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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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aber nicht das geringste Tröpfchen Verrath aus mir herauskommen. Was nun
machen? Laufen lassen konnte mich der hohe Gerichtshof doch nicht gleich!
Das wäre ja allen k. k, Autoritäten ein Schlag ins Gesicht gewesen. Also
zurück "ins Criminal". aber doch in eine bessere Zelle für mich allein, mit an¬
ständigerer Behandlung und etwas freierer Bewegung. Aber noch fernere vier
Wochen sollte ich der Freiheit entbehren. Zwar bemühten sich meine Geschäfts¬
freunde und andere wohlwollende Leute eifrigst, mich loszumachen, mein
Haus, das von meinem Schicksale genauer unterrichtet worden war, wandte
sich an die höchsten Behörden -- aber nein, die Furcht vor der längst be¬
wältigten Jnsurrection wirkte noch so nach, daß die Behörde mich erst
am 18. April in Freiheit setzte, natürlich ohne sich bei mir wegen ihres
unerhörten Verfahrens zu entschuldigen. Keineswegs wurde mir aber beim
Austritt aus dem Gefängniß mein Eigenthum sofort übergeben. Ich hatte
den ganzen Tag hindurch bis zum 19. Abends von Pontius zu Pilatus zu
laufen, ehe ich das Geld und mein Portefeuille nach Abzug eines beträchtlichen
Kostgeldes zurückerhielt. Meine andern Sachen sah ich niemals wieder. Erst
am 20. April konnte ich nach Jaroslaw abfahren, um mein inzwischen gren¬
zenlos verfallenes Geschäft wieder aufzunehmen, über dessen Zustand ich
schweige.

Aber meine Geschichte hat noch ein Nachspiel. Der geneigte Leser kann
wohl denken, daß ich nicht mit den friedfertigsten Gefühlen dem galizischen Ge¬
fängniß den Rücken kehrte. Ich wandte mich an das preußische Ministerium, an
die östreichische Regierung und besonders an den damaligen preußischen Gesandten
in Wien, einen Herrn v. Arnim, um Genugthuung. Letzterem stellte ich vor,
was ich erlitten, wie schändlich ich von der östreichischen Behörde behandelt
worden und was für Verluste mein Geschäft infolge dessen noch täglich erfahre.
Er möchte die Gewogenheit haben, die östreichische Negierung zu einer Ehren¬
erklärung Md zur Vergütung gewisser pecuniärer Beschädigungen anzuhalten,
worunter ich nur die Ausgaben verstand, die ich gemacht hatte, ohne sie ver¬
werthen zu können.

Die Antwort, die ich von dem Herrn Gesandten empfing, war sehr denkwürdig.
Herr v. Arnim gab mir eine solche, welche zeigte, daß ein preußischer Gesandter
damals viel Wichtigeres zu thun hatte, als sich für das Wohl preußischer Staats-
bürger im Auslande zu interessiren. Er habe keine Veranlassung, erwiderte
der gnädige Herr, sich in diese Angelegenheiten zu mischen, bedauere mein
Schicksal, eine Entschädigung auszuwirken sei unmöglich, und ich solle über¬
haupt zufrieden sein, daß ich mit dem Leben davongekommen!

Sicherlich hatte der vornehme Diplomat keine Vorstellung von so
untergeordneten Dingen wie der polnische Holzhandel für D-">z>g 'se. -- so
Wenig wie die preußische Regierung von der handelspol'""^" Wichtigkeit, die


aber nicht das geringste Tröpfchen Verrath aus mir herauskommen. Was nun
machen? Laufen lassen konnte mich der hohe Gerichtshof doch nicht gleich!
Das wäre ja allen k. k, Autoritäten ein Schlag ins Gesicht gewesen. Also
zurück „ins Criminal". aber doch in eine bessere Zelle für mich allein, mit an¬
ständigerer Behandlung und etwas freierer Bewegung. Aber noch fernere vier
Wochen sollte ich der Freiheit entbehren. Zwar bemühten sich meine Geschäfts¬
freunde und andere wohlwollende Leute eifrigst, mich loszumachen, mein
Haus, das von meinem Schicksale genauer unterrichtet worden war, wandte
sich an die höchsten Behörden — aber nein, die Furcht vor der längst be¬
wältigten Jnsurrection wirkte noch so nach, daß die Behörde mich erst
am 18. April in Freiheit setzte, natürlich ohne sich bei mir wegen ihres
unerhörten Verfahrens zu entschuldigen. Keineswegs wurde mir aber beim
Austritt aus dem Gefängniß mein Eigenthum sofort übergeben. Ich hatte
den ganzen Tag hindurch bis zum 19. Abends von Pontius zu Pilatus zu
laufen, ehe ich das Geld und mein Portefeuille nach Abzug eines beträchtlichen
Kostgeldes zurückerhielt. Meine andern Sachen sah ich niemals wieder. Erst
am 20. April konnte ich nach Jaroslaw abfahren, um mein inzwischen gren¬
zenlos verfallenes Geschäft wieder aufzunehmen, über dessen Zustand ich
schweige.

Aber meine Geschichte hat noch ein Nachspiel. Der geneigte Leser kann
wohl denken, daß ich nicht mit den friedfertigsten Gefühlen dem galizischen Ge¬
fängniß den Rücken kehrte. Ich wandte mich an das preußische Ministerium, an
die östreichische Regierung und besonders an den damaligen preußischen Gesandten
in Wien, einen Herrn v. Arnim, um Genugthuung. Letzterem stellte ich vor,
was ich erlitten, wie schändlich ich von der östreichischen Behörde behandelt
worden und was für Verluste mein Geschäft infolge dessen noch täglich erfahre.
Er möchte die Gewogenheit haben, die östreichische Negierung zu einer Ehren¬
erklärung Md zur Vergütung gewisser pecuniärer Beschädigungen anzuhalten,
worunter ich nur die Ausgaben verstand, die ich gemacht hatte, ohne sie ver¬
werthen zu können.

Die Antwort, die ich von dem Herrn Gesandten empfing, war sehr denkwürdig.
Herr v. Arnim gab mir eine solche, welche zeigte, daß ein preußischer Gesandter
damals viel Wichtigeres zu thun hatte, als sich für das Wohl preußischer Staats-
bürger im Auslande zu interessiren. Er habe keine Veranlassung, erwiderte
der gnädige Herr, sich in diese Angelegenheiten zu mischen, bedauere mein
Schicksal, eine Entschädigung auszuwirken sei unmöglich, und ich solle über¬
haupt zufrieden sein, daß ich mit dem Leben davongekommen!

Sicherlich hatte der vornehme Diplomat keine Vorstellung von so
untergeordneten Dingen wie der polnische Holzhandel für D-">z>g 'se. — so
Wenig wie die preußische Regierung von der handelspol'"«^" Wichtigkeit, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/63>, abgerufen am 15.01.2025.