Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Bundestag ergehen; jedoch hat sich Graf Bernsiorsf dagegen erklärt, weil
man nicht von der Voraussetzung ausgehen könne, als sei Deutschland durch
die Vorgänge in Frankreich bedroht. Sollten die Umstände sich ändern, so
wird das preußische Cabinet nicht unterlassen, sich mit den deutschen Staa¬
ten in Communication zu setzen."

Die Haltung Preußens wurde auch nicht durch die Nachrichten aus
Se. Petersburg geändert, welche meldeten, daß der Kaiser von Nußland die
Ereignisse in Paris sehr ernsthaft genommen und dem preußischen Gesandten
seine Absicht angekündigt habe, augenblicklich alle Verbindung mit Frankreich
abzubrechen, seinen Gesandten zurückzurufen u. s. f. Diese russischen An¬
schauungen zu adoptiren, fand man in Berlin keineswegs von dem Inter¬
esse Preußens geboten, und sah vielmehr die Haltung Englands für maßgebend
an, mit dem man in besonders guten Beziehungen stand, seit sich die britische
Negierung in Bezug auf die Niederlande jso ausgesprochen hatte, wie es den
preußischen Interessen zusagte. Trotzdem bereitete die gegen Ende August ziem¬
lich unerwartet angekündigte Ankunft des Grafen von Lobau, des französischen
Gesandten, der die Thronbesteigung Ludwig Philipps modificiren sollte, in
Berlin einige Verlegenheit, da man sich dadurch genöthigt sah, gleichsam die
Initiative zu ergreifen, welche -- wie unser Gewährsmann meinr -- "nicht
ganz im Charakter der preußischen Regierung oder vielmehr nicht in der Per¬
sönlichkeit des Königs liege." Anfangs dachte man daran, den Aufenthalt des
Königs in Parey bei Potsdam, wo er in der Regel Niemand sah, und die
bevorstehenden Herbstübungen der Garden dazu zu benutzen, den französischen
Abgesandten einige Zeit warten zu lassen; aber man kam doch wieder von
dieser leicht zu durchschauenden Ausflucht zurück, und noch vor Ende des Mo¬
nats wurde Graf Lobau von Friedrich Wilhelm dem Dritten empfangen.

Eine andere drohende Verlegenheit erschien nur am Horizont der politischen
Gerüchte, um sofort als bloßes Schemen erkannt zu werden. Es war die
Nachricht, als beabsichtige König Karl der Zehnte seinen künftigen Aufenthalt
zu Moritzburg in Sachsen zu nehmen, wo man denn auch von Seiten des
preußischen Hofes Pflichten der Höflichkeit zu erfüllen gehabt hätte, die leicht der
Mißdeutung fähig gewesen wären. Die sächsische Negierung erklärte auf eine
bezügliche Anfrage vertraulich, daß bis den 24. August deshalb noch kein An¬
suchen an sie gestellt worden sei. daß jedoch, wenn auch ein derartiges Gesuch
erfolgen sollte, man es in Dresden auf höfliche Weise abzulehnen gedenke.

Indessen hatte man in Wien doch nicht ganz unthätig den Wechsel der
Dinge in Frankreich beobachtet. Der Fürst Metternich gedachte bei diesem An¬
laß wieder einmal der Welt das Schauspiel einer gemeinsamen Politik der
drei Mächte der heiligen Allianz vorzuführen. Ende August machte er dem
k. preußischen und dem kais. russischen Hofe folgende drei ProPositionen:


schen Bundestag ergehen; jedoch hat sich Graf Bernsiorsf dagegen erklärt, weil
man nicht von der Voraussetzung ausgehen könne, als sei Deutschland durch
die Vorgänge in Frankreich bedroht. Sollten die Umstände sich ändern, so
wird das preußische Cabinet nicht unterlassen, sich mit den deutschen Staa¬
ten in Communication zu setzen."

Die Haltung Preußens wurde auch nicht durch die Nachrichten aus
Se. Petersburg geändert, welche meldeten, daß der Kaiser von Nußland die
Ereignisse in Paris sehr ernsthaft genommen und dem preußischen Gesandten
seine Absicht angekündigt habe, augenblicklich alle Verbindung mit Frankreich
abzubrechen, seinen Gesandten zurückzurufen u. s. f. Diese russischen An¬
schauungen zu adoptiren, fand man in Berlin keineswegs von dem Inter¬
esse Preußens geboten, und sah vielmehr die Haltung Englands für maßgebend
an, mit dem man in besonders guten Beziehungen stand, seit sich die britische
Negierung in Bezug auf die Niederlande jso ausgesprochen hatte, wie es den
preußischen Interessen zusagte. Trotzdem bereitete die gegen Ende August ziem¬
lich unerwartet angekündigte Ankunft des Grafen von Lobau, des französischen
Gesandten, der die Thronbesteigung Ludwig Philipps modificiren sollte, in
Berlin einige Verlegenheit, da man sich dadurch genöthigt sah, gleichsam die
Initiative zu ergreifen, welche — wie unser Gewährsmann meinr — „nicht
ganz im Charakter der preußischen Regierung oder vielmehr nicht in der Per¬
sönlichkeit des Königs liege." Anfangs dachte man daran, den Aufenthalt des
Königs in Parey bei Potsdam, wo er in der Regel Niemand sah, und die
bevorstehenden Herbstübungen der Garden dazu zu benutzen, den französischen
Abgesandten einige Zeit warten zu lassen; aber man kam doch wieder von
dieser leicht zu durchschauenden Ausflucht zurück, und noch vor Ende des Mo¬
nats wurde Graf Lobau von Friedrich Wilhelm dem Dritten empfangen.

