Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den in Oestreich gebräuchlichen Geschützformen ab, indem die scharfen Ecken des
vordern Visirreifes und Karnießes abgerundet sind und das Bodenstück an der
Stelle der Traube mit einem halbkugelförmigen Keil abgeschlossen ist. Das
Spitzgeschoß wird nur als Granate gebraucht. Hohlkugelkartätschen, die soge¬
nannten Shrapnells, hat die italienische Artillerie nicht, ebenso wenig die breit-
hauptschen auf jede Distanz tempirbaren Zünder. Ihre Brandröhren können
nur auf zwei Distanzen tempirt werden, sie wirken einfach dadurch, daß sie
zwischen den feindlichen Linien, wo sie eingeschlagen, liegen bleiben und nachdem
die Brandröhrc die Füllung entzündet, dort zerspringen. Die Lafetten sind
leichte, hinten zusammenlaufende Seitenlafetten, die Räder vorn und hinten
gleich groß. Statt schwerfälliger Munitionswagen hat man eine recht prak¬
tische Einrichtung, indem an dem Geschütz selbst drei Protzkasten angebracht sind,
einer auf der vordem, zwei auf der hintern Achse, von wo die Geschosse mit
Leichtigkeit herbeigeschafft werden können.

Als Festnngs- und Belagerungsgeschütz dient der gezogene Sechzehnpfünder,
als schwerstes Kaliber der gußeiserne, mit Stabkreisen umgebene Vierzigpfünder,
der ebenfalls nach La Hittes System gezogen ist, nur daß die Züge rechts statt
links winden. Der letztere wird nur gegen Panzerschiffe und zur Vertheidigung
von Küstenbefestigungen verwendet. Die Wirkung desselben ist. nach den Ver¬
suchen, welche der Verfasser auf dem Schießplätze zu Vcneria Reale bei Turin
zu beobachten Gelegenheit hatte, furchtbar. Das Ziel bildete eine aus Martel-
panzcrn zusammengesetzte Scheibe. Der Panzer, 4^2 Zoll stark, war aus einer
Menge feingewalzter Platten zusammengehämmert, und dahinter befanden sich
zusammengenietete Balken von 2 Fuß Dicke, an welche die Panzertheile ange¬
schraubt waren. Man feuerte aus einer Entfernung von 200 Schritt, und
das stählerne Geschoß, ein Cylinder ohne Spitze, dessen Gewicht 60 Kilogramm
betrug) und welches von einer Pulverladung von etwa 7 Kilogramm getrieben
wurde, durchfuhr nicht allein die Panzerschicht, sondern auch die Balkenlage
der Scheibe.

Die italienische Feldartillerie, soweit sie Bedienungsmannschaft ist, ist zur
Vertheidigung ihrer Geschütze mit Musketen versehen, was unser Berichterstatter
(unsrer Meinung nach mit Unrecht) Praktisch findet, wie er denn auch die Cavallerie
mit besseren Schießwaffen ausgerüstet und zum Theil Jnfanteriedienste thun
sehen möchte. Auch sonst lobt er die Ausstattung jener Truppe als zweckmäßig.
"Das neue Material ist leicht und beweglich. Lafetten existiren für die Feld¬
geschütze, den Acht- und den Sechzehnpfünder nur einerlei, da die Schildzapfcn
beider Geschützgattungen gleich groß sind. Die Bagage des Mannes, welche
in einem Tornister verpackt ist, ist beim Geschütze selbst sehr zweckmäßig ange¬
bracht, indem es an die vordere Wand des Protzkastens angeschnallt wird und
so bei dem etwas breiter gelassenen Schemel unter das Kniegelenk des aus-


den in Oestreich gebräuchlichen Geschützformen ab, indem die scharfen Ecken des
vordern Visirreifes und Karnießes abgerundet sind und das Bodenstück an der
Stelle der Traube mit einem halbkugelförmigen Keil abgeschlossen ist. Das
Spitzgeschoß wird nur als Granate gebraucht. Hohlkugelkartätschen, die soge¬
nannten Shrapnells, hat die italienische Artillerie nicht, ebenso wenig die breit-
hauptschen auf jede Distanz tempirbaren Zünder. Ihre Brandröhren können
nur auf zwei Distanzen tempirt werden, sie wirken einfach dadurch, daß sie
zwischen den feindlichen Linien, wo sie eingeschlagen, liegen bleiben und nachdem
die Brandröhrc die Füllung entzündet, dort zerspringen. Die Lafetten sind
leichte, hinten zusammenlaufende Seitenlafetten, die Räder vorn und hinten
gleich groß. Statt schwerfälliger Munitionswagen hat man eine recht prak¬
tische Einrichtung, indem an dem Geschütz selbst drei Protzkasten angebracht sind,
einer auf der vordem, zwei auf der hintern Achse, von wo die Geschosse mit
Leichtigkeit herbeigeschafft werden können.

