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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Sie künden auch nit hawen
Des Morgens in dem Tawe
Die schönen Wisen dran,
Sunder die schönen Frawen
Die künden sie wol schawcn
Die Nacht biß an den Tag;
Das macht ir freis Gemüte
Der schönen Frawen klar,
Got selber sie behüte
Durch seine milde Güte
Die minnekliche Schar!

^ Wie selten si auch maßen
Das Koren das sie eßen
Und was der Metzen gilt!
Die Pauren müßens schneiden
Und dazu Gcrwcl reiben
Vit gar an iren Dank.
Du freies Bursenlcben!
Ich lob dich für den Gral,
Got hat dir Macht gegeben
Trauren zu widerstreben,
Frisch Wesen überall.

Mehr von dem Treiben der deutschen Studenten in der hier zu betrachten¬
den Zeit finden wir in den Statuten und Protokollen der Universitäten. Manche
Scholaren derselben verschmähten früh schon und dann immer wiederholt die
ehrbare geistliche Tracht, welche die hohe Schule ihnen vorschrieb, trugen Klei¬
der wie die Landsknechte, führten Waffen und gebrauchten dieselben gegen ein¬
ander, gegen Bürger und Bauern, bisweilen selbst gegen ihre Lehrer, lärmten
des Nachts auf den Straßen, mißhandelten die Stadtdiener und Nachtwächter
und verübten allerlei andern Unfug.

Die ältesten wiener Statuten untersagen*), die Vorlesungen durch Murren,
Lachen, Zischen und Geheul zu stören und empfehlen, denselben sowie den
Disputationen mit "jungfräulicher Bescheidenheit" von Anfang bis zum Schluß
beizuwohnen. Ferner wird hier gesagt, die Scholaren sollen sich nicht so fleißig
aus Fechtübungen, Musikmachen und Schenkenbesuch legen als auf ihre Bücher.
Besonders sollen sie sich des Tanzens an öffentlichen Orten und des Würfel¬
spiels enthalten, des letzteren bei Strafe der Exclusion für den Wiederholungs¬
fall. Häufig kam es in Wien zu Zusammenstößen zwischen lärmenden Studen¬
ten und der Schaarwache, und geschah es dann, daß die Ruhestörer, in das



") Vgl. Meiners, Geschichte der Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen unseres
Erdtheils. Göttingen, IV. 25.
Sie künden auch nit hawen
Des Morgens in dem Tawe
Die schönen Wisen dran,
Sunder die schönen Frawen
Die künden sie wol schawcn
Die Nacht biß an den Tag;
Das macht ir freis Gemüte
Der schönen Frawen klar,
Got selber sie behüte
Durch seine milde Güte
Die minnekliche Schar!

^ Wie selten si auch maßen
Das Koren das sie eßen
Und was der Metzen gilt!
Die Pauren müßens schneiden
Und dazu Gcrwcl reiben
Vit gar an iren Dank.
Du freies Bursenlcben!
Ich lob dich für den Gral,
Got hat dir Macht gegeben
Trauren zu widerstreben,
Frisch Wesen überall.

Mehr von dem Treiben der deutschen Studenten in der hier zu betrachten¬
den Zeit finden wir in den Statuten und Protokollen der Universitäten. Manche
Scholaren derselben verschmähten früh schon und dann immer wiederholt die
ehrbare geistliche Tracht, welche die hohe Schule ihnen vorschrieb, trugen Klei¬
der wie die Landsknechte, führten Waffen und gebrauchten dieselben gegen ein¬
ander, gegen Bürger und Bauern, bisweilen selbst gegen ihre Lehrer, lärmten
des Nachts auf den Straßen, mißhandelten die Stadtdiener und Nachtwächter
und verübten allerlei andern Unfug.

Die ältesten wiener Statuten untersagen*), die Vorlesungen durch Murren,
Lachen, Zischen und Geheul zu stören und empfehlen, denselben sowie den
Disputationen mit „jungfräulicher Bescheidenheit" von Anfang bis zum Schluß
beizuwohnen. Ferner wird hier gesagt, die Scholaren sollen sich nicht so fleißig
aus Fechtübungen, Musikmachen und Schenkenbesuch legen als auf ihre Bücher.
Besonders sollen sie sich des Tanzens an öffentlichen Orten und des Würfel¬
spiels enthalten, des letzteren bei Strafe der Exclusion für den Wiederholungs¬
fall. Häufig kam es in Wien zu Zusammenstößen zwischen lärmenden Studen¬
ten und der Schaarwache, und geschah es dann, daß die Ruhestörer, in das



") Vgl. Meiners, Geschichte der Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen unseres
Erdtheils. Göttingen, IV. 25.
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[0236] Sie künden auch nit hawen Des Morgens in dem Tawe Die schönen Wisen dran, Sunder die schönen Frawen Die künden sie wol schawcn Die Nacht biß an den Tag; Das macht ir freis Gemüte Der schönen Frawen klar, Got selber sie behüte Durch seine milde Güte Die minnekliche Schar! ^ Wie selten si auch maßen Das Koren das sie eßen Und was der Metzen gilt! Die Pauren müßens schneiden Und dazu Gcrwcl reiben Vit gar an iren Dank. Du freies Bursenlcben! Ich lob dich für den Gral, Got hat dir Macht gegeben Trauren zu widerstreben, Frisch Wesen überall. Mehr von dem Treiben der deutschen Studenten in der hier zu betrachten¬ den Zeit finden wir in den Statuten und Protokollen der Universitäten. Manche Scholaren derselben verschmähten früh schon und dann immer wiederholt die ehrbare geistliche Tracht, welche die hohe Schule ihnen vorschrieb, trugen Klei¬ der wie die Landsknechte, führten Waffen und gebrauchten dieselben gegen ein¬ ander, gegen Bürger und Bauern, bisweilen selbst gegen ihre Lehrer, lärmten des Nachts auf den Straßen, mißhandelten die Stadtdiener und Nachtwächter und verübten allerlei andern Unfug. Die ältesten wiener Statuten untersagen*), die Vorlesungen durch Murren, Lachen, Zischen und Geheul zu stören und empfehlen, denselben sowie den Disputationen mit „jungfräulicher Bescheidenheit" von Anfang bis zum Schluß beizuwohnen. Ferner wird hier gesagt, die Scholaren sollen sich nicht so fleißig aus Fechtübungen, Musikmachen und Schenkenbesuch legen als auf ihre Bücher. Besonders sollen sie sich des Tanzens an öffentlichen Orten und des Würfel¬ spiels enthalten, des letzteren bei Strafe der Exclusion für den Wiederholungs¬ fall. Häufig kam es in Wien zu Zusammenstößen zwischen lärmenden Studen¬ ten und der Schaarwache, und geschah es dann, daß die Ruhestörer, in das ") Vgl. Meiners, Geschichte der Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen unseres Erdtheils. Göttingen, IV. 25.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/236>, abgerufen am 28.07.2024.