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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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des dargestellten Mannes am meisten entsprechende Stellung und Haltung in
Ruhe oder Action handelt es sich ihm gar nicht darin. Wie ein leicht be¬
schwingter classischer Heros hält er das halb in der Scheide steckende Schwert,
Pesirt er mit schwunghafter Bcinstcllung und classischem Mantclwurf, und der
ungeheure Widerspruch des ganz realistisch porträtmäßig behandelten Kopfs mit
dieser Darstcllungsart scheint den Künstler damals kaum innerlich störend be¬
rührt und gehindert zu haben. Nichts zeigt schlagender die auch in seinem
Bewußtsein während eines halben Jahrhunderts vollzognen Wandlungen, als
die hier in unmittelbarer Nachbarschaft aufgestellte Statue Immanuel Kants
aus Rauchs letzter Lebenszeit.

Ein leiser allmäliger Uebergang von jener erstem Weise der Behandlung
der Monumentalstatue wird bereits in den bei der berliner Hauptwache planirten
in den ersten zwanziger Jahren modellirten Denkmalen Bülows und Scharn-
horsts erkennbar, die in dem Museum bis jetzt wenigstens noch nicht durch
ihre Modelle vertreten sind. Es werden auch in diesen beiden berühmten Ge¬
stalten zwar der modernen Uniform starke Zumuthungen gestellt, sich den Stil-
gesehen antiker Gewandung zu fügen, aber die Helden selbst verläugnen doch
nicht gänzlich den modernen Menschen, wie sehr derselbe auch seinem monumen¬
talen Zweck zu Liebe erhöht und gesteigert erscheinen möge. An den symboli-
sirenden Reliefs gewinnt selbstverständlich die rein antike Formensprache wieder
ausschließlich Platz und mit Recht: keine andre vermag so verständlich, so künst¬
lerisch schön und in so knapper gedrängter Ausdrucksweise einen bedeutenden
gedanklichen, respective historischen Inhalt zu erzählen, wie sie. -- Das Denk¬
mal Blüchers am berliner Opernplatz, jenen beiden in der Entstehungszeit
nahe, bezeichnet eine durchaus verwandte Stufe der künstlerischen Entwicklung
und der Auffassung der Aufgabe monumentaler Plastik durch Rauch. In diesem
Museum ist nur die Skizze davon, ebenso wie die von dem breslauer Denkmal
desselben Helden, vorhanden. Die Behandlung der Gestalt wie des Postaments
entspringt den gleichen Principien. Es ist immer zu beklagen, daß der große
verwegne Reiterführer nicht eine, diesem seinem speciellsten Wesen weit
besser entsprechende monumentale Verherrlichung gefunden hat, eben auch durch
eme Reiterstatue. Daß es nicht geschehen, ist freilich nicht Rauchs Schuld,
sondern jenem vorurtheils- und anspruchvollen, unsern Regierenden heiligen
Gebrauch zuzuschreiben, welcher diese höchste künstlerische Ehre ausschließlich
für Könige und Herrscher vorbehalten wissen will. Sehn wir aber von der
Möglichkeit einer solchen Darstellung des Helden ab. so müssen wir unter den
beiden Werken Rauchs dem breslauer weitaus den Borzug vor dem berliner
geben in Bezug auf eine mit großartiger monumentaler Wirkung vereinigte
Wahrhaft charakteristische und bezeichnende künstlerisch-plastische Gestaltung der
ganzen Persönlichkeit. Der greise Held im flatternden Mantel mit vorwinkend


Grenzboten I. 186V. 2

des dargestellten Mannes am meisten entsprechende Stellung und Haltung in
Ruhe oder Action handelt es sich ihm gar nicht darin. Wie ein leicht be¬
schwingter classischer Heros hält er das halb in der Scheide steckende Schwert,
Pesirt er mit schwunghafter Bcinstcllung und classischem Mantclwurf, und der
ungeheure Widerspruch des ganz realistisch porträtmäßig behandelten Kopfs mit
dieser Darstcllungsart scheint den Künstler damals kaum innerlich störend be¬
rührt und gehindert zu haben. Nichts zeigt schlagender die auch in seinem
Bewußtsein während eines halben Jahrhunderts vollzognen Wandlungen, als
die hier in unmittelbarer Nachbarschaft aufgestellte Statue Immanuel Kants
aus Rauchs letzter Lebenszeit.

Ein leiser allmäliger Uebergang von jener erstem Weise der Behandlung
der Monumentalstatue wird bereits in den bei der berliner Hauptwache planirten
in den ersten zwanziger Jahren modellirten Denkmalen Bülows und Scharn-
horsts erkennbar, die in dem Museum bis jetzt wenigstens noch nicht durch
ihre Modelle vertreten sind. Es werden auch in diesen beiden berühmten Ge¬
stalten zwar der modernen Uniform starke Zumuthungen gestellt, sich den Stil-
gesehen antiker Gewandung zu fügen, aber die Helden selbst verläugnen doch
nicht gänzlich den modernen Menschen, wie sehr derselbe auch seinem monumen¬
talen Zweck zu Liebe erhöht und gesteigert erscheinen möge. An den symboli-
sirenden Reliefs gewinnt selbstverständlich die rein antike Formensprache wieder
ausschließlich Platz und mit Recht: keine andre vermag so verständlich, so künst¬
lerisch schön und in so knapper gedrängter Ausdrucksweise einen bedeutenden
gedanklichen, respective historischen Inhalt zu erzählen, wie sie. — Das Denk¬
mal Blüchers am berliner Opernplatz, jenen beiden in der Entstehungszeit
nahe, bezeichnet eine durchaus verwandte Stufe der künstlerischen Entwicklung
und der Auffassung der Aufgabe monumentaler Plastik durch Rauch. In diesem
Museum ist nur die Skizze davon, ebenso wie die von dem breslauer Denkmal
desselben Helden, vorhanden. Die Behandlung der Gestalt wie des Postaments
entspringt den gleichen Principien. Es ist immer zu beklagen, daß der große
verwegne Reiterführer nicht eine, diesem seinem speciellsten Wesen weit
besser entsprechende monumentale Verherrlichung gefunden hat, eben auch durch
eme Reiterstatue. Daß es nicht geschehen, ist freilich nicht Rauchs Schuld,
sondern jenem vorurtheils- und anspruchvollen, unsern Regierenden heiligen
Gebrauch zuzuschreiben, welcher diese höchste künstlerische Ehre ausschließlich
für Könige und Herrscher vorbehalten wissen will. Sehn wir aber von der
Möglichkeit einer solchen Darstellung des Helden ab. so müssen wir unter den
beiden Werken Rauchs dem breslauer weitaus den Borzug vor dem berliner
geben in Bezug auf eine mit großartiger monumentaler Wirkung vereinigte
Wahrhaft charakteristische und bezeichnende künstlerisch-plastische Gestaltung der
ganzen Persönlichkeit. Der greise Held im flatternden Mantel mit vorwinkend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/15>, abgerufen am 26.06.2024.