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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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infolge deren für letztere die Prügelstrafe abgeschafft wurde. Die Offiziercarriere
wurde allen Ständen bei Wohlverhalten und den geforderten Kenntnissen er¬
öffnet. Das Verhältniß zwischen Offizier und Bürger wurde zu regeln gesucht.
Gneisenau entwarf zu diesem Zweck einen Armeebefehl, in welchem der König
empfiehlt, "daß besonders die jüngern Offiziere sich keine Verletzung der Be¬
scheidenheit und Achtung gegen Personen vom Civilstande zu Schulden kommen
lassen. Die Vorgesetzten sollen überzeugen, daß nur ein höfliches Betragen gegen
andre Stände den Mann von Erziehung bezeichne" u. f. w.

Der Kampf, welcher von Gneisenau und seinen Gesinnungsgenossen gegen
die Institutionen der Vergangenheit geführt wurde, war kein leichter, da die
Persönliche, militärische Umgebung des Königs, welche dem Alten alle möglichen
Vortheile verdankte, sich mit Macht entgegenstellte, aber die Resultate des
Krieges waren zu abschreckend, als daß die Neuerungen nicht hätten siegen sollen.

Anders stand es mit der Reorganisation des Staates; hier mußte zerstört
werden, um neu zu bauen, und deshalb war hier jener Kampf ein viel härterer,
"regte alle Leidenschaften. Und während der König jenen Armeereorganisationen,
trotz mancher Wandlungen niemals positiv entgegentrat, verloren Stein und
seine Anhänger nach und nach sein Vertrauen. Um Stein ganz zu entfernen,
verriethen seine Gegner dessen kampflustige Gesinnung u. s. w. den Franzosen,
welche dann seine Entlassung beantragten und sie erreichten. Die Erklärung
in die Acht erfolgte erst später. Mit der Entfernung Steins wurde aber auch
die Stellung Scharnhorsts und Gneisenaus erschüttert, da sie in ihren über
die Armeereorganisation hinausgehenden Interessen, nämlich in der Befreiung
des Vaterlandes von dem Druck der französischen Herrschaft eng mit Stein
und seinen Helfern verbunden waren. Scharnhorst und Gneisenau hatten in
der Reorganisation nur das eine Ziel vor Augen gehabt, die Armee wieder
fähig zu machen, möglichst bald einen erfolgreichen Kampf gegen Napoleon
führen zu können. Das stehende Heer war zwar durch Napoleon auf 42,000
Mann beschränkt, aber das Urlaubsystem stellte eine Verstärkung, dazu rechnete
wan auf die große Zahl der Entlassener der alten Armee in den eigenen und
den abgetretenen Provinzen, und außerdem hoffte man durch die Verbindungen
in allen Orten auf eine Erhebung des Volkes. Scharnhorst als Kriegsminister
hatte alle Mittel darauf verwandt. Waffen und Munition in hinreichenden Vor¬
räthen zu sammeln und Gneisenau als Inspecteur der Festungen war bestrebt,
die Vertheidigungsfähigkeit derselben zu erhöhen und sie mit verschanzten Lagern
ZU versehen. Beide Männer hatten den Plan entworfen, an den Festungen den
Aufstand und die Truppen zu sammeln und dadurch das Uebergewicht in der
Zahl der Gegner auszugleichen, und nun durch einen energischen, lang anhal¬
tenden Widerstand die Verbündeten unter den Mächten sowohl, als im deutschen
Volk herbeizurufen. Die im Laufe des Jahres erfolgende Erhebung der


infolge deren für letztere die Prügelstrafe abgeschafft wurde. Die Offiziercarriere
wurde allen Ständen bei Wohlverhalten und den geforderten Kenntnissen er¬
öffnet. Das Verhältniß zwischen Offizier und Bürger wurde zu regeln gesucht.
Gneisenau entwarf zu diesem Zweck einen Armeebefehl, in welchem der König
empfiehlt, „daß besonders die jüngern Offiziere sich keine Verletzung der Be¬
scheidenheit und Achtung gegen Personen vom Civilstande zu Schulden kommen
lassen. Die Vorgesetzten sollen überzeugen, daß nur ein höfliches Betragen gegen
andre Stände den Mann von Erziehung bezeichne" u. f. w.

Der Kampf, welcher von Gneisenau und seinen Gesinnungsgenossen gegen
die Institutionen der Vergangenheit geführt wurde, war kein leichter, da die
Persönliche, militärische Umgebung des Königs, welche dem Alten alle möglichen
Vortheile verdankte, sich mit Macht entgegenstellte, aber die Resultate des
Krieges waren zu abschreckend, als daß die Neuerungen nicht hätten siegen sollen.

Anders stand es mit der Reorganisation des Staates; hier mußte zerstört
werden, um neu zu bauen, und deshalb war hier jener Kampf ein viel härterer,
«regte alle Leidenschaften. Und während der König jenen Armeereorganisationen,
trotz mancher Wandlungen niemals positiv entgegentrat, verloren Stein und
seine Anhänger nach und nach sein Vertrauen. Um Stein ganz zu entfernen,
verriethen seine Gegner dessen kampflustige Gesinnung u. s. w. den Franzosen,
welche dann seine Entlassung beantragten und sie erreichten. Die Erklärung
in die Acht erfolgte erst später. Mit der Entfernung Steins wurde aber auch
die Stellung Scharnhorsts und Gneisenaus erschüttert, da sie in ihren über
die Armeereorganisation hinausgehenden Interessen, nämlich in der Befreiung
des Vaterlandes von dem Druck der französischen Herrschaft eng mit Stein
und seinen Helfern verbunden waren. Scharnhorst und Gneisenau hatten in
der Reorganisation nur das eine Ziel vor Augen gehabt, die Armee wieder
fähig zu machen, möglichst bald einen erfolgreichen Kampf gegen Napoleon
führen zu können. Das stehende Heer war zwar durch Napoleon auf 42,000
Mann beschränkt, aber das Urlaubsystem stellte eine Verstärkung, dazu rechnete
wan auf die große Zahl der Entlassener der alten Armee in den eigenen und
den abgetretenen Provinzen, und außerdem hoffte man durch die Verbindungen
in allen Orten auf eine Erhebung des Volkes. Scharnhorst als Kriegsminister
hatte alle Mittel darauf verwandt. Waffen und Munition in hinreichenden Vor¬
räthen zu sammeln und Gneisenau als Inspecteur der Festungen war bestrebt,
die Vertheidigungsfähigkeit derselben zu erhöhen und sie mit verschanzten Lagern
ZU versehen. Beide Männer hatten den Plan entworfen, an den Festungen den
Aufstand und die Truppen zu sammeln und dadurch das Uebergewicht in der
Zahl der Gegner auszugleichen, und nun durch einen energischen, lang anhal¬
tenden Widerstand die Verbündeten unter den Mächten sowohl, als im deutschen
Volk herbeizurufen. Die im Laufe des Jahres erfolgende Erhebung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/209>, abgerufen am 01.09.2024.