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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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die ziemlich gleichzeitig von Wolff modellirten Evangelistengestalten, für eine
(irre ich nicht) Kirche zu Riga in Marchs Fabrik in gebranntem Thon aus¬
geführt. Solche einfach große typische Charaktere, solche ernste, würdige.
Weihevolle Gestalten in streng stilisirter, feierlich wuchtender Manteldrapirung
kann niemand besser zu bilden berufen sein als er. Die ideale ruhige Hoheit
und Würde wie die ideale ruhige Anmuth sind ihm immer und unbedingt zur
Hand. Er bewies das nicht lange danach wieder in den decorativer Figuren,
welche er zu Ausgang der fünfziger Jahre für die Faczade des königsberger
Universitätsgebäudes modellirte: ein paar weibliche Abstracta, Theologie und
Philosophie, Staatsrecht und Verwaltung. Solchen gänzlich fleisch- und farb¬
losen Schatten verstand er vortrefflich eine bedeutende, aus einen besondern gei¬
stigen Inhalt hinweisende Gestalt zu geben und sie mit meisterlich behandelter
Draperie zu einer immerhin würdigen und über die Langweiligkeit doch hinaus¬
gehobnen Wirkung herauszustaffiren. Ueber der Hauptpforte desselben Gebäu¬
des aber galt es dann noch ein kolossales Reiterreliefbild des Stifters dieser
Universität, des letzten Hochmeisters und ersten Herzogs in Preußen, Albrecht
von Brandenburg, herzustellen. In diesem zeigt sich Wolff in der historischen
und individualisirenden Charakteristik einer bedeutenden Persönlichkeit nicht min¬
der tüchtig und geschickt, wie in der Verkörperung der allgemeinsten Begriffe.
Dieser schwergeharnischte Reiter mit dem bärtigen Haupt auf der steifen Hals¬
krause und sein schweres flamländisches Streitroß sind so geschichtlich echt und
so monumental wuchtvoll in der Erscheinung, daß es wirklich zu bedauern ist,
sie nur als Relief und nur als Decoration einer Gebciudefayade ausgeführt
ZU sehen.

Wenige Jahre zuvor hatte Wolff dieselbe Kunst monumentaler geschicht.
licher Porträtbildnerei an einer in Bezug auf Bestimmung und Form der Aus¬
führung größeren Aufgabe zu erproben: an dem Reiterstandbild des Königs Ernst
August von Hannover. Der künstlerischen Freiheit des Autors wurden hier
'"deß äußerlich weit strengere Schranken gezogen, wie sie bei jeder eben erst
verstorbenen, noch in treuer Erinnerung der Zeitgenossen fortlebenden Persönlich¬
keit und ganz besonders, wie sie bei eines modernen, gründlich militärischen
Fürsten Denkmal ziemlich natürlich sind. Dieser soldatenfreundliche Herrscher
des "Welfenreichs" sollte in seiner Lieblingsuniform der Gardehusaren, den
Kalpak auf dem verwegen geschnittenen Haupt, auf seinem wirklichen Leibpferde
reitend dargestellt werden. Auch hier war Wolff wieder der echte Schüler Rauchs.
Die von diesem gleichsam errungene und mit der unbeugsamen Energie seines
künstlerischen Wollens durchgesetzte Unterwerfung jedes noch so unplastischen
Modernen Militälkostüms unter die Gesetze seiner Kunst, war-seiner Schule be-
^its völlig geläufig geworden. Des Pferdes Gestalt. Organismus und Be¬
legung Verstand Wolff aus dem Grunde. Die Persönlichkeit des Darzustellen-


die ziemlich gleichzeitig von Wolff modellirten Evangelistengestalten, für eine
(irre ich nicht) Kirche zu Riga in Marchs Fabrik in gebranntem Thon aus¬
geführt. Solche einfach große typische Charaktere, solche ernste, würdige.
Weihevolle Gestalten in streng stilisirter, feierlich wuchtender Manteldrapirung
kann niemand besser zu bilden berufen sein als er. Die ideale ruhige Hoheit
und Würde wie die ideale ruhige Anmuth sind ihm immer und unbedingt zur
Hand. Er bewies das nicht lange danach wieder in den decorativer Figuren,
welche er zu Ausgang der fünfziger Jahre für die Faczade des königsberger
Universitätsgebäudes modellirte: ein paar weibliche Abstracta, Theologie und
Philosophie, Staatsrecht und Verwaltung. Solchen gänzlich fleisch- und farb¬
losen Schatten verstand er vortrefflich eine bedeutende, aus einen besondern gei¬
stigen Inhalt hinweisende Gestalt zu geben und sie mit meisterlich behandelter
Draperie zu einer immerhin würdigen und über die Langweiligkeit doch hinaus¬
gehobnen Wirkung herauszustaffiren. Ueber der Hauptpforte desselben Gebäu¬
des aber galt es dann noch ein kolossales Reiterreliefbild des Stifters dieser
Universität, des letzten Hochmeisters und ersten Herzogs in Preußen, Albrecht
von Brandenburg, herzustellen. In diesem zeigt sich Wolff in der historischen
und individualisirenden Charakteristik einer bedeutenden Persönlichkeit nicht min¬
der tüchtig und geschickt, wie in der Verkörperung der allgemeinsten Begriffe.
Dieser schwergeharnischte Reiter mit dem bärtigen Haupt auf der steifen Hals¬
krause und sein schweres flamländisches Streitroß sind so geschichtlich echt und
so monumental wuchtvoll in der Erscheinung, daß es wirklich zu bedauern ist,
sie nur als Relief und nur als Decoration einer Gebciudefayade ausgeführt
ZU sehen.

Wenige Jahre zuvor hatte Wolff dieselbe Kunst monumentaler geschicht.
licher Porträtbildnerei an einer in Bezug auf Bestimmung und Form der Aus¬
führung größeren Aufgabe zu erproben: an dem Reiterstandbild des Königs Ernst
August von Hannover. Der künstlerischen Freiheit des Autors wurden hier
'"deß äußerlich weit strengere Schranken gezogen, wie sie bei jeder eben erst
verstorbenen, noch in treuer Erinnerung der Zeitgenossen fortlebenden Persönlich¬
keit und ganz besonders, wie sie bei eines modernen, gründlich militärischen
Fürsten Denkmal ziemlich natürlich sind. Dieser soldatenfreundliche Herrscher
des „Welfenreichs" sollte in seiner Lieblingsuniform der Gardehusaren, den
Kalpak auf dem verwegen geschnittenen Haupt, auf seinem wirklichen Leibpferde
reitend dargestellt werden. Auch hier war Wolff wieder der echte Schüler Rauchs.
Die von diesem gleichsam errungene und mit der unbeugsamen Energie seines
künstlerischen Wollens durchgesetzte Unterwerfung jedes noch so unplastischen
Modernen Militälkostüms unter die Gesetze seiner Kunst, war-seiner Schule be-
^its völlig geläufig geworden. Des Pferdes Gestalt. Organismus und Be¬
legung Verstand Wolff aus dem Grunde. Die Persönlichkeit des Darzustellen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/371>, abgerufen am 24.08.2024.