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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Deutschlands als ein neuer Virgil und Ovid geehrt wurde. Auch Crotus
Rubeanus war eine Zeit lang hier, einer der witzigsten und eifrigsten Geister
der neuen Schule, der aber später die Probe der Gesinnung leider am übelsten
bestand.

Einen guten Anlauf nahm die in diesen Jahren gegründete Universität
zu Frankfurt a. d. O., indeß stockte die Entwickelung hier bald wieder. Der
an sie berufene Nhagius Aesticampianus. ein achtbarer Gelehrter, den Mullan
den Wiedererwecker der erstorbenen Latinität nennt, zog sich wieder zurück, und
unwissende Magister nahmen die Mehrzahl der Katheder ein. Doch wirkten
neben ihnen später noch die Humanisten Vigilantius und Trebelius.

An der ebenfalls neuen Hochschule Wittcnverg waren Balthasar Fach und
Spalatin Apostel der Konac literae.

In Wien hatte sich um Celtes. der 1608 starb, ein Kreis von Freunden
der neuen Studien gebildet, der 1511 noch zusammenhielt. Die Universität
war aber in den Händen der Conservativen, und als Hütten in diesem Jahre
hier eintraf, um Vorlesungen zu halten, untersagte der Rector Heckmann seinen
Studenten, dieselben zu besuchen -- von Rechtswegen , denn der unbequeme
Poet war nicht Magister, ja vielleicht nicht einmal durch das Baccalauteats-
examen gegangen.

IN Rostock und Greifswald herrschte in dieser Zeit noch volle Finsterniß.
In Ingolstadt und Freiburg bellte sich der Himmel bisweilen für Momente aus,
und dasselbe ist von Köln und Leipzig zu berichten. Hochschulen, die im Allge¬
meinen der neuen Sonne am längsten abgekehrt blieben.

In Köln wütheten Arnold v. Tungern und der Ketzermeister Jakob Hoch-
straten in grimmigsten Haß und mit den perfidesten Ränken gegen Reuchlin
und seine Freunde, aber neben ihnen fanden auch Rhagius, Hermann Busch
und der Engländer Richard Crocus Zuhörer für humanistische Vorträge.

In Leipzig lehrten zu Ende dieses Jahrzehnts Rhagius und Hieronymus
Emser die neuen Wissenschaften, und auch Hütten scheint hier vor seiner Fahrt
nach Wien den Versuch gemacht zu haben, Vorlesungen zu halten, wenn auch
gewiß nicht unter Aegide der Universität. Aber ernstlich vorwärts kam der
Humanismus jetzt hier noch nicht, und 1311 wurde Rhagius von seiner Stelle ver¬
trieben, weil er. wie die Briefe der Dunkelmänner die hochmüthigen Magister sagen
lassen "in umversitate eg.iriqMin cMvtg, roth, in curru" war, "puis. imxedit,
lus.8 taeuItg-teL, <Moa guxxositi (die Studenten) non xossuvt in eis dene yua-
liüoaii." Erst geraume Zeit später, wie wir sehen werden, um 1519 wurde
die Bedeutung, welche der Humanismus gewonnen, hier einigermaßen anerkannt,
und erst kurz vor der Mitte des Jahrhunderts erfolgte eine vollständige Umge¬
staltung des Lehrplans im Sinne der neuen Bildung.

Inzwischen schleppte man sich hier mit Würde und Wohlgefallen in den


Grenzboten I. l.86b. 62

Deutschlands als ein neuer Virgil und Ovid geehrt wurde. Auch Crotus
Rubeanus war eine Zeit lang hier, einer der witzigsten und eifrigsten Geister
der neuen Schule, der aber später die Probe der Gesinnung leider am übelsten
bestand.

Einen guten Anlauf nahm die in diesen Jahren gegründete Universität
zu Frankfurt a. d. O., indeß stockte die Entwickelung hier bald wieder. Der
an sie berufene Nhagius Aesticampianus. ein achtbarer Gelehrter, den Mullan
den Wiedererwecker der erstorbenen Latinität nennt, zog sich wieder zurück, und
unwissende Magister nahmen die Mehrzahl der Katheder ein. Doch wirkten
neben ihnen später noch die Humanisten Vigilantius und Trebelius.

An der ebenfalls neuen Hochschule Wittcnverg waren Balthasar Fach und
Spalatin Apostel der Konac literae.

In Wien hatte sich um Celtes. der 1608 starb, ein Kreis von Freunden
der neuen Studien gebildet, der 1511 noch zusammenhielt. Die Universität
war aber in den Händen der Conservativen, und als Hütten in diesem Jahre
hier eintraf, um Vorlesungen zu halten, untersagte der Rector Heckmann seinen
Studenten, dieselben zu besuchen — von Rechtswegen , denn der unbequeme
Poet war nicht Magister, ja vielleicht nicht einmal durch das Baccalauteats-
examen gegangen.

IN Rostock und Greifswald herrschte in dieser Zeit noch volle Finsterniß.
In Ingolstadt und Freiburg bellte sich der Himmel bisweilen für Momente aus,
und dasselbe ist von Köln und Leipzig zu berichten. Hochschulen, die im Allge¬
meinen der neuen Sonne am längsten abgekehrt blieben.

