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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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ihres Meisters wahre Geisteserben auch in der Lehre, so gut wie Brake, die
Traditionen der berliner Schule treulich ihren jungen Nachfolgern übertragend.
Hier ist vor allen Albert Wol ff zu nennen, geboren zu Neustrelitz 1814,
Sohn des mecklenburgischen Hofbildhauers, eines Freundes und Studiengenossen
Rauchs. Trotz dieser nahen Beziehungen des Vaters zu letzterm wollte es
diesem keineswegs in den Sinn, den sechzehnjähriger sofort vom Gymnasium
und der väterlichen Lehre her in seine Werkstatt als Schüler herüberzunehmen.
"Ich mag keine Studenten haben," schrieb er dem Freunde, "sondern Leute,
die sich ihre Suppe schon verdienen können." Es sollte ihn inreß nicht gereuen,
als er schließlich doch den jungen Menschen zu sich nach Berlin kommen ließ,
ohne daß er zuvor Klempner, Schlosser, Drechsler oder Tischler gewesen. Denn
nach zwei Jahren fleißigen Studiums in der Werkstatt und im Actsaal der
Akademie nach der Antike und der lebendigen Natur war diese jugendliche
Kraft zu einer Entwickelung innerhalb der strengsten Schuldisciplin gelangt,
daß Rauch wohl einsah, er könne ihm ein unbedingtes Vertrauen schenken. Von
da ab ist Albert Wolff der seines Meisters Herzen Nächste geworden. An den
wichtigsten Werken jener thatenreichen Periode des rauchschen Lebens, an den
Polenkönigen, den Victorien, dem Grabmonument der Königin von Hannover,
dem Piedestal des bairischen Königsmonuments und besonders Pferd, Reiter
und Postamentfiguren des Friedrichdenkmals hat dieser Schüler nicht nur neben
und mit Rauch unter dessen unmittelbarer Aufsicht, sondern oft genug völlig
selbständig nach den ersten flüchtigen Skizzen des Meisters gearbeitet. An manchen
der vielbewunderten ist jede Stelle des großen Modells Albert Wolffs Werk.
Es ist in dessen Natur eine seltne glückliche Mischung von selbstloser Unter¬
ordnung, von vollständigem Hineinfinden und Einleben in seines Meisters In¬
tentionen, Gestaltungs- und Vortragsweise und einer frischen eigenartigen Kraft,
von Tüchtigkeit, künstlerischer und menschlicher Zuverlässigkeit und freier Schön¬
heit, von Solidität und hohem reinen Idealismus, daß sich daraus sehr wohl
erklärt, wie er für Rauch das werden mußte, was er ihm geworden. Das
Vertrauen des Meisters in den Jüngling, die treue Hingebung des letzteren an
jenen, wie sich beides in den Jahren ihres Zusammenlebens und Arbeitens und
für den jenes Verhältnisses Kundigen in so manchem denselben entstammenden
Werken kund gab und giebt, hat etwas wahrhaft Rührendes.

Nach der Vollendung des Hilfsmodells der Reiterstatue Friedrich des Großen
für das berliner Monument trat Wolff seine italienische Reise an (1843). In
Adolph Stahrs bekanntem "Jahr in Italien" geschieht des "grundguten, reinen
und liebevollen Menschen" Albert Wolff freundliche Erwähnung, mit dem er dort
in Rom zusammentraf, der ihn dann in Sorrent heimkehrend zurückließ. Er
erkannte in dem Bildhauer die "schöne, reine, von keiner modernen theoretischen
Cultur berührte, nur durch das Leben, durch Anschauung und Nachbildung


ihres Meisters wahre Geisteserben auch in der Lehre, so gut wie Brake, die
Traditionen der berliner Schule treulich ihren jungen Nachfolgern übertragend.
Hier ist vor allen Albert Wol ff zu nennen, geboren zu Neustrelitz 1814,
Sohn des mecklenburgischen Hofbildhauers, eines Freundes und Studiengenossen
Rauchs. Trotz dieser nahen Beziehungen des Vaters zu letzterm wollte es
diesem keineswegs in den Sinn, den sechzehnjähriger sofort vom Gymnasium
und der väterlichen Lehre her in seine Werkstatt als Schüler herüberzunehmen.
„Ich mag keine Studenten haben," schrieb er dem Freunde, „sondern Leute,
die sich ihre Suppe schon verdienen können." Es sollte ihn inreß nicht gereuen,
als er schließlich doch den jungen Menschen zu sich nach Berlin kommen ließ,
ohne daß er zuvor Klempner, Schlosser, Drechsler oder Tischler gewesen. Denn
nach zwei Jahren fleißigen Studiums in der Werkstatt und im Actsaal der
Akademie nach der Antike und der lebendigen Natur war diese jugendliche
Kraft zu einer Entwickelung innerhalb der strengsten Schuldisciplin gelangt,
daß Rauch wohl einsah, er könne ihm ein unbedingtes Vertrauen schenken. Von
da ab ist Albert Wolff der seines Meisters Herzen Nächste geworden. An den
wichtigsten Werken jener thatenreichen Periode des rauchschen Lebens, an den
Polenkönigen, den Victorien, dem Grabmonument der Königin von Hannover,
dem Piedestal des bairischen Königsmonuments und besonders Pferd, Reiter
und Postamentfiguren des Friedrichdenkmals hat dieser Schüler nicht nur neben
und mit Rauch unter dessen unmittelbarer Aufsicht, sondern oft genug völlig
selbständig nach den ersten flüchtigen Skizzen des Meisters gearbeitet. An manchen
der vielbewunderten ist jede Stelle des großen Modells Albert Wolffs Werk.
Es ist in dessen Natur eine seltne glückliche Mischung von selbstloser Unter¬
ordnung, von vollständigem Hineinfinden und Einleben in seines Meisters In¬
tentionen, Gestaltungs- und Vortragsweise und einer frischen eigenartigen Kraft,
von Tüchtigkeit, künstlerischer und menschlicher Zuverlässigkeit und freier Schön¬
heit, von Solidität und hohem reinen Idealismus, daß sich daraus sehr wohl
erklärt, wie er für Rauch das werden mußte, was er ihm geworden. Das
Vertrauen des Meisters in den Jüngling, die treue Hingebung des letzteren an
jenen, wie sich beides in den Jahren ihres Zusammenlebens und Arbeitens und
für den jenes Verhältnisses Kundigen in so manchem denselben entstammenden
Werken kund gab und giebt, hat etwas wahrhaft Rührendes.

