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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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selbst des letztern uns noch so nahe stehenden Meisters Lebenswerk in seiner
Gesammtheit erhalten gewollt. Ja es ist diesem noch schlimmer ergangen, in¬
dem sogar zwei seiner Hauptarbeiten, die Denkmale Ziethens und des Dessauers,
neuerdings von dem ihnen bestimmten öffentlichen Platz entfernt sind, um
im Cadettenhause untergebracht und durch die armseligen Surrogate mittel¬
mäßiger Broncestatuen ersetzt zu werden. So ist Schadow trotz der Größe und
Fülle seines Genies eigentlich in dem allgemeinen Laienbewußtsein weit mehr
ein kunstgeschichtlicher Begriff, als eine bestimmte, klar anschaubare künstlerische
Persönlichkeit geworden, er, die individuellste, persönlichste Meistergestalt, welche
seit Schlüter in Deutschland erwachsen ist. Seinem ehemaligen Schüler Christian
.Rauch ist das Glück, wie es ihm im Leben treu geblieben, auch nach dem
Hinscheiden günstiger gewesen. Durch die imponirende Massenhaftigüeit seines
Schaffens, welche durch eiserne Consequenz und strengen unablässigen Fleiß,
diese ihm eigenthümlichen unschätzbaren Tugenden, ermöglicht wurde, hatte er
bei Lebzeiten während einer langen Periode seinen großen Meister einigermaßen
in Schatten gestellt; und nun bleibt die ganze Summe seiner Leistungen bei¬
sammen, als sein vollständiges Lebenswerk, das fort und fort auch des Urhebers
Bild in seiner geschlossenen Ganzheit zu erhalten und zu überliefern be¬
stimmt ist.

Die Mehrzahl der hier nun vereinigten Modelle wurde, nachdem die
königliche Bewilligung zur Einrichtung dieses Museums ertheilt war, aus dem
Besitz der rauchschcn Erben für den Staat erworben, um nach der ursprüng¬
lichen Absicht in seinen alten Werkstatträumen zusammengestellt zu werden.
Aber diese lagen in dem weiten Gebäude des Lagerhauses zwischen der Kloster-
und Neuen Friedrichstraße vielfach getrennt von einander. So mußte von
diesem Gedanken abgegangen und ein andrer besonders dafür eingerichteter
Raum gewonnen werden. Man fand denselben durch Erwerbung und Ver¬
einigung der auf der andern Seite des bekannten Comtors im Erdgeschoß
jenes Gebäudes den Werkstätten gegenüber gelegenen Lagerräume. Aus diesen
ist ein langer gewölbter Saal von 162 Fuß Länge bei 27 Fuß Breite und
21 Fuß Höhe gemacht worden, in welchem neben den der Familie direct
abgekauften Modellen noch eine ganze Anzahl von theils in den königlichen
Museen, theils in den Gießereien verstreuten oder bewahrten und nun hierher¬
geschafften bequeme Aufstellung gefunden haben. Die Sammlung ist damit
trotz der 162 Nummern, die sie umfaßt, noch nicht zum vollen Abschluß, nicht
zur ganzen Vollständigkeit gelangt. Mehre noch fehlende Modelle waren bis¬
her nicht herbeizubringen, bei andern wird es vielleicht für immer unmöglich
sein. Aber im Vergleich zu dem Vorhandnen ist die Zahl dieser fehlenden
doch nur gering. Der ganze Eindruck dieses von Modellen aller Art erfüllten
Saales ist ein höchst imposanter. Durch eine hohe Eingangsthür, von der Büste


selbst des letztern uns noch so nahe stehenden Meisters Lebenswerk in seiner
Gesammtheit erhalten gewollt. Ja es ist diesem noch schlimmer ergangen, in¬
dem sogar zwei seiner Hauptarbeiten, die Denkmale Ziethens und des Dessauers,
neuerdings von dem ihnen bestimmten öffentlichen Platz entfernt sind, um
im Cadettenhause untergebracht und durch die armseligen Surrogate mittel¬
mäßiger Broncestatuen ersetzt zu werden. So ist Schadow trotz der Größe und
Fülle seines Genies eigentlich in dem allgemeinen Laienbewußtsein weit mehr
ein kunstgeschichtlicher Begriff, als eine bestimmte, klar anschaubare künstlerische
Persönlichkeit geworden, er, die individuellste, persönlichste Meistergestalt, welche
seit Schlüter in Deutschland erwachsen ist. Seinem ehemaligen Schüler Christian
.Rauch ist das Glück, wie es ihm im Leben treu geblieben, auch nach dem
Hinscheiden günstiger gewesen. Durch die imponirende Massenhaftigüeit seines
Schaffens, welche durch eiserne Consequenz und strengen unablässigen Fleiß,
diese ihm eigenthümlichen unschätzbaren Tugenden, ermöglicht wurde, hatte er
bei Lebzeiten während einer langen Periode seinen großen Meister einigermaßen
in Schatten gestellt; und nun bleibt die ganze Summe seiner Leistungen bei¬
sammen, als sein vollständiges Lebenswerk, das fort und fort auch des Urhebers
Bild in seiner geschlossenen Ganzheit zu erhalten und zu überliefern be¬
stimmt ist.

Die Mehrzahl der hier nun vereinigten Modelle wurde, nachdem die
königliche Bewilligung zur Einrichtung dieses Museums ertheilt war, aus dem
Besitz der rauchschcn Erben für den Staat erworben, um nach der ursprüng¬
lichen Absicht in seinen alten Werkstatträumen zusammengestellt zu werden.
Aber diese lagen in dem weiten Gebäude des Lagerhauses zwischen der Kloster-
und Neuen Friedrichstraße vielfach getrennt von einander. So mußte von
diesem Gedanken abgegangen und ein andrer besonders dafür eingerichteter
Raum gewonnen werden. Man fand denselben durch Erwerbung und Ver¬
einigung der auf der andern Seite des bekannten Comtors im Erdgeschoß
jenes Gebäudes den Werkstätten gegenüber gelegenen Lagerräume. Aus diesen
ist ein langer gewölbter Saal von 162 Fuß Länge bei 27 Fuß Breite und
21 Fuß Höhe gemacht worden, in welchem neben den der Familie direct
abgekauften Modellen noch eine ganze Anzahl von theils in den königlichen
Museen, theils in den Gießereien verstreuten oder bewahrten und nun hierher¬
geschafften bequeme Aufstellung gefunden haben. Die Sammlung ist damit
trotz der 162 Nummern, die sie umfaßt, noch nicht zum vollen Abschluß, nicht
zur ganzen Vollständigkeit gelangt. Mehre noch fehlende Modelle waren bis¬
her nicht herbeizubringen, bei andern wird es vielleicht für immer unmöglich
sein. Aber im Vergleich zu dem Vorhandnen ist die Zahl dieser fehlenden
doch nur gering. Der ganze Eindruck dieses von Modellen aller Art erfüllten
Saales ist ein höchst imposanter. Durch eine hohe Eingangsthür, von der Büste


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/12>, abgerufen am 22.12.2024.