Eine andere drohende Verlegenheit erschien nur am Horizont der politischen
Gerüchte, um sofort als bloßes Schemen erkannt zu werden. Es war die
Nachricht, als beabsichtige König Karl der Zehnte seinen künftigen Aufenthalt
zu Moritzburg in Sachsen zu nehmen, wo man denn auch von Seiten des
preußischen Hofes Pflichten der Höflichkeit zu erfüllen gehabt hätte, die leicht der
Mißdeutung fähig gewesen wären. Die sächsische Negierung erklärte auf eine
bezügliche Anfrage vertraulich, daß bis den 24. August deshalb noch kein An¬
suchen an sie gestellt worden sei. daß jedoch, wenn auch ein derartiges Gesuch
erfolgen sollte, man es in Dresden auf höfliche Weise abzulehnen gedenke.

Indessen hatte man in Wien doch nicht ganz unthätig den Wechsel der
Dinge in Frankreich beobachtet. Der Fürst Metternich gedachte bei diesem An¬
laß wieder einmal der Welt das Schauspiel einer gemeinsamen Politik der
drei Mächte der heiligen Allianz vorzuführen. Ende August machte er dem
k. preußischen und dem kais. russischen Hofe folgende drei ProPositionen:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283421"/>
          <p xml:id="ID_177" prev="#ID_176"> schen Bundestag ergehen; jedoch hat sich Graf Bernsiorsf dagegen erklärt, weil<lb/>
man nicht von der Voraussetzung ausgehen könne, als sei Deutschland durch<lb/>
die Vorgänge in Frankreich bedroht. Sollten die Umstände sich ändern, so<lb/>
wird das preußische Cabinet nicht unterlassen, sich mit den deutschen Staa¬<lb/>
ten in Communication zu setzen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_178"> Die Haltung Preußens wurde auch nicht durch die Nachrichten aus<lb/>
Se. Petersburg geändert, welche meldeten, daß der Kaiser von Nußland die<lb/>
Ereignisse in Paris sehr ernsthaft genommen und dem preußischen Gesandten<lb/>
seine Absicht angekündigt habe, augenblicklich alle Verbindung mit Frankreich<lb/>
abzubrechen, seinen Gesandten zurückzurufen u. s. f. Diese russischen An¬<lb/>
schauungen zu adoptiren, fand man in Berlin keineswegs von dem Inter¬<lb/>
esse Preußens geboten, und sah vielmehr die Haltung Englands für maßgebend<lb/>
an, mit dem man in besonders guten Beziehungen stand, seit sich die britische<lb/>
Negierung in Bezug auf die Niederlande jso ausgesprochen hatte, wie es den<lb/>
preußischen Interessen zusagte. Trotzdem bereitete die gegen Ende August ziem¬<lb/>
lich unerwartet angekündigte Ankunft des Grafen von Lobau, des französischen<lb/>
Gesandten, der die Thronbesteigung Ludwig Philipps modificiren sollte, in<lb/>
Berlin einige Verlegenheit, da man sich dadurch genöthigt sah, gleichsam die<lb/>
Initiative zu ergreifen, welche &#x2014; wie unser Gewährsmann meinr &#x2014; &#x201E;nicht<lb/>
ganz im Charakter der preußischen Regierung oder vielmehr nicht in der Per¬<lb/>
sönlichkeit des Königs liege." Anfangs dachte man daran, den Aufenthalt des<lb/>
Königs in Parey bei Potsdam, wo er in der Regel Niemand sah, und die<lb/>
bevorstehenden Herbstübungen der Garden dazu zu benutzen, den französischen<lb/>
Abgesandten einige Zeit warten zu lassen; aber man kam doch wieder von<lb/>
dieser leicht zu durchschauenden Ausflucht zurück, und noch vor Ende des Mo¬<lb/>
nats wurde Graf Lobau von Friedrich Wilhelm dem Dritten empfangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_179"> Eine andere drohende Verlegenheit erschien nur am Horizont der politischen<lb/>
Gerüchte, um sofort als bloßes Schemen erkannt zu werden. Es war die<lb/>
Nachricht, als beabsichtige König Karl der Zehnte seinen künftigen Aufenthalt<lb/>
zu Moritzburg in Sachsen zu nehmen, wo man denn auch von Seiten des<lb/>
preußischen Hofes Pflichten der Höflichkeit zu erfüllen gehabt hätte, die leicht der<lb/>
Mißdeutung fähig gewesen wären. Die sächsische Negierung erklärte auf eine<lb/>
