Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.Glänze auf. Früher, so lange die persönlichen Eindrücke, die er von dem So lange Wangenheim lebte, also bis 1850, ward durch diesen eine per¬ Glänze auf. Früher, so lange die persönlichen Eindrücke, die er von dem So lange Wangenheim lebte, also bis 1850, ward durch diesen eine per¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285041"/> <p xml:id="ID_9" prev="#ID_8"> Glänze auf. Früher, so lange die persönlichen Eindrücke, die er von dem<lb/> Lebenden erhalten hatte, noch mehr vorhielten, also in den Jahren, die nicht<lb/> durch eine allzuweite Entfernung von der Stuttgarter Zeit getrennt waren, wo<lb/> die beiden als gute Gesellen mit einander gelebt und auch mit einander in<lb/> Scherz und Ernst gekämpft hatten, mochten Wohl Uhlands Eigenthümlichkeiten,<lb/> wie sie mehr in der Landesart als in seiner Individualität begründet lagen,<lb/> sein Bild dem Freunde gelegentlich nur von einer und nicht immer von der<lb/> menschlich-liebenswürdigsten oder anmuthigsten Seite erscheinen lassen. Selbst¬<lb/> verständlich verkannte er nie Uhlands Werth als Mensch und Charakter, auch<lb/> wenn er scherzend seiner schwäbischen Ecken und Härtel gedachte. Die spätere<lb/> Zeit ließ diese Eindrücke zurücktreten und basirte das Verhältniß zwischen den<lb/> beiden auf ein idealeres Fundament. Noch in den letzten Tagen seines Lebens<lb/> hat Rückert mit wärmster Theilnahme die begonnene Sammlung der wissen¬<lb/> schaftlichen Schriften Uhlands zur Hand genommen. Er war ebenso von dem<lb/> unschätzbaren Kerne wie von der Form des Gebotenen entzückt, aber auch voll<lb/> des Lobes über die würdige Art der Publikation und den Fleiß und die Pietät<lb/> der Herausgeber. — Außer der Lyrik Uhlands war es früher besonders die<lb/> Schrift über Walther Von der Vogelweide, die Rückert stets als classisch zu be¬<lb/> trachten und zu empfehlen Pflegte, da ihr wenigstens früher immerhin eine<lb/> Empfehlung Noth that. Sie gehörte doch zeitweise zu den vielen beinahe ver-<lb/> schollnen Büchern, unter denen bekanntlich nicht wenige der allerbesten sind.<lb/> Es ist nur ein Glück und ein Trost, daß ein solches Vergessensein nicht für<lb/> immer gelten kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_10" next="#ID_11"> So lange Wangenheim lebte, also bis 1850, ward durch diesen eine per¬<lb/> sönliche Verbindung zwischen den beiden Dichtern auf die natürlichste und ein¬<lb/> fachste Art vermittelt, wie sie beiden am bequemsten war, da keiner von ihnen<lb/> ein Freund vom Briefschreiben gewesen ist. Wangenheim, einst das Hauptziel von<lb/> Uhlands localpatriotischem Zorne, sollte bekanntlich bald genug seinem Adoptiv-<lb/> vaterlande und dessen liberalen Führern ebenso theuer werden, wie er früher<lb/> von ihnen gehaßt worden war. Nach seinem Sturze begann ja die volle Re¬<lb/> action auch dort ganz ungeschminkt und ungescheut aufzutreten, während bis<lb/> dahin doch noch immer einige Scham vor dem einstigen Herzensfreunde des<lb/> mistigen liberalen Kronprinzen in den allerhöchsten Regionen jeden gar zu auf¬<lb/> fälligen Schritt von der früher unter Wangenheims Aegide mit so vieler Osten-<lb/> tation betretenen Bahn des zeitgemäßen Liberalismus hatte vermeiden lassen.<lb/> Wangenhcims persönliche Liebenswürdigkeit, wie sie so leicht nicht wieder ge¬<lb/> funden werden wird, hatte ja selbst damals, als ihm UHIand sein „Du hast für<lb/> unser Volk kein Herz" cntgegenschleuderte, auf die Gegner bezaubernd gewirkt.<lb/> Wangenheim vergalt aber auch die spät und theuer erkaufte Liebe seiner schwä¬<lb/> bischen Freunde mit einer rührenden Anhänglichkeit an Land und Leute, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Glänze auf. Früher, so lange die persönlichen Eindrücke, die er von dem