Als Festnngs- und Belagerungsgeschütz dient der gezogene Sechzehnpfünder,
als schwerstes Kaliber der gußeiserne, mit Stabkreisen umgebene Vierzigpfünder,
der ebenfalls nach La Hittes System gezogen ist, nur daß die Züge rechts statt
links winden. Der letztere wird nur gegen Panzerschiffe und zur Vertheidigung
von Küstenbefestigungen verwendet. Die Wirkung desselben ist. nach den Ver¬
suchen, welche der Verfasser auf dem Schießplätze zu Vcneria Reale bei Turin
zu beobachten Gelegenheit hatte, furchtbar. Das Ziel bildete eine aus Martel-
panzcrn zusammengesetzte Scheibe. Der Panzer, 4^2 Zoll stark, war aus einer
Menge feingewalzter Platten zusammengehämmert, und dahinter befanden sich
zusammengenietete Balken von 2 Fuß Dicke, an welche die Panzertheile ange¬
schraubt waren. Man feuerte aus einer Entfernung von 200 Schritt, und
das stählerne Geschoß, ein Cylinder ohne Spitze, dessen Gewicht 60 Kilogramm
betrug) und welches von einer Pulverladung von etwa 7 Kilogramm getrieben
wurde, durchfuhr nicht allein die Panzerschicht, sondern auch die Balkenlage
der Scheibe.