Nach der Vollendung des Hilfsmodells der Reiterstatue Friedrich des Großen
für das berliner Monument trat Wolff seine italienische Reise an (1843). In
Adolph Stahrs bekanntem „Jahr in Italien" geschieht des „grundguten, reinen
und liebevollen Menschen" Albert Wolff freundliche Erwähnung, mit dem er dort
in Rom zusammentraf, der ihn dann in Sorrent heimkehrend zurückließ. Er
erkannte in dem Bildhauer die „schöne, reine, von keiner modernen theoretischen
Cultur berührte, nur durch das Leben, durch Anschauung und Nachbildung


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[0368] ihres Meisters wahre Geisteserben auch in der Lehre, so gut wie Brake, die Traditionen der berliner Schule treulich ihren jungen Nachfolgern übertragend. Hier ist vor allen Albert Wol ff zu nennen, geboren zu Neustrelitz 1814, Sohn des mecklenburgischen Hofbildhauers, eines Freundes und Studiengenossen Rauchs. Trotz dieser nahen Beziehungen des Vaters zu letzterm wollte es diesem keineswegs in den Sinn, den sechzehnjähriger sofort vom Gymnasium und der väterlichen Lehre her in seine Werkstatt als Schüler herüberzunehmen. „Ich mag keine Studenten haben," schrieb er dem Freunde, „sondern Leute, die sich ihre Suppe schon verdienen können." Es sollte ihn inreß nicht gereuen, als er schließlich doch den jungen Menschen zu sich nach Berlin kommen ließ, ohne daß er zuvor Klempner, Schlosser, Drechsler oder Tischler gewesen. Denn nach zwei Jahren fleißigen Studiums in der Werkstatt und im Actsaal der Akademie nach der Antike und der lebendigen Natur war diese jugendliche Kraft zu einer Entwickelung innerhalb der strengsten Schuldisciplin gelangt, daß Rauch wohl einsah, er könne ihm ein unbedingtes Vertrauen schenken. Von da ab ist Albert Wolff der seines Meisters Herzen Nächste geworden. An den wichtigsten Werken jener thatenreichen Periode des rauchschen Lebens, an den Polenkönigen, den Victorien, dem Grabmonument der Königin von Hannover, dem Piedestal des bairischen Königsmonuments und besonders Pferd, Reiter und Postamentfiguren des Friedrichdenkmals hat dieser Schüler nicht nur neben und mit Rauch unter dessen unmittelbarer Aufsicht, sondern oft genug völlig selbständig nach den ersten flüchtigen Skizzen des Meisters gearbeitet. An manchen der vielbewunderten ist jede Stelle des großen Modells Albert Wolffs Werk. Es ist in dessen Natur eine seltne glückliche Mischung von selbstloser Unter¬ ordnung, von vollständigem Hineinfinden und Einleben in seines Meisters In¬ tentionen, Gestaltungs- und Vortragsweise und einer frischen eigenartigen Kraft, von Tüchtigkeit, künstlerischer und menschlicher Zuverlässigkeit und freier Schön¬ heit, von Solidität und hohem reinen Idealismus, daß sich daraus sehr wohl erklärt, wie er für Rauch das werden mußte, was er ihm geworden. Das Vertrauen des Meisters in den Jüngling, die treue Hingebung des letzteren an jenen, wie sich beides in den Jahren ihres Zusammenlebens und Arbeitens und für den jenes Verhältnisses Kundigen in so manchem denselben entstammenden Werken kund gab und giebt, hat etwas wahrhaft Rührendes. Nach der Vollendung des Hilfsmodells der Reiterstatue Friedrich des Großen für das berliner Monument trat Wolff seine italienische Reise an (1843). In Adolph Stahrs bekanntem „Jahr in Italien" geschieht des „grundguten, reinen und liebevollen Menschen" Albert Wolff freundliche Erwähnung, mit dem er dort in Rom zusammentraf, der ihn dann in Sorrent heimkehrend zurückließ. Er erkannte in dem Bildhauer die „schöne, reine, von keiner modernen theoretischen Cultur berührte, nur durch das Leben, durch Anschauung und Nachbildung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/368>, abgerufen am 02.10.2024.