Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.sogar in einer Broschüre hervor. Goethe aber sprach seine Verwunderung darüber Noch andere Stücke religiösen oder biblischen Inhalts wurden Goethe zur Auf¬ Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. - Druck von C. E. Elbert in Leipzig. sogar in einer Broschüre hervor. Goethe aber sprach seine Verwunderung darüber Noch andere Stücke religiösen oder biblischen Inhalts wurden Goethe zur Auf¬ Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. - Druck von C. E. Elbert in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283441"/> <p xml:id="ID_248" prev="#ID_247"> sogar in einer Broschüre hervor. Goethe aber sprach seine Verwunderung darüber<lb/> aus, daß man auf diesen stofflichen Inhalt so viel Gewicht lege; er sehe in dem<lb/> standhaften Prinzen nur einen christlichen Regulus, an dem das so vollendet sei,<lb/> daß der Dichter die Stnndhaftigkcit im Glauben vor den Augen seines Publi¬<lb/> kums entstehen lasse, vor dessen Augen gleichsam die Märtyrerkrone zusammenflechte.</p><lb/> <p xml:id="ID_249"> Noch andere Stücke religiösen oder biblischen Inhalts wurden Goethe zur Auf¬<lb/> führung vorgelegt, wie der „Moses" und der „Luther" Klingemanns, ein zweiter<lb/> „Luther", der im Jahre 1817 von einem Ungenannten erschien, und der „Johannes"<lb/> Krummachers; er legte sie aber bei Seite. Gewöhnlich las ihm eingesandte Novitäten<lb/> dieser Art sein Schreiber John vor, und Goethe pflegte, wenn er die Tendenz des<lb/> Poeten zu merken begann, zu sagen: „Ich rieche schon das Christenthum." Als<lb/> sein Sekretär Kräuter ihm das „Käthchen von Heilbronn", welches damals in Weimar<lb/> Viele entzückte (unter Andern Falk und Schulz) gebracht hatte und Goethe es gelesen,<lb/> sagte er: „Ein wunderbares Gemisch von Sinn und Unsinn. Die verfluchte Un¬<lb/> natur!" warf das Buch in den Ofen und setzte hinzu: „das führe ich nicht auf<lb/> und wenn es auch halb Weimar verlangte." Kräuter war erschrocken, denn er hatte<lb/> das Exemplar nur geliehen. Als Goethe durch die Aufführung von Werners „Wanda"<lb/> 1808 mit dem Dichter in persönliche Berührung gekommen war und dieser, gehoben<lb/> von dem Beifall, den seine Sarmatenkönigin gefunden, die Aufführung noch andrer<lb/> seiner Stücke, wie des „Kreuzes an der Ostsee", der „Söhne des Thals" und der<lb/> „Weihe der Kraft" wünschte, zeigte Goethe sich völlig unzugänglich für die christliche<lb/> Richtung dieser Poesien. Dagcg.» rieth er Werner, Theaterstücke kleineren Umfangs<lb/> zu dichten, für welche Goethe damals eine große Vorliebe hatte. Nun traf es sich,<lb/> daß in einer Gesellschaft bei dem Herrn Geheimrath, in welcher Werner sich auch<lb/> befand, aus der Zeitung eine schauerliche Kriminalgeschichtc vorgelesen wurde, die<lb/> mit einem merkwürdigen Zusammentreffen der Jahrestage verbunden war. Diese<lb/> empfahl Goethe Warnern als einen geeigneten Stoff zu einem kleinen einaktigen<lb/> Trauerspiel. Werner ging sogleich darauf ein, und schon nach einer Woche übergab<lb/> er Goethen den „Vierundzwauzigsten Februar". Als Goethe das Stück gelesen,<lb/> hätte er die Aufführung desselben gern abgelehnt, wenigstens wollte er es anfangs<lb/> nicht vor das große Publikum bringen, sondern es nur vor einer ausgewählten<lb/> Gesellschaft und bei verschlossenen Thüren geben; doch erfolgte endlich die öffentliche<lb/> Aufführung, und zwar am 24. Februar 1810, wie Goethe es denn liebte, durch<lb/> solche beabsichtigte Zufälligkeiten das Schauerliche derartiger Producte wirksamer werden<lb/> zu lassen. Bei der ersten Aufführung sollen viele Zuschauer vor Entsetzen ganz<lb/> außer Athem gewesen sein. Die Gelehrten Weimars aber waren gleich bei der Hand,<lb/> an die Wirkung der Eumeniden in Athen zu erinnern. Der alte Wieland dagegen<lb/> war verdrießlich über das Stück und machte Goethe über die Zulassung desselben<lb/> Vorwürfe, worauf er zur Antwort erhalten haben soll (nach Schuldircctor Schubart«<lb/> Mittheilung): „Sie haben wohl recht, aber man trinkt ja nicht immer Wein; man<lb/> trinkt auch einmal Branntwein." So wäre denn Weimar auch die Geburtsstätte der<lb/> Schicksalstragödie, und zwar wurde das genannte erste Drama dieser Art im Gast¬<lb/> hof zum Schwan, nicht weit von Goethes Hause, von Werner geschrieben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.<lb/> Verlag von F. L. Herbig. - Druck von C. E. Elbert in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
sogar in einer Broschüre hervor. Goethe aber sprach seine Verwunderung darüber
aus, daß man auf diesen stofflichen Inhalt so viel Gewicht lege; er sehe in dem
standhaften Prinzen nur einen christlichen Regulus, an dem das so vollendet sei,
daß der Dichter die Stnndhaftigkcit im Glauben vor den Augen seines Publi¬
kums entstehen lasse, vor dessen Augen gleichsam die Märtyrerkrone zusammenflechte.
