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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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M Richtschnur genommen; doch werden die einem Jahre ""gehörigen meist
nicht getrennt. Was die Art der Edition angeht, so muß für den, der sie nicht
nach den Originalen controliren kann, der Name des Herausgebers Bürgschaft
genug dafür sein, daß sie sorgfältig und treu ist; und wenn Köchel sagt, daß
er sich in Orthographie und Jnterpungirung die "bescheidenste Freiheit" er¬
laubt habe, so hat dies natürlich bei weitem mehr Gewicht, wie wenn Herr
Rost dergleichen sagt.

Der Eindruck der Briefe selbst ist ein von den sonst bekannten im Ganzen
ziemlich abweichender: die Person des Adressaten hat offenbar bewirkt, daß
Beethoven sorgfältiger und gemäßigter schrieb. Aber grade in dieser Form
nehmen sich die Ergüsse wahren Gefühles, die Aeußerungen warmer Anhäng¬
lichkeit an den Erzherzog, den er sogar in der Musik den Besten gleichstellen
möchte, sowie die hohe Begeisterung für seine Kunst, die oft hervorbricht, um
so wohltuender aus. Wir sehen aber auch hier wieder, wie wenig es mit
Beethovens Natur und Neigung übereinstimmte, sich in weiteren Erörterungen
über die Kunst zu ergehen; er giebt zuweilen dem Erzherzog einen praktischen
Rath (so z. B. empfiehlt er ihm das Studium Händels), urtheilt über andere
Künstler, spricht aber höchst selten eigene Ansichten aus. Als charakteristisch
und hübsch verdient hier hervorgehoben zu werden, was er (Br. 60) von der
Nothwendigkeit contrapunktischer Studien sagt, welche dem Erzherzog sicher kein
Kopfweh verursachen würden, "ja eher, wenn man sich so selbst mitten in der
Kunst erblickt, ein großes' Vergnügen. -- Nach und nach entsteht die Fähigkeit,
grade nur das^ was wir wünschen, fühlen, darzustellen, ein den edleren Men¬
schen so sehr wesentliches Bedürfniß,^- Solche Worte erscheinen uns namentlich
bedeutungsvoll, wenn wir bedenken, daß sie in der Zeit der großen Messe
und der neunten Symphonie gesprochen sind. -- Von Aeußerungen über eigene
Werke, nach denen man in Beethovens Briefen natürlich am begierigsten sucht,
findet man auch nicht eben viele; Köchel hat sie am Schlüsse seiner Anmer¬
kungen zusammengestellt. Unter den erwähnten Werken erscheint in den Briefen
4- K. aus dem Jahre 1813 ein mit dem Violinspieler Rode zu spielendes
Werk, welches Köchel kaum anders als auf die Sonate 0p. 96 zu deuten
Weiß; und da diese bei Thayer (162) nur Vermuthungsweise 1810 angesetzt
'se. so möchte einen dieser Brief vielleicht auf 1813 als Entstehungszeit
führen. Dann kommt der Schlußchor Germania, der Fidelio. verschiedene So¬
naten, das L-aur-Trio und anderes zur Erwähnung, am häufigsten die große
Messe; nirgendwo aber läßt er sich über die innere Bedeutung der Werke selbst
"us. überall sind es äußere Notizen und Mittheilungen, die man vernimmt.
V°n zwei Compositionen spricht er. von denen wir sonst nichts wissen, einer
"Pferdemufik" (Br. 16 mit Köchels Note) und einem Canon "Großer Dank"
^r. 64. 65.).


M Richtschnur genommen; doch werden die einem Jahre «»gehörigen meist
nicht getrennt. Was die Art der Edition angeht, so muß für den, der sie nicht
nach den Originalen controliren kann, der Name des Herausgebers Bürgschaft
genug dafür sein, daß sie sorgfältig und treu ist; und wenn Köchel sagt, daß
er sich in Orthographie und Jnterpungirung die „bescheidenste Freiheit" er¬
laubt habe, so hat dies natürlich bei weitem mehr Gewicht, wie wenn Herr
Rost dergleichen sagt.

