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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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fünf bestehen (in Somma, in San Maurizio, in Ghiardo, in Bagnacavallo
und in Foiano) ist ganz nach dem Muster des Lagers von Chalons: sie sind,
wie Napoleon 1837 bei Eröffnung des letzteren seiner Garde sagte, "nicht ein
eitles Schauspiel für die Neugier des Publikums, sondern eine hohe Schule,
die durch die unternommenen Arbeiten segensreich wird, und deren Ergebnisse
sich zeigen werden, wo immer das Vaterland des Kriegers bedarf."

Sehr wichtig für die Ausbildung der Armee ist endlich, wie ebenfalls schon
erwähnt, der Kampf mit dem Brigantenthum in Süditalien, welcher fast ein
Viertel derselben in Anspruch nimmt, und in Betreff dessen wir uns eine Ab¬
schweifung von unserm eigentlichen Thema gestatten müssen.

Viele, die nach bloßen Zahlen urtheilen, meinen im Hinblick darauf, daß
man solche Massen von Soldaten gegen dieses Unwesen ins Feld führt, es
gelte nicht nur einigen Räuberbanden, sondern das ganze Volt sei mit der
neuen Ordnung der Dinge unzufrieden und müsse durch jene Massen nieder¬
gehalten werden. Wer die Natur der betreffenden Gegenden und die Eigen¬
schaften des dortigen niedern Volkes kennt und sich nicht absichtlich, zu Ehren
legitimistischer Doctrinen, gegen die Wahrheit verblendet, weiß, daß dem durch¬
aus nicht so ist. Es ist statistisch nachgewiesen, daß die Zahl der süditalienischen
Briganten in den letzten drei Jahren nur selten zweihundert Köpfe überstieg,
aber wer einen Blick auf eine Specialkarte der Gegenden, wo sie vorzüglich
Hausen, zu werfen Gelegenheit hat und die Gebirgszüge, Schluchten und Wald¬
einöden betrachtet, welche dieselben durchziehen, der begreift leicht, daß hiermit
einigen fliegenden Colonnen nichts auszurichten ist. Thöricht ist es, von einem
Kriege mit diesen nirgends anders als in äußerster Noth Stand haltenden, nur
in seltnen Fällen neben der Begier nach Raub einigermaßen ernsthaft für eine
höhere Idee fechtenden Spitzbubenrotten zu reden. Der Spanier Borjes hat
den Irrthum, aus denselben eine Art Heer bilden zu können, nach einigen
Wochen voll bittrer Enttäuschung mit dem Tode bezahlt. Die italienische Armee
hält das Land besetzt einfach deshalb, um die Plünderung desselben durch die
Getreuen Sr. Exmajestät von Neapel zu verhüten, und sie muß sich über weite
Strecken vertheilen, weil die Räuber nur da erscheinen, wo sie einen Punkt
ohne Schutzwache wissen, die ihnen das Handwerk legen könnte. Ihre Unter¬
nehmungen bestehen lediglich darin, daß sie, aus ihren schwer zugänglichen und
häufig gewechselten Schlupfwinkeln hervorbrechend, Reisende anfallen und aus¬
plündern oder sie als Geiseln bei sich behalten, bis sie das verlangte Lösegeld
bezahlen, sowie darin, daß sie kleine und schlecht besetzte Ortschaften plötzlich
überfallen und ausrauben, worauf sie sofort wieder in ihre Felsschluchten oder
Wälder umkehren. Wollte man die Besetzung nur auf die Striche ausdehnen,
wo das Brigantenwesen grade von sich hören läßt, so liefe man Gefahr, daß
die Banden, die von dem eingeschüchterten Bauernvolke immer gut unterrichtet


fünf bestehen (in Somma, in San Maurizio, in Ghiardo, in Bagnacavallo
und in Foiano) ist ganz nach dem Muster des Lagers von Chalons: sie sind,
wie Napoleon 1837 bei Eröffnung des letzteren seiner Garde sagte, „nicht ein
eitles Schauspiel für die Neugier des Publikums, sondern eine hohe Schule,
die durch die unternommenen Arbeiten segensreich wird, und deren Ergebnisse
sich zeigen werden, wo immer das Vaterland des Kriegers bedarf."

Sehr wichtig für die Ausbildung der Armee ist endlich, wie ebenfalls schon
erwähnt, der Kampf mit dem Brigantenthum in Süditalien, welcher fast ein
Viertel derselben in Anspruch nimmt, und in Betreff dessen wir uns eine Ab¬
schweifung von unserm eigentlichen Thema gestatten müssen.