In Köln wütheten Arnold v. Tungern und der Ketzermeister Jakob Hoch-
straten in grimmigsten Haß und mit den perfidesten Ränken gegen Reuchlin
und seine Freunde, aber neben ihnen fanden auch Rhagius, Hermann Busch
und der Engländer Richard Crocus Zuhörer für humanistische Vorträge.

In Leipzig lehrten zu Ende dieses Jahrzehnts Rhagius und Hieronymus
Emser die neuen Wissenschaften, und auch Hütten scheint hier vor seiner Fahrt
nach Wien den Versuch gemacht zu haben, Vorlesungen zu halten, wenn auch
gewiß nicht unter Aegide der Universität. Aber ernstlich vorwärts kam der
Humanismus jetzt hier noch nicht, und 1311 wurde Rhagius von seiner Stelle ver¬
trieben, weil er. wie die Briefe der Dunkelmänner die hochmüthigen Magister sagen
lassen „in umversitate eg.iriqMin cMvtg, roth, in curru" war, „puis. imxedit,
lus.8 taeuItg-teL, <Moa guxxositi (die Studenten) non xossuvt in eis dene yua-
liüoaii." Erst geraume Zeit später, wie wir sehen werden, um 1519 wurde
die Bedeutung, welche der Humanismus gewonnen, hier einigermaßen anerkannt,
und erst kurz vor der Mitte des Jahrhunderts erfolgte eine vollständige Umge¬
staltung des Lehrplans im Sinne der neuen Bildung.

Inzwischen schleppte man sich hier mit Würde und Wohlgefallen in den


Grenzboten I. l.86b. 62
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[0519] Deutschlands als ein neuer Virgil und Ovid geehrt wurde. Auch Crotus Rubeanus war eine Zeit lang hier, einer der witzigsten und eifrigsten Geister der neuen Schule, der aber später die Probe der Gesinnung leider am übelsten bestand. Einen guten Anlauf nahm die in diesen Jahren gegründete Universität zu Frankfurt a. d. O., indeß stockte die Entwickelung hier bald wieder. Der an sie berufene Nhagius Aesticampianus. ein achtbarer Gelehrter, den Mullan den Wiedererwecker der erstorbenen Latinität nennt, zog sich wieder zurück, und unwissende Magister nahmen die Mehrzahl der Katheder ein. Doch wirkten neben ihnen später noch die Humanisten Vigilantius und Trebelius. An der ebenfalls neuen Hochschule Wittcnverg waren Balthasar Fach und Spalatin Apostel der Konac literae. In Wien hatte sich um Celtes. der 1608 starb, ein Kreis von Freunden der neuen Studien gebildet, der 1511 noch zusammenhielt. Die Universität war aber in den Händen der Conservativen, und als Hütten in diesem Jahre hier eintraf, um Vorlesungen zu halten, untersagte der Rector Heckmann seinen Studenten, dieselben zu besuchen — von Rechtswegen , denn der unbequeme Poet war nicht Magister, ja vielleicht nicht einmal durch das Baccalauteats- examen gegangen. IN Rostock und Greifswald herrschte in dieser Zeit noch volle Finsterniß. In Ingolstadt und Freiburg bellte sich der Himmel bisweilen für Momente aus, und dasselbe ist von Köln und Leipzig zu berichten. Hochschulen, die im Allge¬ meinen der neuen Sonne am längsten abgekehrt blieben. In Köln wütheten Arnold v. Tungern und der Ketzermeister Jakob Hoch- straten in grimmigsten Haß und mit den perfidesten Ränken gegen Reuchlin und seine Freunde, aber neben ihnen fanden auch Rhagius, Hermann Busch und der Engländer Richard Crocus Zuhörer für humanistische Vorträge. In Leipzig lehrten zu Ende dieses Jahrzehnts Rhagius und Hieronymus Emser die neuen Wissenschaften, und auch Hütten scheint hier vor seiner Fahrt nach Wien den Versuch gemacht zu haben, Vorlesungen zu halten, wenn auch gewiß nicht unter Aegide der Universität. Aber ernstlich vorwärts kam der Humanismus jetzt hier noch nicht, und 1311 wurde Rhagius von seiner Stelle ver¬ trieben, weil er. wie die Briefe der Dunkelmänner die hochmüthigen Magister sagen lassen „in umversitate eg.iriqMin cMvtg, roth, in curru" war, „puis. imxedit, lus.8 taeuItg-teL, <Moa guxxositi (die Studenten) non xossuvt in eis dene yua- liüoaii." Erst geraume Zeit später, wie wir sehen werden, um 1519 wurde die Bedeutung, welche der Humanismus gewonnen, hier einigermaßen anerkannt, und erst kurz vor der Mitte des Jahrhunderts erfolgte eine vollständige Umge¬ staltung des Lehrplans im Sinne der neuen Bildung. Inzwischen schleppte man sich hier mit Würde und Wohlgefallen in den Grenzboten I. l.86b. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/519>, abgerufen am 01.07.2024.