bezügliche Anfrage vertraulich, daß bis den 24. August deshalb noch kein An¬<lb/>
suchen an sie gestellt worden sei. daß jedoch, wenn auch ein derartiges Gesuch<lb/>
erfolgen sollte, man es in Dresden auf höfliche Weise abzulehnen gedenke.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_180"> Indessen hatte man in Wien doch nicht ganz unthätig den Wechsel der<lb/>
Dinge in Frankreich beobachtet. Der Fürst Metternich gedachte bei diesem An¬<lb/>
laß wieder einmal der Welt das Schauspiel einer gemeinsamen Politik der<lb/>
drei Mächte der heiligen Allianz vorzuführen. Ende August machte er dem<lb/>
k. preußischen und dem kais. russischen Hofe folgende drei ProPositionen:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0068] schen Bundestag ergehen; jedoch hat sich Graf Bernsiorsf dagegen erklärt, weil man nicht von der Voraussetzung ausgehen könne, als sei Deutschland durch die Vorgänge in Frankreich bedroht. Sollten die Umstände sich ändern, so wird das preußische Cabinet nicht unterlassen, sich mit den deutschen Staa¬ ten in Communication zu setzen." Die Haltung Preußens wurde auch nicht durch die Nachrichten aus Se. Petersburg geändert, welche meldeten, daß der Kaiser von Nußland die Ereignisse in Paris sehr ernsthaft genommen und dem preußischen Gesandten seine Absicht angekündigt habe, augenblicklich alle Verbindung mit Frankreich abzubrechen, seinen Gesandten zurückzurufen u. s. f. Diese russischen An¬ schauungen zu adoptiren, fand man in Berlin keineswegs von dem Inter¬ esse Preußens geboten, und sah vielmehr die Haltung Englands für maßgebend an, mit dem man in besonders guten Beziehungen stand, seit sich die britische Negierung in Bezug auf die Niederlande jso ausgesprochen hatte, wie es den preußischen Interessen zusagte. Trotzdem bereitete die gegen Ende August ziem¬ lich unerwartet angekündigte Ankunft des Grafen von Lobau, des französischen Gesandten, der die Thronbesteigung Ludwig Philipps modificiren sollte, in Berlin einige Verlegenheit, da man sich dadurch genöthigt sah, gleichsam die Initiative zu ergreifen, welche — wie unser Gewährsmann meinr — „nicht ganz im Charakter der preußischen Regierung oder vielmehr nicht in der Per¬ sönlichkeit des Königs liege." Anfangs dachte man daran, den Aufenthalt des Königs in Parey bei Potsdam, wo er in der Regel Niemand sah, und die bevorstehenden Herbstübungen der Garden dazu zu benutzen, den französischen Abgesandten einige Zeit warten zu lassen; aber man kam doch wieder von dieser leicht zu durchschauenden Ausflucht zurück, und noch vor Ende des Mo¬ nats wurde Graf Lobau von Friedrich Wilhelm dem Dritten empfangen. Eine andere drohende Verlegenheit erschien nur am Horizont der politischen Gerüchte, um sofort als bloßes Schemen erkannt zu werden. Es war die Nachricht, als beabsichtige König Karl der Zehnte seinen künftigen Aufenthalt zu Moritzburg in Sachsen zu nehmen, wo man denn auch von Seiten des preußischen Hofes Pflichten der Höflichkeit zu erfüllen gehabt hätte, die leicht der Mißdeutung fähig gewesen wären. Die sächsische Negierung erklärte auf eine bezügliche Anfrage vertraulich, daß bis den 24. August deshalb noch kein An¬ suchen an sie gestellt worden sei. daß jedoch, wenn auch ein derartiges Gesuch erfolgen sollte, man es in Dresden auf höfliche Weise abzulehnen gedenke. Indessen hatte man in Wien doch nicht ganz unthätig den Wechsel der Dinge in Frankreich beobachtet. Der Fürst Metternich gedachte bei diesem An¬ laß wieder einmal der Welt das Schauspiel einer gemeinsamen Politik der drei Mächte der heiligen Allianz vorzuführen. Ende August machte er dem k. preußischen und dem kais. russischen Hofe folgende drei ProPositionen:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/68
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/68>, abgerufen am 15.01.2025.