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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Daß die politische Partei in Rom, die ultramontane Umgebung des
Papstes, welche Hr. v. Persigny in seinem Brief über Rom so drastisch signa-
lisirte, von Anfang an diesen Versuch einer Aussöhnung mit Italien mit höch¬
stem Mißtrauen sah und ihm mit allen Kräften entgegenwirkte, daß ferner
Oestreich nichts unversucht lassen würde, den Papst von der abschüssigen Bahn
zurückzuhalten, verstand sich von selbst. Wenn der Papst nicht von vornherein
entschlossen war, unbekümmert um diese widerstrebenden Einflüsse seinen Weg
zu gehen, so war das Schicksal der Mission Vegezzis besiegelt. Aber nicht min¬
der lebhafter Widerspruch kam von der entgegengesetzten Seite; auch die öffent¬
liche Meinung in Italien war den Verhandlungen entschieden ungünstig, und
nicht blos die Actionspartei bot ihren herkömmlichen Apparat von Protesten
und Volksversammlungen auf, sondern das Mißtrauen erstreckte sich, zumal im
Anfang, bis weit in die Reihen der liberalen Partei.

Auch dies ist erklärlich genug. Nirgends hat der Name Concordat einen
guten Klang, in Italien am wenigsten. Die Opposition, welcher anfangs der
Septembervortrag begegnete, war zwar längst beschwichtigt, der Umzug in die
neue Hauptstadt in aller Ordnung vollzogen worden. Allein eine Negotiation
mit dem Papst, obwohl die natürliche Folge dieses Vertrags, enthielt einen zu
deutlichen Verzicht auf das ehemalige Programm: Rom die Hauptstadt, als
daß nicht die kaum beschwichtigten Gemüther in verstärktem Grad wieder alar-
mirt werden mußten. Jenes Programm war in den Tagen der siegreichen
Revolution aufgestellt worden, es war'der natürlichste, populärste Ausdruck für
das nationale Ziel gewesen. Aber indessen hatte der Lauf der Revolution
seine Grenze gefunden. Es galt innerhalb bestimmter Schranken den staat¬
lichen Aufgaben zu genügen. Für das noch Fehlende reichten die erschöpften
Kräfte der Revolution nicht mehr aus. An ihre Stelle trat die Diplomatie,
welche auf längeren Umwegen suchen mußte zu erreichen, was die Energie der
Revolution vielleicht in Einem Anlauf genommen hätte, welche die nächsten
Ziele niederer stellte, um desto sicherer das Höhere zu erreichen. Aber die
öffentliche Meinung, die aus einer stegreichen Revolution kommt, gewöhnt sich
schwer an den Gedanken, daß die Tage der Revolution vorüber sind, die alten
Schlagwörter klingen ihr noch in den Ohren, armselig erscheinen ihr die tasten¬
den Versuche der Staatskunst, und als Verrath bezeichnet sie das, was
in Wahrheit nur unter dem Zwang der veränderten Umstände veränderte
Taktik ist.

Und noch besondere Umstände kamen hinzu, welche das Mißtrauen des
Volks begünstigen mußten. Die Verhandlungen in Rom waren eben im Gange,
als das Ministerium in der Kammersitzung vom 28. April den Gesetzesentwurf
betreffend die Aufhebung der Klöster und Umwandlung der Kirchengüter, nach¬
dem er beinahe ganz durchberathen war, zurückzog. Allerdings hatte die Dis'


Daß die politische Partei in Rom, die ultramontane Umgebung des
Papstes, welche Hr. v. Persigny in seinem Brief über Rom so drastisch signa-
lisirte, von Anfang an diesen Versuch einer Aussöhnung mit Italien mit höch¬
stem Mißtrauen sah und ihm mit allen Kräften entgegenwirkte, daß ferner
Oestreich nichts unversucht lassen würde, den Papst von der abschüssigen Bahn
zurückzuhalten, verstand sich von selbst. Wenn der Papst nicht von vornherein
entschlossen war, unbekümmert um diese widerstrebenden Einflüsse seinen Weg
zu gehen, so war das Schicksal der Mission Vegezzis besiegelt. Aber nicht min¬
der lebhafter Widerspruch kam von der entgegengesetzten Seite; auch die öffent¬
liche Meinung in Italien war den Verhandlungen entschieden ungünstig, und
nicht blos die Actionspartei bot ihren herkömmlichen Apparat von Protesten
und Volksversammlungen auf, sondern das Mißtrauen erstreckte sich, zumal im
Anfang, bis weit in die Reihen der liberalen Partei.

