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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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ausgeführt und gegenwärtig in der Friedenskirche bei Sanssouci, wo ihr Be¬
steller ruht, aufgerichtet worden.

Die Skizze einer Goethe-Schillergruppe im idealen Costüm war ursprüng¬
lich für Weimar zur Ausführung bestimmt. Aber an entscheidender Stelle
verlangte man das Zeitcostüm. Rauch konnte es nicht mit seiner Ueberzeugung
vereinigen, diesem Wunsch Folge zu leisten, trat lieber zurück und schlug selbst
Rietschel als den dafür geeigneten Künstler vor. Fern sei es von mir, die be¬
geistert anerkannte schöne und tiefe Charakteristik der Beiden in des letztern
Dichtcrgruppe zu bestreiten. Rein auf die Erscheinung hin als monumentales
plastisches Kunstwerk angesehn aber behält die Gruppe dieser zwei Männer in
Frack und Ueberock. auf dem kahlen Postament, doch etwas Dürftiges und Phan¬
tasieloses im Vergleich zu Rauchs so viel massiger, wirksamer und plastischer
empfundnem wahrhaft poetischem Entwurf.

Unsre Aufzählung hat vieles noch ungenannt gelassen unter den Werken
der beiden Hauptgattungen, und gänzlich unerwähnt blieben noch die Porträt¬
büsten. Reliefs und Statuetten. Rauchs Meisterschaft in Arbeiten der Art war
außerordentlich, und die Zahl der letztern, welche das Museum bewahrt, ist
zu groß, um bier auch sie nur einer ähnlich die einzelnen berührenden Be¬
sprechung zu unterziehen. Sie sind doppelt interessant: durch die Dargestellten,
unter welchen sich die hervorragendsten, berühmtesten Persönlichkeiten des Staats¬
und Kriegslebens. der Kunst und Wissenschaft aus Rauchs zweiter Lebenshälfte
befinden, und durch die bewundernswerthe Kunst lebensvollster Darstellung.

Unter allen Statuen und Statuetten Goethes (ich kann diese speciell nicht
übergehn) ist z. B. doch immer diese kleine von Rauchs Hand 1828 modellirte:
stehend wie der Alte pflegte, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, unüber¬
troffen. Seines Wesens Art. seines Geistes Macht. Sicherheit, Freiheit und
olympische Heiterkeit ist nie so überzeugend voll und ganz ausgeprägt worden
im künstlerischen Bilde, wie hier.

Nur ein Werk, das nicht von Rauch herrührt, hat in dem Museum Platz
gesunden. Rietschels berühmte und unübertroffne Büste seines Meisters aus
dessen letztem Lebensjahr. Es ist gut, daß sie da ist: das erstaunlich und kaum
begreiflich Erscheinende in dieser überschwenglichen Schöpfungsfülle, die von
einem Manne ausging, wird verständlicher und erklärlicher, wenn man hier
gewahr wird, wie dieses Mannes Antlitz aussah. Nicht umsonst war auch
er wie der mächtigen Olympier einer gestaltet. Ehren wir ihn in dem unver¬
gänglichen Erbe, das er uns scheidend in seinem Lebenswerke hinterlassen; und
das sichtlich darin uns gegenübertretende, erhebende Beispiel des großen Wollens
und Könnens feure seine Nachfolger an im Arbeiten und^ Ringen nach gleich
erhabnen Zielen.




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ausgeführt und gegenwärtig in der Friedenskirche bei Sanssouci, wo ihr Be¬
steller ruht, aufgerichtet worden.

Die Skizze einer Goethe-Schillergruppe im idealen Costüm war ursprüng¬
lich für Weimar zur Ausführung bestimmt. Aber an entscheidender Stelle
verlangte man das Zeitcostüm. Rauch konnte es nicht mit seiner Ueberzeugung
vereinigen, diesem Wunsch Folge zu leisten, trat lieber zurück und schlug selbst
Rietschel als den dafür geeigneten Künstler vor. Fern sei es von mir, die be¬
geistert anerkannte schöne und tiefe Charakteristik der Beiden in des letztern
Dichtcrgruppe zu bestreiten. Rein auf die Erscheinung hin als monumentales
plastisches Kunstwerk angesehn aber behält die Gruppe dieser zwei Männer in
Frack und Ueberock. auf dem kahlen Postament, doch etwas Dürftiges und Phan¬
tasieloses im Vergleich zu Rauchs so viel massiger, wirksamer und plastischer
empfundnem wahrhaft poetischem Entwurf.

Unsre Aufzählung hat vieles noch ungenannt gelassen unter den Werken
der beiden Hauptgattungen, und gänzlich unerwähnt blieben noch die Porträt¬
büsten. Reliefs und Statuetten. Rauchs Meisterschaft in Arbeiten der Art war
außerordentlich, und die Zahl der letztern, welche das Museum bewahrt, ist
zu groß, um bier auch sie nur einer ähnlich die einzelnen berührenden Be¬
sprechung zu unterziehen. Sie sind doppelt interessant: durch die Dargestellten,
unter welchen sich die hervorragendsten, berühmtesten Persönlichkeiten des Staats¬
und Kriegslebens. der Kunst und Wissenschaft aus Rauchs zweiter Lebenshälfte
befinden, und durch die bewundernswerthe Kunst lebensvollster Darstellung.

Unter allen Statuen und Statuetten Goethes (ich kann diese speciell nicht
übergehn) ist z. B. doch immer diese kleine von Rauchs Hand 1828 modellirte:
stehend wie der Alte pflegte, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, unüber¬
troffen. Seines Wesens Art. seines Geistes Macht. Sicherheit, Freiheit und
olympische Heiterkeit ist nie so überzeugend voll und ganz ausgeprägt worden
im künstlerischen Bilde, wie hier.

Nur ein Werk, das nicht von Rauch herrührt, hat in dem Museum Platz
gesunden. Rietschels berühmte und unübertroffne Büste seines Meisters aus
dessen letztem Lebensjahr. Es ist gut, daß sie da ist: das erstaunlich und kaum
begreiflich Erscheinende in dieser überschwenglichen Schöpfungsfülle, die von
einem Manne ausging, wird verständlicher und erklärlicher, wenn man hier
gewahr wird, wie dieses Mannes Antlitz aussah. Nicht umsonst war auch
er wie der mächtigen Olympier einer gestaltet. Ehren wir ihn in dem unver¬
gänglichen Erbe, das er uns scheidend in seinem Lebenswerke hinterlassen; und
das sichtlich darin uns gegenübertretende, erhebende Beispiel des großen Wollens
und Könnens feure seine Nachfolger an im Arbeiten und^ Ringen nach gleich
erhabnen Zielen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/25>, abgerufen am 22.07.2024.