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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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fast unüberwindbare Schwierigkeiten; denn außer einigen Wandertruppen auf
dem flachen Lande und einigen Liebhadertheatern in den kleinen Städten giebt
es keine tschechischen Bühnen. Die Rekrntnung der Schauspieler fällt dabei
sehr schwer, und was die Hauptsache ist. es fehlen tschechische Stücke. Tyl,
Klyczera, Machatschek haben früher Lustspiele s. 1". Kotzebue geliefert, und in
neuster Zeit haben Mikowez, Kolar. Halek. Pfleger und A. tschechische Trauer-
spiele und Komödien verfaßt, die in der Presse nach der den Tschechen eigenen
Art mit Lob überschüttet wurden, auf deutschen Bühnen aber ohne alle Be¬
achtung bleiben würden. Meistens werden Uebersetzungen deutscher und fran¬
zösischer Stücke aufgeführt. Die Oper behilft sich mit deutschen und französischen
Werken; es giebt ein paar tschechische Originalopern, doch im Allgemeinen haben
die Tschechen, so gute ausübende Musikanten und Sänger sie sind, keinen einiger,
maßen bedeutenden Componisten (wie ja überhaupt die Slaven) hervorgebracht.
Bei dem allen wird man jedoch nicht müde, die Vortrefflichkeit der tschechischen
Bühne zu loben und beginnt den Bau eines neuen großen Theaters, zu dem
die ersten Ziegelfuhren mit eigenthümlichem nationalen Pomp herbeigeholt
wurden. Die Ochsen an den Lastwagen waren bekränzt, und der Geistliche, der
Lehrer und die Schuljugend des Dorfes, aus dem die Ziegel stammten, zogen
mit den Ziegeln in feierlicher Procession in die Stadt; wo dann tschechische
Frauen und Jungfrauen -- in Wirklichkeit die Statistinnen des Theaters --
beim Abladen eigenhändig thätig waren. Bei all diesem Gelärm und Gepränge
hat sich herausgestellt, daß das Bedürfniß nach einem tschechischen Theater grade
kein großes ist, dafür zeugen die meist leeren Zuschauerraume und die seltsamen
statistischen Daten, die im letzten Landtage zur Sprache gelangten. Es traten
Ziffern zu Tage, die ein sehr merkwürdiges Verhältniß des Abonnements beim
tschechischen und deutschen Theater verriethen: 68,000 Gulden jährlich beträgt
es im deutschen Theater und nur -- 4000 Gulden im tschechischen, während
Hofrath Tasche! nachwies, daß, entspräche die allgemeine Theilnahme den übrigen
Vorbedingungen, es sich auf mindestens 30.000 Gulden belaufen sollte. Schlie߬
lich wurde erklärt, daß man unbedingt durch die Gewährung einer Subvention
den tschechischen Bühnendirector erhalten müsse; denn mache derselbe von seinem
Rechte halbjähriger Kündigung Gebrauch, so fände sich so leicht kein anderer
mehr. Schon früher war ein deutscher Bandhändler Director des tschechischen
Theaters gewesen; eine seltsame Ironie. Bei alledem bezeichnet man Prag
dreist als "rein tschechische Stadt". Es wird wohl gestattet sein, ohne den
Tschechen ihre Bühne zu mißgönnen, zu schließen, daß der Kunstsinn unter
ihnen noch nicht sehr entwickelt und daß auch das Bedürfniß nach dem Theater
nicht bedeutend ist, so groß man es auch hinstellen mag. Die Deutschen berührt
dabei nur das Eine empfindlich, daß sie. die vornehmsten Steuerzahler, bei diesen
^kperimenten immer und immer wieder in die Tasche greisen müssen; denn im


fast unüberwindbare Schwierigkeiten; denn außer einigen Wandertruppen auf
dem flachen Lande und einigen Liebhadertheatern in den kleinen Städten giebt
es keine tschechischen Bühnen. Die Rekrntnung der Schauspieler fällt dabei
sehr schwer, und was die Hauptsache ist. es fehlen tschechische Stücke. Tyl,
Klyczera, Machatschek haben früher Lustspiele s. 1». Kotzebue geliefert, und in
neuster Zeit haben Mikowez, Kolar. Halek. Pfleger und A. tschechische Trauer-
spiele und Komödien verfaßt, die in der Presse nach der den Tschechen eigenen
Art mit Lob überschüttet wurden, auf deutschen Bühnen aber ohne alle Be¬
achtung bleiben würden. Meistens werden Uebersetzungen deutscher und fran¬
zösischer Stücke aufgeführt. Die Oper behilft sich mit deutschen und französischen
Werken; es giebt ein paar tschechische Originalopern, doch im Allgemeinen haben
die Tschechen, so gute ausübende Musikanten und Sänger sie sind, keinen einiger,
maßen bedeutenden Componisten (wie ja überhaupt die Slaven) hervorgebracht.