Viele, die nach bloßen Zahlen urtheilen, meinen im Hinblick darauf, daß
man solche Massen von Soldaten gegen dieses Unwesen ins Feld führt, es
gelte nicht nur einigen Räuberbanden, sondern das ganze Volt sei mit der
neuen Ordnung der Dinge unzufrieden und müsse durch jene Massen nieder¬
gehalten werden. Wer die Natur der betreffenden Gegenden und die Eigen¬
schaften des dortigen niedern Volkes kennt und sich nicht absichtlich, zu Ehren
legitimistischer Doctrinen, gegen die Wahrheit verblendet, weiß, daß dem durch¬
aus nicht so ist. Es ist statistisch nachgewiesen, daß die Zahl der süditalienischen
Briganten in den letzten drei Jahren nur selten zweihundert Köpfe überstieg,
aber wer einen Blick auf eine Specialkarte der Gegenden, wo sie vorzüglich
Hausen, zu werfen Gelegenheit hat und die Gebirgszüge, Schluchten und Wald¬
einöden betrachtet, welche dieselben durchziehen, der begreift leicht, daß hiermit
einigen fliegenden Colonnen nichts auszurichten ist. Thöricht ist es, von einem
Kriege mit diesen nirgends anders als in äußerster Noth Stand haltenden, nur
in seltnen Fällen neben der Begier nach Raub einigermaßen ernsthaft für eine
höhere Idee fechtenden Spitzbubenrotten zu reden. Der Spanier Borjes hat
den Irrthum, aus denselben eine Art Heer bilden zu können, nach einigen
Wochen voll bittrer Enttäuschung mit dem Tode bezahlt. Die italienische Armee
hält das Land besetzt einfach deshalb, um die Plünderung desselben durch die
Getreuen Sr. Exmajestät von Neapel zu verhüten, und sie muß sich über weite
Strecken vertheilen, weil die Räuber nur da erscheinen, wo sie einen Punkt
ohne Schutzwache wissen, die ihnen das Handwerk legen könnte. Ihre Unter¬
nehmungen bestehen lediglich darin, daß sie, aus ihren schwer zugänglichen und
häufig gewechselten Schlupfwinkeln hervorbrechend, Reisende anfallen und aus¬
plündern oder sie als Geiseln bei sich behalten, bis sie das verlangte Lösegeld
bezahlen, sowie darin, daß sie kleine und schlecht besetzte Ortschaften plötzlich
überfallen und ausrauben, worauf sie sofort wieder in ihre Felsschluchten oder
Wälder umkehren. Wollte man die Besetzung nur auf die Striche ausdehnen,
wo das Brigantenwesen grade von sich hören läßt, so liefe man Gefahr, daß
die Banden, die von dem eingeschüchterten Bauernvolke immer gut unterrichtet


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[0282] fünf bestehen (in Somma, in San Maurizio, in Ghiardo, in Bagnacavallo und in Foiano) ist ganz nach dem Muster des Lagers von Chalons: sie sind, wie Napoleon 1837 bei Eröffnung des letzteren seiner Garde sagte, „nicht ein eitles Schauspiel für die Neugier des Publikums, sondern eine hohe Schule, die durch die unternommenen Arbeiten segensreich wird, und deren Ergebnisse sich zeigen werden, wo immer das Vaterland des Kriegers bedarf." Sehr wichtig für die Ausbildung der Armee ist endlich, wie ebenfalls schon erwähnt, der Kampf mit dem Brigantenthum in Süditalien, welcher fast ein Viertel derselben in Anspruch nimmt, und in Betreff dessen wir uns eine Ab¬ schweifung von unserm eigentlichen Thema gestatten müssen. Viele, die nach bloßen Zahlen urtheilen, meinen im Hinblick darauf, daß man solche Massen von Soldaten gegen dieses Unwesen ins Feld führt, es gelte nicht nur einigen Räuberbanden, sondern das ganze Volt sei mit der neuen Ordnung der Dinge unzufrieden und müsse durch jene Massen nieder¬ gehalten werden. Wer die Natur der betreffenden Gegenden und die Eigen¬ schaften des dortigen niedern Volkes kennt und sich nicht absichtlich, zu Ehren legitimistischer Doctrinen, gegen die Wahrheit verblendet, weiß, daß dem durch¬ aus nicht so ist. Es ist statistisch nachgewiesen, daß die Zahl der süditalienischen Briganten in den letzten drei Jahren nur selten zweihundert Köpfe überstieg, aber wer einen Blick auf eine Specialkarte der Gegenden, wo sie vorzüglich Hausen, zu werfen Gelegenheit hat und die Gebirgszüge, Schluchten und Wald¬ einöden betrachtet, welche dieselben durchziehen, der begreift leicht, daß hiermit einigen fliegenden Colonnen nichts auszurichten ist. Thöricht ist es, von einem Kriege mit diesen nirgends anders als in äußerster Noth Stand haltenden, nur in seltnen Fällen neben der Begier nach Raub einigermaßen ernsthaft für eine höhere Idee fechtenden Spitzbubenrotten zu reden. Der Spanier Borjes hat den Irrthum, aus denselben eine Art Heer bilden zu können, nach einigen Wochen voll bittrer Enttäuschung mit dem Tode bezahlt. Die italienische Armee hält das Land besetzt einfach deshalb, um die Plünderung desselben durch die Getreuen Sr. Exmajestät von Neapel zu verhüten, und sie muß sich über weite Strecken vertheilen, weil die Räuber nur da erscheinen, wo sie einen Punkt ohne Schutzwache wissen, die ihnen das Handwerk legen könnte. Ihre Unter¬ nehmungen bestehen lediglich darin, daß sie, aus ihren schwer zugänglichen und häufig gewechselten Schlupfwinkeln hervorbrechend, Reisende anfallen und aus¬ plündern oder sie als Geiseln bei sich behalten, bis sie das verlangte Lösegeld bezahlen, sowie darin, daß sie kleine und schlecht besetzte Ortschaften plötzlich überfallen und ausrauben, worauf sie sofort wieder in ihre Felsschluchten oder Wälder umkehren. Wollte man die Besetzung nur auf die Striche ausdehnen, wo das Brigantenwesen grade von sich hören läßt, so liefe man Gefahr, daß die Banden, die von dem eingeschüchterten Bauernvolke immer gut unterrichtet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/282>, abgerufen am 28.07.2024.