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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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England fanden seine außerordentliche Anwendbarkeit für die Zweckender Photo¬
graphie. Statt des Eiweißes bedeckte man nun die Glasscheibe mit diesem mit
Jodsilber getränkten Häutchen; und die darauf erzeugten Negativbilder ließen
an Delikatesse und Schärfe die auf jeder anders bereiteten Platte hergestellten
weit hinter sich zurück, während die Technik der Gewinnung jeden Vorzug der
Leichtigkeit und Sicherheit vor der mittelst der Papier- und Eiweißnegative hatte.
Und zu noch größerer Vervollkommnung des Positivs lernte man das Eiweiß
nun, statt als Häutchen der Mutterplatte, als bestes Mittel zur Herstellung des
glättesten und feinsten Papiers für jene verwenden.

Mit dem Jnslebentreten dieser zusammenhängenden, durchgreifenden Ver¬
besserungen und gründlichen Umgestaltungen der alten Lichtbildnerei verschwindet
eigentlich das Daguerreoiyp, die Photographie auf Papier wird Allgemeingut,
das Collodionverfahren wird das ausschließlich angewandte und die stets
wachsende Überschwemmung der Welt mit Photographen und photographischen
Bildern jedes Dinges auf, an und zwischen Erde und Himmel nimmt ihren Anfang.
Fertig und abgeschlossen war damit ihr Entwickelungsproceß freilich nicht. Mit
Schrecken sah der Besitzer der schönsten photographischen Collectionen, sah der
Händler, der sie an seinen Schaufenstern ausstellte, daß diese Schätze ihm
gleichsam unter den Händen zu verschwinden und zu verduften begannen. Zu
"eines Schattens Traum" wandelten sich die klaren scharfen Bilder der großen
Denkmale der Vorzeit, die Landschaften und Architekturen, die treuen Copien
berühmter Bilder, ein gelber Hauch nur zeugte von verschwundner Pracht. Ein
schlimmer Uebelstand, welcher für den Verkäufer zwar manches Angenehme haben
könnte, wenn er nicht nur zugleich dem Käufer die Lust an der Erwerbung
solcher verschwindenden Güter verleitete. Und noch ein andrer Uebelstand stellte
sich immer empfindlicher heraus. Der kolossale Verbrauch von Silber durch
alle Photographen der Erde mußte sich allmälig in einer Abnahme des über¬
haupt vorhandnen Bestandes dieses schätzbaren Materials merkbar machen. Eine
Schätzung ist hier wohl noch nicht annähernd gelungen. Die Zahl der Millionen
Thaler baaren Silberwerths -- welcher ganz real, als Lösung dieses Metalles
selbst in den jährlich producirten Photographien steckt -- wie man sie wohl
zuweilen normiren hört, klingt phantastisch übertrieben und extravagant; und
doch zweifle ich entschieden, daß sie die wirkliche Ziffer der in Wahrheit ver¬
brauchten Thaler erreicht, wenn ich jener Klumpen gediegenen Silbers gedenke,
die ich den Chef eines einzigen großen photographischen Instituts in Berlin
in jedem Quartal nur aus der Asche chemisch gewinnen sah, welche der während
solcher Zeit aufgesparte Abfall, die Summe der Papierabschnitzel und verdorbner
Bilder, während derselben, bei der Verbrennung ergab. Doch wenn auch nicht
die Sorge um den Silbermangel in der Welt, an welchem die Photographie
einen Theil der Schuld tragen sollte, so veranlaßte doch der Wunsch, ein weniger


England fanden seine außerordentliche Anwendbarkeit für die Zweckender Photo¬
graphie. Statt des Eiweißes bedeckte man nun die Glasscheibe mit diesem mit
Jodsilber getränkten Häutchen; und die darauf erzeugten Negativbilder ließen
an Delikatesse und Schärfe die auf jeder anders bereiteten Platte hergestellten
weit hinter sich zurück, während die Technik der Gewinnung jeden Vorzug der
Leichtigkeit und Sicherheit vor der mittelst der Papier- und Eiweißnegative hatte.
Und zu noch größerer Vervollkommnung des Positivs lernte man das Eiweiß
nun, statt als Häutchen der Mutterplatte, als bestes Mittel zur Herstellung des
glättesten und feinsten Papiers für jene verwenden.

Mit dem Jnslebentreten dieser zusammenhängenden, durchgreifenden Ver¬
besserungen und gründlichen Umgestaltungen der alten Lichtbildnerei verschwindet
eigentlich das Daguerreoiyp, die Photographie auf Papier wird Allgemeingut,
das Collodionverfahren wird das ausschließlich angewandte und die stets
wachsende Überschwemmung der Welt mit Photographen und photographischen
Bildern jedes Dinges auf, an und zwischen Erde und Himmel nimmt ihren Anfang.
Fertig und abgeschlossen war damit ihr Entwickelungsproceß freilich nicht. Mit
Schrecken sah der Besitzer der schönsten photographischen Collectionen, sah der
Händler, der sie an seinen Schaufenstern ausstellte, daß diese Schätze ihm
gleichsam unter den Händen zu verschwinden und zu verduften begannen. Zu
„eines Schattens Traum" wandelten sich die klaren scharfen Bilder der großen
Denkmale der Vorzeit, die Landschaften und Architekturen, die treuen Copien
berühmter Bilder, ein gelber Hauch nur zeugte von verschwundner Pracht. Ein
schlimmer Uebelstand, welcher für den Verkäufer zwar manches Angenehme haben
könnte, wenn er nicht nur zugleich dem Käufer die Lust an der Erwerbung
solcher verschwindenden Güter verleitete. Und noch ein andrer Uebelstand stellte
sich immer empfindlicher heraus. Der kolossale Verbrauch von Silber durch
alle Photographen der Erde mußte sich allmälig in einer Abnahme des über¬
haupt vorhandnen Bestandes dieses schätzbaren Materials merkbar machen. Eine
Schätzung ist hier wohl noch nicht annähernd gelungen. Die Zahl der Millionen
Thaler baaren Silberwerths — welcher ganz real, als Lösung dieses Metalles
selbst in den jährlich producirten Photographien steckt — wie man sie wohl
zuweilen normiren hört, klingt phantastisch übertrieben und extravagant; und
doch zweifle ich entschieden, daß sie die wirkliche Ziffer der in Wahrheit ver¬
brauchten Thaler erreicht, wenn ich jener Klumpen gediegenen Silbers gedenke,
die ich den Chef eines einzigen großen photographischen Instituts in Berlin
in jedem Quartal nur aus der Asche chemisch gewinnen sah, welche der während
solcher Zeit aufgesparte Abfall, die Summe der Papierabschnitzel und verdorbner
Bilder, während derselben, bei der Verbrennung ergab. Doch wenn auch nicht
die Sorge um den Silbermangel in der Welt, an welchem die Photographie
einen Theil der Schuld tragen sollte, so veranlaßte doch der Wunsch, ein weniger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/182>, abgerufen am 28.07.2024.