Lebenden erhalten hatte, noch mehr vorhielten, also in den Jahren, die nicht
durch eine allzuweite Entfernung von der Stuttgarter Zeit getrennt waren, wo
die beiden als gute Gesellen mit einander gelebt und auch mit einander in
Scherz und Ernst gekämpft hatten, mochten Wohl Uhlands Eigenthümlichkeiten,
wie sie mehr in der Landesart als in seiner Individualität begründet lagen,
sein Bild dem Freunde gelegentlich nur von einer und nicht immer von der
menschlich-liebenswürdigsten oder anmuthigsten Seite erscheinen lassen. Selbst¬
verständlich verkannte er nie Uhlands Werth als Mensch und Charakter, auch
wenn er scherzend seiner schwäbischen Ecken und Härtel gedachte. Die spätere
Zeit ließ diese Eindrücke zurücktreten und basirte das Verhältniß zwischen den
beiden auf ein idealeres Fundament. Noch in den letzten Tagen seines Lebens
hat Rückert mit wärmster Theilnahme die begonnene Sammlung der wissen¬
schaftlichen Schriften Uhlands zur Hand genommen. Er war ebenso von dem
unschätzbaren Kerne wie von der Form des Gebotenen entzückt, aber auch voll
des Lobes über die würdige Art der Publikation und den Fleiß und die Pietät
der Herausgeber. — Außer der Lyrik Uhlands war es früher besonders die
Schrift über Walther Von der Vogelweide, die Rückert stets als classisch zu be¬
trachten und zu empfehlen Pflegte, da ihr wenigstens früher immerhin eine
Empfehlung Noth that. Sie gehörte doch zeitweise zu den vielen beinahe ver-
schollnen Büchern, unter denen bekanntlich nicht wenige der allerbesten sind.
Es ist nur ein Glück und ein Trost, daß ein solches Vergessensein nicht für
immer gelten kann.
So lange Wangenheim lebte, also bis 1850, ward durch diesen eine per¬
sönliche Verbindung zwischen den beiden Dichtern auf die natürlichste und ein¬
fachste Art vermittelt, wie sie beiden am bequemsten war, da keiner von ihnen
ein Freund vom Briefschreiben gewesen ist. Wangenheim, einst das Hauptziel von
Uhlands localpatriotischem Zorne, sollte bekanntlich bald genug seinem Adoptiv-
vaterlande und dessen liberalen Führern ebenso theuer werden, wie er früher
von ihnen gehaßt worden war. Nach seinem Sturze begann ja die volle Re¬
action auch dort ganz ungeschminkt und ungescheut aufzutreten, während bis
dahin doch noch immer einige Scham vor dem einstigen Herzensfreunde des
mistigen liberalen Kronprinzen in den allerhöchsten Regionen jeden gar zu auf¬
fälligen Schritt von der früher unter Wangenheims Aegide mit so vieler Osten-
tation betretenen Bahn des zeitgemäßen Liberalismus hatte vermeiden lassen.
Wangenhcims persönliche Liebenswürdigkeit, wie sie so leicht nicht wieder ge¬
funden werden wird, hatte ja selbst damals, als ihm UHIand sein „Du hast für
unser Volk kein Herz" cntgegenschleuderte, auf die Gegner bezaubernd gewirkt.
Wangenheim vergalt aber auch die spät und theuer erkaufte Liebe seiner schwä¬
bischen Freunde mit einer rührenden Anhänglichkeit an Land und Leute, die
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