Der Eindruck der Briefe selbst ist ein von den sonst bekannten im Ganzen
ziemlich abweichender: die Person des Adressaten hat offenbar bewirkt, daß
Beethoven sorgfältiger und gemäßigter schrieb. Aber grade in dieser Form
nehmen sich die Ergüsse wahren Gefühles, die Aeußerungen warmer Anhäng¬
lichkeit an den Erzherzog, den er sogar in der Musik den Besten gleichstellen
möchte, sowie die hohe Begeisterung für seine Kunst, die oft hervorbricht, um
so wohltuender aus. Wir sehen aber auch hier wieder, wie wenig es mit
Beethovens Natur und Neigung übereinstimmte, sich in weiteren Erörterungen
über die Kunst zu ergehen; er giebt zuweilen dem Erzherzog einen praktischen
Rath (so z. B. empfiehlt er ihm das Studium Händels), urtheilt über andere
Künstler, spricht aber höchst selten eigene Ansichten aus. Als charakteristisch
und hübsch verdient hier hervorgehoben zu werden, was er (Br. 60) von der
Nothwendigkeit contrapunktischer Studien sagt, welche dem Erzherzog sicher kein
Kopfweh verursachen würden, „ja eher, wenn man sich so selbst mitten in der
Kunst erblickt, ein großes' Vergnügen. — Nach und nach entsteht die Fähigkeit,
grade nur das^ was wir wünschen, fühlen, darzustellen, ein den edleren Men¬
schen so sehr wesentliches Bedürfniß,^- Solche Worte erscheinen uns namentlich
bedeutungsvoll, wenn wir bedenken, daß sie in der Zeit der großen Messe
und der neunten Symphonie gesprochen sind. — Von Aeußerungen über eigene
Werke, nach denen man in Beethovens Briefen natürlich am begierigsten sucht,
findet man auch nicht eben viele; Köchel hat sie am Schlüsse seiner Anmer¬
kungen zusammengestellt. Unter den erwähnten Werken erscheint in den Briefen
4- K. aus dem Jahre 1813 ein mit dem Violinspieler Rode zu spielendes
Werk, welches Köchel kaum anders als auf die Sonate 0p. 96 zu deuten
Weiß; und da diese bei Thayer (162) nur Vermuthungsweise 1810 angesetzt
'se. so möchte einen dieser Brief vielleicht auf 1813 als Entstehungszeit
führen. Dann kommt der Schlußchor Germania, der Fidelio. verschiedene So¬
naten, das L-aur-Trio und anderes zur Erwähnung, am häufigsten die große
Messe; nirgendwo aber läßt er sich über die innere Bedeutung der Werke selbst
"us. überall sind es äußere Notizen und Mittheilungen, die man vernimmt.
V°n zwei Compositionen spricht er. von denen wir sonst nichts wissen, einer
"Pferdemufik" (Br. 16 mit Köchels Note) und einem Canon „Großer Dank"
^r. 64. 65.).


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[0397] M Richtschnur genommen; doch werden die einem Jahre «»gehörigen meist nicht getrennt. Was die Art der Edition angeht, so muß für den, der sie nicht nach den Originalen controliren kann, der Name des Herausgebers Bürgschaft genug dafür sein, daß sie sorgfältig und treu ist; und wenn Köchel sagt, daß er sich in Orthographie und Jnterpungirung die „bescheidenste Freiheit" er¬ laubt habe, so hat dies natürlich bei weitem mehr Gewicht, wie wenn Herr Rost dergleichen sagt. Der Eindruck der Briefe selbst ist ein von den sonst bekannten im Ganzen ziemlich abweichender: die Person des Adressaten hat offenbar bewirkt, daß Beethoven sorgfältiger und gemäßigter schrieb. Aber grade in dieser Form nehmen sich die Ergüsse wahren Gefühles, die Aeußerungen warmer Anhäng¬ lichkeit an den Erzherzog, den er sogar in der Musik den Besten gleichstellen möchte, sowie die hohe Begeisterung für seine Kunst, die oft hervorbricht, um so wohltuender aus. Wir sehen aber auch hier wieder, wie wenig es mit Beethovens Natur und Neigung übereinstimmte, sich in weiteren Erörterungen über die Kunst zu ergehen; er giebt zuweilen dem Erzherzog einen praktischen Rath (so z. B. empfiehlt er ihm das Studium Händels), urtheilt über andere Künstler, spricht aber höchst selten eigene Ansichten aus. Als charakteristisch und hübsch verdient hier hervorgehoben zu werden, was er (Br. 60) von der Nothwendigkeit contrapunktischer Studien sagt, welche dem Erzherzog sicher kein Kopfweh verursachen würden, „ja eher, wenn man sich so selbst mitten in der Kunst erblickt, ein großes' Vergnügen. — Nach und nach entsteht die Fähigkeit, grade nur das^ was wir wünschen, fühlen, darzustellen, ein den edleren Men¬ schen so sehr wesentliches Bedürfniß,^- Solche Worte erscheinen uns namentlich bedeutungsvoll, wenn wir bedenken, daß sie in der Zeit der großen Messe und der neunten Symphonie gesprochen sind. — Von Aeußerungen über eigene Werke, nach denen man in Beethovens Briefen natürlich am begierigsten sucht, findet man auch nicht eben viele; Köchel hat sie am Schlüsse seiner Anmer¬ kungen zusammengestellt. Unter den erwähnten Werken erscheint in den Briefen 4- K. aus dem Jahre 1813 ein mit dem Violinspieler Rode zu spielendes Werk, welches Köchel kaum anders als auf die Sonate 0p. 96 zu deuten Weiß; und da diese bei Thayer (162) nur Vermuthungsweise 1810 angesetzt 'se. so möchte einen dieser Brief vielleicht auf 1813 als Entstehungszeit führen. Dann kommt der Schlußchor Germania, der Fidelio. verschiedene So¬ naten, das L-aur-Trio und anderes zur Erwähnung, am häufigsten die große Messe; nirgendwo aber läßt er sich über die innere Bedeutung der Werke selbst "us. überall sind es äußere Notizen und Mittheilungen, die man vernimmt. V°n zwei Compositionen spricht er. von denen wir sonst nichts wissen, einer "Pferdemufik" (Br. 16 mit Köchels Note) und einem Canon „Großer Dank" ^r. 64. 65.).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/397>, abgerufen am 22.12.2024.