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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Werkzeug ähnlich dem Ballen, womit die Buchdrucker früher allgemein die Farbe
auf den Satz auftrugen, etwa in Gestalt eines Pilzes, dessen Kopf mit festen
und doch nachgiebigen Stoffen gepolstert war. Man benutzte denselben folgender¬
maßen. Die Wildform wurde an den erhabenen Stellen, welche das Bild aus¬
machten, mit Farbe bedeckt, dann wurde das angefeuchtete Papier auf die Form
gelegt, und nun rieb man mit dem Reiher auf das Papier, wodurch das Bild
auf die untere Seite desselben überging. Alle Neiberdrucke haben infolge des
Reibens scharfe Eindrücke der Form auf der Rückseite und können nur auf
einer Seite bedruckt sein, weil der fertige Druck durch das Reiben wieder zer¬
stört worden wäre.

Zu welcher Zeit man angefangen habe, Bilder durch Schnitt und Druck
zu vervielfältigen, läßt sich noch nicht genau bestimmen. So viel wissen wir,
daß Johann Gerson, der berühmte Kanzler der Universita Paris, der leider
seinen übrigens wohlverdienten Ruhm durch die Verdammung des Reformators
Huß, mit dem er principiell gleiche Zwecke verfolgte, verdunkelt hat, schon um
1402 über die große Zahl von unzüchtigen, der Jugend gefährlichen Bildern,
welche an Festtagen zu Paris selbst in den Kirchen verkauft wurden, bitter
klagte, und daß 1441 die Corporation der Drucker und Maler zu Venedig ihre
Negierung um Schutz gegen Einfuhr gedruckter Stoffe und colorirter Bilder
bat. Es geht aus der zweiten Nachricht unzweifelhaft hervor, daß im Anfange
des fünfzehnten Jahrhunderts der Druck der Bilder und Stoffe zu Venedig leb¬
haft betrieben wurde und eine zahlreiche Menge von Arbeitern, die der Staat eben
wegen ihrer Menge zu berücksichtigen hatte, beschäftigte; sodann ergiebt sich
aber auch, daß um 1440 anderwärts diese Kunst zum Nachtheil Venedigs viel
lebhafter betrieben worden sein muß. Es wird daher nicht befremden, daß in
der weigelschen Sammlung Metallschnitte aus dem Ende des vierzehnten Jahr¬
hunderts sich befinden und Facsimiles derselben in dem genannten Werke uns
vorgeführt werden. Aber mit Recht staunen wir, im ersten Bande desselben
Werkes unter Ur. 11 das Facsimile eines Drucks auf Pergament aus dem zwölften
Jahrhundert aufgeführt zu finden. Dieses colorirte, leider bereits sehr abge-
riebene Blatt hat den vorderen Deckel eines Büchereinbandes geziert und ist
in Süddeutschland gefunden worden. Wie man nämlich in früherer Zeit Elfen¬
beinschnitzereien in die Buchdeckel zur Verzierung einsetzte, dergleichen die Stadt¬
bibliothek zu Leipzig ein schönes Exemplar besitzt, und wie man nach dem Zeug¬
nisse des Theophilus Presbyter*), der ein höchst schätzbares Werk über die im
Mittelalter für den Dienst der Kirche arbeitenden Künste mit genauer Anweisung
zur Ausübung derselben um 1300 geschrieben hat, die Büchereinbände durch
Metallplatten zierte, welche durch erhaben oder vertieft dargestellte Zeichnungen



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Werkzeug ähnlich dem Ballen, womit die Buchdrucker früher allgemein die Farbe
auf den Satz auftrugen, etwa in Gestalt eines Pilzes, dessen Kopf mit festen
und doch nachgiebigen Stoffen gepolstert war. Man benutzte denselben folgender¬
maßen. Die Wildform wurde an den erhabenen Stellen, welche das Bild aus¬
machten, mit Farbe bedeckt, dann wurde das angefeuchtete Papier auf die Form
gelegt, und nun rieb man mit dem Reiher auf das Papier, wodurch das Bild
auf die untere Seite desselben überging. Alle Neiberdrucke haben infolge des
Reibens scharfe Eindrücke der Form auf der Rückseite und können nur auf
einer Seite bedruckt sein, weil der fertige Druck durch das Reiben wieder zer¬
stört worden wäre.