Noch andere Stücke religiösen oder biblischen Inhalts wurden Goethe zur Auf¬
führung vorgelegt, wie der „Moses" und der „Luther" Klingemanns, ein zweiter
„Luther", der im Jahre 1817 von einem Ungenannten erschien, und der „Johannes"
Krummachers; er legte sie aber bei Seite. Gewöhnlich las ihm eingesandte Novitäten
dieser Art sein Schreiber John vor, und Goethe pflegte, wenn er die Tendenz des
Poeten zu merken begann, zu sagen: „Ich rieche schon das Christenthum." Als
sein Sekretär Kräuter ihm das „Käthchen von Heilbronn", welches damals in Weimar
Viele entzückte (unter Andern Falk und Schulz) gebracht hatte und Goethe es gelesen,
sagte er: „Ein wunderbares Gemisch von Sinn und Unsinn. Die verfluchte Un¬
natur!" warf das Buch in den Ofen und setzte hinzu: „das führe ich nicht auf
und wenn es auch halb Weimar verlangte." Kräuter war erschrocken, denn er hatte
das Exemplar nur geliehen. Als Goethe durch die Aufführung von Werners „Wanda"
1808 mit dem Dichter in persönliche Berührung gekommen war und dieser, gehoben
von dem Beifall, den seine Sarmatenkönigin gefunden, die Aufführung noch andrer
seiner Stücke, wie des „Kreuzes an der Ostsee", der „Söhne des Thals" und der
„Weihe der Kraft" wünschte, zeigte Goethe sich völlig unzugänglich für die christliche
Richtung dieser Poesien. Dagcg.» rieth er Werner, Theaterstücke kleineren Umfangs
zu dichten, für welche Goethe damals eine große Vorliebe hatte. Nun traf es sich,
daß in einer Gesellschaft bei dem Herrn Geheimrath, in welcher Werner sich auch
befand, aus der Zeitung eine schauerliche Kriminalgeschichtc vorgelesen wurde, die
mit einem merkwürdigen Zusammentreffen der Jahrestage verbunden war. Diese
empfahl Goethe Warnern als einen geeigneten Stoff zu einem kleinen einaktigen
Trauerspiel. Werner ging sogleich darauf ein, und schon nach einer Woche übergab
er Goethen den „Vierundzwauzigsten Februar". Als Goethe das Stück gelesen,
hätte er die Aufführung desselben gern abgelehnt, wenigstens wollte er es anfangs
nicht vor das große Publikum bringen, sondern es nur vor einer ausgewählten
Gesellschaft und bei verschlossenen Thüren geben; doch erfolgte endlich die öffentliche
Aufführung, und zwar am 24. Februar 1810, wie Goethe es denn liebte, durch
solche beabsichtigte Zufälligkeiten das Schauerliche derartiger Producte wirksamer werden
zu lassen. Bei der ersten Aufführung sollen viele Zuschauer vor Entsetzen ganz
außer Athem gewesen sein. Die Gelehrten Weimars aber waren gleich bei der Hand,
an die Wirkung der Eumeniden in Athen zu erinnern. Der alte Wieland dagegen
war verdrießlich über das Stück und machte Goethe über die Zulassung desselben
Vorwürfe, worauf er zur Antwort erhalten haben soll (nach Schuldircctor Schubart«
Mittheilung): „Sie haben wohl recht, aber man trinkt ja nicht immer Wein; man
trinkt auch einmal Branntwein." So wäre denn Weimar auch die Geburtsstätte der
Schicksalstragödie, und zwar wurde das genannte erste Drama dieser Art im Gast¬
hof zum Schwan, nicht weit von Goethes Hause, von Werner geschrieben.
Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
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