Bei dem allen wird man jedoch nicht müde, die Vortrefflichkeit der tschechischen
Bühne zu loben und beginnt den Bau eines neuen großen Theaters, zu dem
die ersten Ziegelfuhren mit eigenthümlichem nationalen Pomp herbeigeholt
wurden. Die Ochsen an den Lastwagen waren bekränzt, und der Geistliche, der
Lehrer und die Schuljugend des Dorfes, aus dem die Ziegel stammten, zogen
mit den Ziegeln in feierlicher Procession in die Stadt; wo dann tschechische
Frauen und Jungfrauen — in Wirklichkeit die Statistinnen des Theaters —
beim Abladen eigenhändig thätig waren. Bei all diesem Gelärm und Gepränge
hat sich herausgestellt, daß das Bedürfniß nach einem tschechischen Theater grade
kein großes ist, dafür zeugen die meist leeren Zuschauerraume und die seltsamen
statistischen Daten, die im letzten Landtage zur Sprache gelangten. Es traten
Ziffern zu Tage, die ein sehr merkwürdiges Verhältniß des Abonnements beim
tschechischen und deutschen Theater verriethen: 68,000 Gulden jährlich beträgt
es im deutschen Theater und nur — 4000 Gulden im tschechischen, während
Hofrath Tasche! nachwies, daß, entspräche die allgemeine Theilnahme den übrigen
Vorbedingungen, es sich auf mindestens 30.000 Gulden belaufen sollte. Schlie߬
lich wurde erklärt, daß man unbedingt durch die Gewährung einer Subvention
den tschechischen Bühnendirector erhalten müsse; denn mache derselbe von seinem
Rechte halbjähriger Kündigung Gebrauch, so fände sich so leicht kein anderer
mehr. Schon früher war ein deutscher Bandhändler Director des tschechischen
Theaters gewesen; eine seltsame Ironie. Bei alledem bezeichnet man Prag
dreist als „rein tschechische Stadt". Es wird wohl gestattet sein, ohne den
Tschechen ihre Bühne zu mißgönnen, zu schließen, daß der Kunstsinn unter
ihnen noch nicht sehr entwickelt und daß auch das Bedürfniß nach dem Theater
nicht bedeutend ist, so groß man es auch hinstellen mag. Die Deutschen berührt
dabei nur das Eine empfindlich, daß sie. die vornehmsten Steuerzahler, bei diesen
^kperimenten immer und immer wieder in die Tasche greisen müssen; denn im


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[0317] fast unüberwindbare Schwierigkeiten; denn außer einigen Wandertruppen auf dem flachen Lande und einigen Liebhadertheatern in den kleinen Städten giebt es keine tschechischen Bühnen. Die Rekrntnung der Schauspieler fällt dabei sehr schwer, und was die Hauptsache ist. es fehlen tschechische Stücke. Tyl, Klyczera, Machatschek haben früher Lustspiele s. 1». Kotzebue geliefert, und in neuster Zeit haben Mikowez, Kolar. Halek. Pfleger und A. tschechische Trauer- spiele und Komödien verfaßt, die in der Presse nach der den Tschechen eigenen Art mit Lob überschüttet wurden, auf deutschen Bühnen aber ohne alle Be¬ achtung bleiben würden. Meistens werden Uebersetzungen deutscher und fran¬ zösischer Stücke aufgeführt. Die Oper behilft sich mit deutschen und französischen Werken; es giebt ein paar tschechische Originalopern, doch im Allgemeinen haben die Tschechen, so gute ausübende Musikanten und Sänger sie sind, keinen einiger, maßen bedeutenden Componisten (wie ja überhaupt die Slaven) hervorgebracht. Bei dem allen wird man jedoch nicht müde, die Vortrefflichkeit der tschechischen Bühne zu loben und beginnt den Bau eines neuen großen Theaters, zu dem die ersten Ziegelfuhren mit eigenthümlichem nationalen Pomp herbeigeholt wurden. Die Ochsen an den Lastwagen waren bekränzt, und der Geistliche, der Lehrer und die Schuljugend des Dorfes, aus dem die Ziegel stammten, zogen mit den Ziegeln in feierlicher Procession in die Stadt; wo dann tschechische Frauen und Jungfrauen — in Wirklichkeit die Statistinnen des Theaters — beim Abladen eigenhändig thätig waren. Bei all diesem Gelärm und Gepränge hat sich herausgestellt, daß das Bedürfniß nach einem tschechischen Theater grade kein großes ist, dafür zeugen die meist leeren Zuschauerraume und die seltsamen statistischen Daten, die im letzten Landtage zur Sprache gelangten. Es traten Ziffern zu Tage, die ein sehr merkwürdiges Verhältniß des Abonnements beim tschechischen und deutschen Theater verriethen: 68,000 Gulden jährlich beträgt es im deutschen Theater und nur — 4000 Gulden im tschechischen, während Hofrath Tasche! nachwies, daß, entspräche die allgemeine Theilnahme den übrigen Vorbedingungen, es sich auf mindestens 30.000 Gulden belaufen sollte. Schlie߬ lich wurde erklärt, daß man unbedingt durch die Gewährung einer Subvention den tschechischen Bühnendirector erhalten müsse; denn mache derselbe von seinem Rechte halbjähriger Kündigung Gebrauch, so fände sich so leicht kein anderer mehr. Schon früher war ein deutscher Bandhändler Director des tschechischen Theaters gewesen; eine seltsame Ironie. Bei alledem bezeichnet man Prag dreist als „rein tschechische Stadt". Es wird wohl gestattet sein, ohne den Tschechen ihre Bühne zu mißgönnen, zu schließen, daß der Kunstsinn unter ihnen noch nicht sehr entwickelt und daß auch das Bedürfniß nach dem Theater nicht bedeutend ist, so groß man es auch hinstellen mag. Die Deutschen berührt dabei nur das Eine empfindlich, daß sie. die vornehmsten Steuerzahler, bei diesen ^kperimenten immer und immer wieder in die Tasche greisen müssen; denn im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/317>, abgerufen am 28.07.2024.