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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Aufenthalt in der Burse) oder soviel er, außerhalb einer Burse wohnend,
wöchentlich seinem Wirth zu entrichten hat, als Buße. Diese Vorschriften schei¬
nen bald verletzt worden zu sein, und vielleicht kam auch Schlimmeres als das
von ihnen Bedrohte vor. was daraus zu schließen, daß in das Jahr 1413 die
ersten Relegationen fallen, welche beiläufig Johannes Trautmann aus Stogh,
Johannes Egidy aus Mainz und Balthasar von Jüterbock betrafen.

Ein Gesetz, welches die Nationen 1422 beschließen, wendet sich vorzüglich
gegen Unfug und Gewaltthat, die sonach in der Zwischenzeit häufig zu beklagen
gewesen sein müssen. Wer jemand "irr loco suLveoto" (berüchtigtes Haus,
verrufene Schenke, Bordell) schlägt oder sonst körperlich mißhandelt, ohne daß
Blut fließt, erlegt einen Gulden und wandert acht Tage in den Thurm; fließt
Blut, so wird der Thäter mit dem Doppelten, erfolgt dabei irgendwelche Ver¬
stümmelung, so wird er mit dem Vierfachen der erwähnten Strafe belegt. Ge¬
schieht das Eine oder das Andere nicht "in loco susvooto", so kommt der Be¬
treffende mit halber Buße davon, dagegen sind derartige Mißhandlungen oder
Verletzungen, an Stadtdienern, Nachtwandlern (eiroulatores) oder Pedellen ver¬
übt, jedesmal doppelt zu strafen. Verboten sind ferner: gewaltsames Eindrin¬
gen durch Thüren und Fenster, vorzüglich verrufener Orte, nächtliches Gebrüll,
der Gebrauch von Schimpfwörtern wie vöyuam, rioaläus, LMrius und wen-
üax (Schelm, Raufbold, Hurensohn, Lügner), das Halten von liederlichen
Frauenzimmern, das Tragen von Laienhüten und "andrer unschicklicher Klei¬
dung", und das nächtliche Herumstreichen in Masken. Wer die auf solche Ver¬
gehen gesetzte Strafe nicht zahlt, soll vom Rector öffentlich an der Thür der
Kirche oder seines Collegs gemahnt, wer der Mahnung nicht nachkommt, weg¬
geschickt werden.

Ein Beschluß der Universität, d. h. der Nationen, von 1440 befiehlt: die
Magister sollen sich von den Studenten durch die Kleidung unterscheiden, jene
in langen, nicht gegürteten Gewändern, auf dem Kopf eine Mitra und an den
Schultern oder am Halse eine Kaputze einhergehen, die Studenten dagegen in
anständigen Mänteln oder ohne Mäntel, dann aber an jedem Kleide gegürtet
erscheinen.

Ein Statut von 14S8 klagt über die lockern Sitten und das gefährliche
Herumschweifen der Scholaren und bestimmt, daß fürderhin jeder, der nicht
Vorlesungen hört und nicht an den scholastischen Uebungen, d. h. an den Dis¬
putationen theilnimmt und der Ermahnung zur Besserung nicht Folge giebt,
nach Hause geschickt werden soll. Niemand von den Angehörigen der Univer¬
sität soll in Schenken und öffentlichen Kellern sitzen, niemand sich dort mit
"prostituirten Personen schamlos zusammenthun". Wer sich mit Schnabelschuhen,
zu kurzen Wämmsern, Mänteln, die an der Seite offen, oder mit seidnen
Aermeln, die bis an die Schulterblätter oder die Ellbogen halb offen sind, oder


Aufenthalt in der Burse) oder soviel er, außerhalb einer Burse wohnend,
wöchentlich seinem Wirth zu entrichten hat, als Buße. Diese Vorschriften schei¬
nen bald verletzt worden zu sein, und vielleicht kam auch Schlimmeres als das
von ihnen Bedrohte vor. was daraus zu schließen, daß in das Jahr 1413 die
ersten Relegationen fallen, welche beiläufig Johannes Trautmann aus Stogh,
Johannes Egidy aus Mainz und Balthasar von Jüterbock betrafen.

Ein Gesetz, welches die Nationen 1422 beschließen, wendet sich vorzüglich
gegen Unfug und Gewaltthat, die sonach in der Zwischenzeit häufig zu beklagen
gewesen sein müssen. Wer jemand „irr loco suLveoto" (berüchtigtes Haus,
verrufene Schenke, Bordell) schlägt oder sonst körperlich mißhandelt, ohne daß
Blut fließt, erlegt einen Gulden und wandert acht Tage in den Thurm; fließt
Blut, so wird der Thäter mit dem Doppelten, erfolgt dabei irgendwelche Ver¬
stümmelung, so wird er mit dem Vierfachen der erwähnten Strafe belegt. Ge¬
schieht das Eine oder das Andere nicht „in loco susvooto", so kommt der Be¬
treffende mit halber Buße davon, dagegen sind derartige Mißhandlungen oder
Verletzungen, an Stadtdienern, Nachtwandlern (eiroulatores) oder Pedellen ver¬
übt, jedesmal doppelt zu strafen. Verboten sind ferner: gewaltsames Eindrin¬
gen durch Thüren und Fenster, vorzüglich verrufener Orte, nächtliches Gebrüll,
der Gebrauch von Schimpfwörtern wie vöyuam, rioaläus, LMrius und wen-
üax (Schelm, Raufbold, Hurensohn, Lügner), das Halten von liederlichen
Frauenzimmern, das Tragen von Laienhüten und „andrer unschicklicher Klei¬
dung", und das nächtliche Herumstreichen in Masken. Wer die auf solche Ver¬
gehen gesetzte Strafe nicht zahlt, soll vom Rector öffentlich an der Thür der
Kirche oder seines Collegs gemahnt, wer der Mahnung nicht nachkommt, weg¬
geschickt werden.