Zu welcher Zeit man angefangen habe, Bilder durch Schnitt und Druck
zu vervielfältigen, läßt sich noch nicht genau bestimmen. So viel wissen wir,
daß Johann Gerson, der berühmte Kanzler der Universita Paris, der leider
seinen übrigens wohlverdienten Ruhm durch die Verdammung des Reformators
Huß, mit dem er principiell gleiche Zwecke verfolgte, verdunkelt hat, schon um
1402 über die große Zahl von unzüchtigen, der Jugend gefährlichen Bildern,
welche an Festtagen zu Paris selbst in den Kirchen verkauft wurden, bitter
klagte, und daß 1441 die Corporation der Drucker und Maler zu Venedig ihre
Negierung um Schutz gegen Einfuhr gedruckter Stoffe und colorirter Bilder
bat. Es geht aus der zweiten Nachricht unzweifelhaft hervor, daß im Anfange
des fünfzehnten Jahrhunderts der Druck der Bilder und Stoffe zu Venedig leb¬
haft betrieben wurde und eine zahlreiche Menge von Arbeitern, die der Staat eben
wegen ihrer Menge zu berücksichtigen hatte, beschäftigte; sodann ergiebt sich
aber auch, daß um 1440 anderwärts diese Kunst zum Nachtheil Venedigs viel
lebhafter betrieben worden sein muß. Es wird daher nicht befremden, daß in
der weigelschen Sammlung Metallschnitte aus dem Ende des vierzehnten Jahr¬
hunderts sich befinden und Facsimiles derselben in dem genannten Werke uns
vorgeführt werden. Aber mit Recht staunen wir, im ersten Bande desselben
Werkes unter Ur. 11 das Facsimile eines Drucks auf Pergament aus dem zwölften
Jahrhundert aufgeführt zu finden. Dieses colorirte, leider bereits sehr abge-
riebene Blatt hat den vorderen Deckel eines Büchereinbandes geziert und ist
in Süddeutschland gefunden worden. Wie man nämlich in früherer Zeit Elfen¬
beinschnitzereien in die Buchdeckel zur Verzierung einsetzte, dergleichen die Stadt¬
bibliothek zu Leipzig ein schönes Exemplar besitzt, und wie man nach dem Zeug¬
nisse des Theophilus Presbyter*), der ein höchst schätzbares Werk über die im
Mittelalter für den Dienst der Kirche arbeitenden Künste mit genauer Anweisung
zur Ausübung derselben um 1300 geschrieben hat, die Büchereinbände durch
Metallplatten zierte, welche durch erhaben oder vertieft dargestellte Zeichnungen



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[0269] Werkzeug ähnlich dem Ballen, womit die Buchdrucker früher allgemein die Farbe auf den Satz auftrugen, etwa in Gestalt eines Pilzes, dessen Kopf mit festen und doch nachgiebigen Stoffen gepolstert war. Man benutzte denselben folgender¬ maßen. Die Wildform wurde an den erhabenen Stellen, welche das Bild aus¬ machten, mit Farbe bedeckt, dann wurde das angefeuchtete Papier auf die Form gelegt, und nun rieb man mit dem Reiher auf das Papier, wodurch das Bild auf die untere Seite desselben überging. Alle Neiberdrucke haben infolge des Reibens scharfe Eindrücke der Form auf der Rückseite und können nur auf einer Seite bedruckt sein, weil der fertige Druck durch das Reiben wieder zer¬ stört worden wäre. Zu welcher Zeit man angefangen habe, Bilder durch Schnitt und Druck zu vervielfältigen, läßt sich noch nicht genau bestimmen. So viel wissen wir, daß Johann Gerson, der berühmte Kanzler der Universita Paris, der leider seinen übrigens wohlverdienten Ruhm durch die Verdammung des Reformators Huß, mit dem er principiell gleiche Zwecke verfolgte, verdunkelt hat, schon um 1402 über die große Zahl von unzüchtigen, der Jugend gefährlichen Bildern, welche an Festtagen zu Paris selbst in den Kirchen verkauft wurden, bitter klagte, und daß 1441 die Corporation der Drucker und Maler zu Venedig ihre Negierung um Schutz gegen Einfuhr gedruckter Stoffe und colorirter Bilder bat. Es geht aus der zweiten Nachricht unzweifelhaft hervor, daß im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts der Druck der Bilder und Stoffe zu Venedig leb¬ haft betrieben wurde und eine zahlreiche Menge von Arbeitern, die der Staat eben wegen ihrer Menge zu berücksichtigen hatte, beschäftigte; sodann ergiebt sich aber auch, daß um 1440 anderwärts diese Kunst zum Nachtheil Venedigs viel lebhafter betrieben worden sein muß. Es wird daher nicht befremden, daß in der weigelschen Sammlung Metallschnitte aus dem Ende des vierzehnten Jahr¬ hunderts sich befinden und Facsimiles derselben in dem genannten Werke uns vorgeführt werden. Aber mit Recht staunen wir, im ersten Bande desselben Werkes unter Ur. 11 das Facsimile eines Drucks auf Pergament aus dem zwölften Jahrhundert aufgeführt zu finden. Dieses colorirte, leider bereits sehr abge- riebene Blatt hat den vorderen Deckel eines Büchereinbandes geziert und ist in Süddeutschland gefunden worden. Wie man nämlich in früherer Zeit Elfen¬ beinschnitzereien in die Buchdeckel zur Verzierung einsetzte, dergleichen die Stadt¬ bibliothek zu Leipzig ein schönes Exemplar besitzt, und wie man nach dem Zeug¬ nisse des Theophilus Presbyter*), der ein höchst schätzbares Werk über die im Mittelalter für den Dienst der Kirche arbeitenden Künste mit genauer Anweisung zur Ausübung derselben um 1300 geschrieben hat, die Büchereinbände durch Metallplatten zierte, welche durch erhaben oder vertieft dargestellte Zeichnungen ") TAeoMIi mvllÄoKi et xrssbxtsri libri III, lips Gverss-rum nimm soksäula. 32"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/269>, abgerufen am 22.07.2024.