ist dort auch ein kritischer und lcidens- voller Zustand, aber durchaus nicht in der Weise, wie im übrigen Deutschland. Das leichte Blut und die Freude an Emotionen helfen über vieles weg. Das östreichische Volk ist allerdings ein in seinen Vermögensverhältnissen längst heruntergekommener Lebemann, aber ein Verschwender in großem Stil, der immer noch die Macht hat, Andere für sich arbeiten zu lassen. Das preußische Heer aber ist die Blüthe des Volkes, in jeder Compagnie, bei jeder Batterie stehen Männer aus den verschiedensten Bcrufskreisen, der Beamte, der Guts¬ herr, der Gelehrte neben dem Ackerknecht, das Material des Krieges ist ungleich kostbarer, in der That das werthvollste in ganz Europa, und es bedarf der größten Veranlassung, um anch nur ein Regiment davon aufs Spiel zu setzen. Während nach dieser Richtung der Krieg für Oestreich weit weniger be¬ deutet, ist allerdings seine Waffenstärke nicht so groß, als die östreichischen Zeitungen melden. Immer hat dort mehr auf dem Papier gestanden, als in Wirklichkeit disponibel war, und der kaiserlichen Regierung war ein Krieg gegen Preußen und zugleich gegen Italien eine unlösliche Aufgabe, wenn ihr nicht gelang, die thätige Bundesgenossenschaft der deutschen Mittelstaatcn zu erhalten. Dafür hat der preußische Ministerpräsident gesorgt, als er den Neformantrag in der Weise, wie geschehen, herauswarf, und die kaiserliche Regierung säumte uicht. diesen Fehler zu benutzen. Dadurch ist in der That wahr geworden, was noch vor wenig Wochen die Regierungsblätter zu Berlin ohne Wahrheit behaupteten: in Oestreich will man, wenn nicht alles täuscht, an entscheidender Stelle den Krieg. Indeß liegen auch dort zwischen Wunsch und That Hinter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/341>, abgerufen am 27.07.2024.