Ein Beschluß der Universität, d. h. der Nationen, von 1440 befiehlt: die
Magister sollen sich von den Studenten durch die Kleidung unterscheiden, jene
in langen, nicht gegürteten Gewändern, auf dem Kopf eine Mitra und an den
Schultern oder am Halse eine Kaputze einhergehen, die Studenten dagegen in
anständigen Mänteln oder ohne Mäntel, dann aber an jedem Kleide gegürtet
erscheinen.

Ein Statut von 14S8 klagt über die lockern Sitten und das gefährliche
Herumschweifen der Scholaren und bestimmt, daß fürderhin jeder, der nicht
Vorlesungen hört und nicht an den scholastischen Uebungen, d. h. an den Dis¬
putationen theilnimmt und der Ermahnung zur Besserung nicht Folge giebt,
nach Hause geschickt werden soll. Niemand von den Angehörigen der Univer¬
sität soll in Schenken und öffentlichen Kellern sitzen, niemand sich dort mit
„prostituirten Personen schamlos zusammenthun". Wer sich mit Schnabelschuhen,
zu kurzen Wämmsern, Mänteln, die an der Seite offen, oder mit seidnen
Aermeln, die bis an die Schulterblätter oder die Ellbogen halb offen sind, oder


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[0238] Aufenthalt in der Burse) oder soviel er, außerhalb einer Burse wohnend, wöchentlich seinem Wirth zu entrichten hat, als Buße. Diese Vorschriften schei¬ nen bald verletzt worden zu sein, und vielleicht kam auch Schlimmeres als das von ihnen Bedrohte vor. was daraus zu schließen, daß in das Jahr 1413 die ersten Relegationen fallen, welche beiläufig Johannes Trautmann aus Stogh, Johannes Egidy aus Mainz und Balthasar von Jüterbock betrafen. Ein Gesetz, welches die Nationen 1422 beschließen, wendet sich vorzüglich gegen Unfug und Gewaltthat, die sonach in der Zwischenzeit häufig zu beklagen gewesen sein müssen. Wer jemand „irr loco suLveoto" (berüchtigtes Haus, verrufene Schenke, Bordell) schlägt oder sonst körperlich mißhandelt, ohne daß Blut fließt, erlegt einen Gulden und wandert acht Tage in den Thurm; fließt Blut, so wird der Thäter mit dem Doppelten, erfolgt dabei irgendwelche Ver¬ stümmelung, so wird er mit dem Vierfachen der erwähnten Strafe belegt. Ge¬ schieht das Eine oder das Andere nicht „in loco susvooto", so kommt der Be¬ treffende mit halber Buße davon, dagegen sind derartige Mißhandlungen oder Verletzungen, an Stadtdienern, Nachtwandlern (eiroulatores) oder Pedellen ver¬ übt, jedesmal doppelt zu strafen. Verboten sind ferner: gewaltsames Eindrin¬ gen durch Thüren und Fenster, vorzüglich verrufener Orte, nächtliches Gebrüll, der Gebrauch von Schimpfwörtern wie vöyuam, rioaläus, LMrius und wen- üax (Schelm, Raufbold, Hurensohn, Lügner), das Halten von liederlichen Frauenzimmern, das Tragen von Laienhüten und „andrer unschicklicher Klei¬ dung", und das nächtliche Herumstreichen in Masken. Wer die auf solche Ver¬ gehen gesetzte Strafe nicht zahlt, soll vom Rector öffentlich an der Thür der Kirche oder seines Collegs gemahnt, wer der Mahnung nicht nachkommt, weg¬ geschickt werden. Ein Beschluß der Universität, d. h. der Nationen, von 1440 befiehlt: die Magister sollen sich von den Studenten durch die Kleidung unterscheiden, jene in langen, nicht gegürteten Gewändern, auf dem Kopf eine Mitra und an den Schultern oder am Halse eine Kaputze einhergehen, die Studenten dagegen in anständigen Mänteln oder ohne Mäntel, dann aber an jedem Kleide gegürtet erscheinen. Ein Statut von 14S8 klagt über die lockern Sitten und das gefährliche Herumschweifen der Scholaren und bestimmt, daß fürderhin jeder, der nicht Vorlesungen hört und nicht an den scholastischen Uebungen, d. h. an den Dis¬ putationen theilnimmt und der Ermahnung zur Besserung nicht Folge giebt, nach Hause geschickt werden soll. Niemand von den Angehörigen der Univer¬ sität soll in Schenken und öffentlichen Kellern sitzen, niemand sich dort mit „prostituirten Personen schamlos zusammenthun". Wer sich mit Schnabelschuhen, zu kurzen Wämmsern, Mänteln, die an der Seite offen, oder mit seidnen Aermeln, die bis an die Schulterblätter oder die Ellbogen halb offen sind, oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/238>, abgerufen am 01.09.2024.