Die italienische Feldartillerie, soweit sie Bedienungsmannschaft ist, ist zur
Vertheidigung ihrer Geschütze mit Musketen versehen, was unser Berichterstatter
(unsrer Meinung nach mit Unrecht) Praktisch findet, wie er denn auch die Cavallerie
mit besseren Schießwaffen ausgerüstet und zum Theil Jnfanteriedienste thun
sehen möchte. Auch sonst lobt er die Ausstattung jener Truppe als zweckmäßig.
„Das neue Material ist leicht und beweglich. Lafetten existiren für die Feld¬
geschütze, den Acht- und den Sechzehnpfünder nur einerlei, da die Schildzapfcn
beider Geschützgattungen gleich groß sind. Die Bagage des Mannes, welche
in einem Tornister verpackt ist, ist beim Geschütze selbst sehr zweckmäßig ange¬
bracht, indem es an die vordere Wand des Protzkastens angeschnallt wird und
so bei dem etwas breiter gelassenen Schemel unter das Kniegelenk des aus-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285308"/>
          <p xml:id="ID_806" prev="#ID_805"> den in Oestreich gebräuchlichen Geschützformen ab, indem die scharfen Ecken des<lb/>
vordern Visirreifes und Karnießes abgerundet sind und das Bodenstück an der<lb/>
Stelle der Traube mit einem halbkugelförmigen Keil abgeschlossen ist. Das<lb/>
Spitzgeschoß wird nur als Granate gebraucht. Hohlkugelkartätschen, die soge¬<lb/>
nannten Shrapnells, hat die italienische Artillerie nicht, ebenso wenig die breit-<lb/>
hauptschen auf jede Distanz tempirbaren Zünder. Ihre Brandröhren können<lb/>
nur auf zwei Distanzen tempirt werden, sie wirken einfach dadurch, daß sie<lb/>
zwischen den feindlichen Linien, wo sie eingeschlagen, liegen bleiben und nachdem<lb/>
die Brandröhrc die Füllung entzündet, dort zerspringen. Die Lafetten sind<lb/>
leichte, hinten zusammenlaufende Seitenlafetten, die Räder vorn und hinten<lb/>
gleich groß. Statt schwerfälliger Munitionswagen hat man eine recht prak¬<lb/>
tische Einrichtung, indem an dem Geschütz selbst drei Protzkasten angebracht sind,<lb/>
einer auf der vordem, zwei auf der hintern Achse, von wo die Geschosse mit<lb/>
Leichtigkeit herbeigeschafft werden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_807"> Als Festnngs- und Belagerungsgeschütz dient der gezogene Sechzehnpfünder,<lb/>
als schwerstes Kaliber der gußeiserne, mit Stabkreisen umgebene Vierzigpfünder,<lb/>
der ebenfalls nach La Hittes System gezogen ist, nur daß die Züge rechts statt<lb/>
links winden. Der letztere wird nur gegen Panzerschiffe und zur Vertheidigung<lb/>
von Küstenbefestigungen verwendet. Die Wirkung desselben ist. nach den Ver¬<lb/>
suchen, welche der Verfasser auf dem Schießplätze zu Vcneria Reale bei Turin<lb/>
zu beobachten Gelegenheit hatte, furchtbar. Das Ziel bildete eine aus Martel-<lb/>
panzcrn zusammengesetzte Scheibe. Der Panzer, 4^2 Zoll stark, war aus einer<lb/>
Menge feingewalzter Platten zusammengehämmert, und dahinter befanden sich<lb/>
zusammengenietete Balken von 2 Fuß Dicke, an welche die Panzertheile ange¬<lb/>
schraubt waren. Man feuerte aus einer Entfernung von 200 Schritt, und<lb/>
das stählerne Geschoß, ein Cylinder ohne Spitze, dessen Gewicht 60 Kilogramm<lb/>
betrug) und welches von einer Pulverladung von etwa 7 Kilogramm getrieben<lb/>
wurde, durchfuhr nicht allein die Panzerschicht, sondern auch die Balkenlage<lb/>
der Scheibe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_808" next="#ID_809"> Die italienische Feldartillerie, soweit sie Bedienungsmannschaft ist, ist zur<lb/>
Vertheidigung ihrer Geschütze mit Musketen versehen, was unser Berichterstatter<lb/>
(unsrer Meinung nach mit Unrecht) Praktisch findet, wie er denn auch die Cavallerie<lb/>
mit besseren Schießwaffen ausgerüstet und zum Theil Jnfanteriedienste thun<lb/>
sehen möchte. Auch sonst lobt er die Ausstattung jener Truppe als zweckmäßig.<lb/>
&#x201E;Das neue Material ist leicht und beweglich. Lafetten existiren für die Feld¬<lb/>
geschütze, den Acht- und den Sechzehnpfünder nur einerlei, da die Schildzapfcn<lb/>
beider Geschützgattungen gleich groß sind. Die Bagage des Mannes, welche<lb/>
in einem Tornister verpackt ist, ist beim Geschütze selbst sehr zweckmäßig ange¬<lb/>
bracht, indem es an die vordere Wand des Protzkastens angeschnallt wird und<lb/>
so bei dem etwas breiter gelassenen Schemel unter das Kniegelenk des aus-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] den in Oestreich gebräuchlichen Geschützformen ab, indem die scharfen Ecken des vordern Visirreifes und Karnießes abgerundet sind und das Bodenstück an der Stelle der Traube mit einem halbkugelförmigen Keil abgeschlossen ist. Das Spitzgeschoß wird nur als Granate gebraucht. Hohlkugelkartätschen, die soge¬ nannten Shrapnells, hat die italienische Artillerie nicht, ebenso wenig die breit- hauptschen auf jede Distanz tempirbaren Zünder. Ihre Brandröhren können nur auf zwei Distanzen tempirt werden, sie wirken einfach dadurch, daß sie zwischen den feindlichen Linien, wo sie eingeschlagen, liegen bleiben und nachdem die Brandröhrc die Füllung entzündet, dort zerspringen. Die Lafetten sind leichte, hinten zusammenlaufende Seitenlafetten, die Räder vorn und hinten gleich groß. Statt schwerfälliger Munitionswagen hat man eine recht prak¬ tische Einrichtung, indem an dem Geschütz selbst drei Protzkasten angebracht sind, einer auf der vordem, zwei auf der hintern Achse, von wo die Geschosse mit Leichtigkeit herbeigeschafft werden können. Als Festnngs- und Belagerungsgeschütz dient der gezogene Sechzehnpfünder, als schwerstes Kaliber der gußeiserne, mit Stabkreisen umgebene Vierzigpfünder, der ebenfalls nach La Hittes System gezogen ist, nur daß die Züge rechts statt links winden. Der letztere wird nur gegen Panzerschiffe und zur Vertheidigung von Küstenbefestigungen verwendet. Die Wirkung desselben ist. nach den Ver¬ suchen, welche der Verfasser auf dem Schießplätze zu Vcneria Reale bei Turin zu beobachten Gelegenheit hatte, furchtbar. Das Ziel bildete eine aus Martel- panzcrn zusammengesetzte Scheibe. Der Panzer, 4^2 Zoll stark, war aus einer Menge feingewalzter Platten zusammengehämmert, und dahinter befanden sich zusammengenietete Balken von 2 Fuß Dicke, an welche die Panzertheile ange¬ schraubt waren. Man feuerte aus einer Entfernung von 200 Schritt, und das stählerne Geschoß, ein Cylinder ohne Spitze, dessen Gewicht 60 Kilogramm betrug) und welches von einer Pulverladung von etwa 7 Kilogramm getrieben wurde, durchfuhr nicht allein die Panzerschicht, sondern auch die Balkenlage der Scheibe. Die italienische Feldartillerie, soweit sie Bedienungsmannschaft ist, ist zur Vertheidigung ihrer Geschütze mit Musketen versehen, was unser Berichterstatter (unsrer Meinung nach mit Unrecht) Praktisch findet, wie er denn auch die Cavallerie mit besseren Schießwaffen ausgerüstet und zum Theil Jnfanteriedienste thun sehen möchte. Auch sonst lobt er die Ausstattung jener Truppe als zweckmäßig. „Das neue Material ist leicht und beweglich. Lafetten existiren für die Feld¬ geschütze, den Acht- und den Sechzehnpfünder nur einerlei, da die Schildzapfcn beider Geschützgattungen gleich groß sind. Die Bagage des Mannes, welche in einem Tornister verpackt ist, ist beim Geschütze selbst sehr zweckmäßig ange¬ bracht, indem es an die vordere Wand des Protzkastens angeschnallt wird und so bei dem etwas breiter gelassenen Schemel unter das Kniegelenk des aus-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/280>, abgerufen am 28.07.2024.