Auch dies ist erklärlich genug. Nirgends hat der Name Concordat einen
guten Klang, in Italien am wenigsten. Die Opposition, welcher anfangs der
Septembervortrag begegnete, war zwar längst beschwichtigt, der Umzug in die
neue Hauptstadt in aller Ordnung vollzogen worden. Allein eine Negotiation
mit dem Papst, obwohl die natürliche Folge dieses Vertrags, enthielt einen zu
deutlichen Verzicht auf das ehemalige Programm: Rom die Hauptstadt, als
daß nicht die kaum beschwichtigten Gemüther in verstärktem Grad wieder alar-
mirt werden mußten. Jenes Programm war in den Tagen der siegreichen
Revolution aufgestellt worden, es war'der natürlichste, populärste Ausdruck für
das nationale Ziel gewesen. Aber indessen hatte der Lauf der Revolution
seine Grenze gefunden. Es galt innerhalb bestimmter Schranken den staat¬
lichen Aufgaben zu genügen. Für das noch Fehlende reichten die erschöpften
Kräfte der Revolution nicht mehr aus. An ihre Stelle trat die Diplomatie,
welche auf längeren Umwegen suchen mußte zu erreichen, was die Energie der
Revolution vielleicht in Einem Anlauf genommen hätte, welche die nächsten
Ziele niederer stellte, um desto sicherer das Höhere zu erreichen. Aber die
öffentliche Meinung, die aus einer stegreichen Revolution kommt, gewöhnt sich
schwer an den Gedanken, daß die Tage der Revolution vorüber sind, die alten
Schlagwörter klingen ihr noch in den Ohren, armselig erscheinen ihr die tasten¬
den Versuche der Staatskunst, und als Verrath bezeichnet sie das, was
in Wahrheit nur unter dem Zwang der veränderten Umstände veränderte
Taktik ist.

Und noch besondere Umstände kamen hinzu, welche das Mißtrauen des
Volks begünstigen mußten. Die Verhandlungen in Rom waren eben im Gange,
als das Ministerium in der Kammersitzung vom 28. April den Gesetzesentwurf
betreffend die Aufhebung der Klöster und Umwandlung der Kirchengüter, nach¬
dem er beinahe ganz durchberathen war, zurückzog. Allerdings hatte die Dis'


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[0094] Daß die politische Partei in Rom, die ultramontane Umgebung des Papstes, welche Hr. v. Persigny in seinem Brief über Rom so drastisch signa- lisirte, von Anfang an diesen Versuch einer Aussöhnung mit Italien mit höch¬ stem Mißtrauen sah und ihm mit allen Kräften entgegenwirkte, daß ferner Oestreich nichts unversucht lassen würde, den Papst von der abschüssigen Bahn zurückzuhalten, verstand sich von selbst. Wenn der Papst nicht von vornherein entschlossen war, unbekümmert um diese widerstrebenden Einflüsse seinen Weg zu gehen, so war das Schicksal der Mission Vegezzis besiegelt. Aber nicht min¬ der lebhafter Widerspruch kam von der entgegengesetzten Seite; auch die öffent¬ liche Meinung in Italien war den Verhandlungen entschieden ungünstig, und nicht blos die Actionspartei bot ihren herkömmlichen Apparat von Protesten und Volksversammlungen auf, sondern das Mißtrauen erstreckte sich, zumal im Anfang, bis weit in die Reihen der liberalen Partei. Auch dies ist erklärlich genug. Nirgends hat der Name Concordat einen guten Klang, in Italien am wenigsten. Die Opposition, welcher anfangs der Septembervortrag begegnete, war zwar längst beschwichtigt, der Umzug in die neue Hauptstadt in aller Ordnung vollzogen worden. Allein eine Negotiation mit dem Papst, obwohl die natürliche Folge dieses Vertrags, enthielt einen zu deutlichen Verzicht auf das ehemalige Programm: Rom die Hauptstadt, als daß nicht die kaum beschwichtigten Gemüther in verstärktem Grad wieder alar- mirt werden mußten. Jenes Programm war in den Tagen der siegreichen Revolution aufgestellt worden, es war'der natürlichste, populärste Ausdruck für das nationale Ziel gewesen. Aber indessen hatte der Lauf der Revolution seine Grenze gefunden. Es galt innerhalb bestimmter Schranken den staat¬ lichen Aufgaben zu genügen. Für das noch Fehlende reichten die erschöpften Kräfte der Revolution nicht mehr aus. An ihre Stelle trat die Diplomatie, welche auf längeren Umwegen suchen mußte zu erreichen, was die Energie der Revolution vielleicht in Einem Anlauf genommen hätte, welche die nächsten Ziele niederer stellte, um desto sicherer das Höhere zu erreichen. Aber die öffentliche Meinung, die aus einer stegreichen Revolution kommt, gewöhnt sich schwer an den Gedanken, daß die Tage der Revolution vorüber sind, die alten Schlagwörter klingen ihr noch in den Ohren, armselig erscheinen ihr die tasten¬ den Versuche der Staatskunst, und als Verrath bezeichnet sie das, was in Wahrheit nur unter dem Zwang der veränderten Umstände veränderte Taktik ist. Und noch besondere Umstände kamen hinzu, welche das Mißtrauen des Volks begünstigen mußten. Die Verhandlungen in Rom waren eben im Gange, als das Ministerium in der Kammersitzung vom 28. April den Gesetzesentwurf betreffend die Aufhebung der Klöster und Umwandlung der Kirchengüter, nach¬ dem er beinahe ganz durchberathen war, zurückzog. Allerdings hatte die Dis'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/94>, abgerufen am 15.01.2025.