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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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die Berathung über denselben sei bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt worden
und der Kaiser habe "eine bestimmte Formulnung der beabsichtigten Amende-
ments anempfohlen".

Dann arbeitet die Berathung oder vielleicht richtiger die Bejahung weiter,
und Artikel 4 wird von sämmtlichen Teilnehmern der Versammlung ange¬
nommen, auch Baden ist diesmal im Ganzen einverstanden und behält sich nur
einzelne Bemerkungen zu demselben vor. Schließlich wird vereinbart, die Be¬
rathung der Artikel 3, 5 und 6 auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung
zu setzen. Also doch ein Anfang zu einer Art parlamentarischen Verfahrens
und nebenher ein kleiner Triumph Badens, freilich ein sehr kleiner.

Die vierte Sitzung brachte zu Anfang die ganz entschieden gegen die
beiden Ziele des oben analysirten östreichischen Promemorias gerichtete Erklärung
des Prinzen Heinrich der Niederlande, daß er alles blos retvrövüum neh¬
men müsse, "gerade wie die freien Städte". Dann rief die Frage über die
Besetzung des Directoriums wieder eine höchst charakteristische Debatte hervor,
die in der fünften Sitzung fortgesetzt wurde, und bei der es sehr lebhaft zuge¬
gangen sein muß. Natürlich, denn es handelte sich hier ja, die Würde und
Bedeutung der Particularstaaten zu wahren. Vor diesem Bewußtsein war das
Einfachste und Sachgemäßeste, was Baden andeutete, für die Fortdauer eines
föderativem Zustandes in Deutschland einen aus Oestreich und Preußen zusam¬
mengesetzten Executivausschuß an die Spitze zu stellen, eine Unmöglichkeit. Da¬
gegen fand es dasselbe ganz in der Ordnung, wenn die beiden Großmächte je
einen Repräsentanten, die mittleren und kleinen Mächte aber vier oder gar fünf
bekamen. Besonders ernst nahm man es mit der Art und Weise, wie diese
letzteren gewählt werden sollten, und die Sache wurde zum förmlichen Rang¬
streit. Eine Menge von Aenderungsvorschlägen kam zum Vorschein, ein Redner
nach dem andern erhob sich, um sein Licht leuchten zu lassen und sein gutes
Recht zu wahren, und bisweilen scheint man fast heftiger geworden zu sein,
als die Etikette erlaubt.

Wir können die Debatte nicht im Einzelnen verfolgen, aber einige Proben
daraus zu geben dürfen wir nicht unterlassen.

Der Herzog von Nassau hat einen Antrag gestellt, welcher nur die Klein¬
heit des Großherzogthums Mecklenburg-Strelitz, nicht aber zugleich die wichtige
Thatsache berücksichtigt, daß dessen Landesherr den Titel einer Königlichen
Hoheit führt. Sofort erhebt sich der letztere, um -- man darf wohl annehmen,
mit sittlicher Entrüstung -- die Erklärung abzugeben, "daß die Rücksichten auf
die besondere Stellung Seines großherzoglichen Hauses und auf dessen enge
gleichberechtigte Verbindung mit dem verwandten Hause von Mecklenburg-
Schwerin es Ihm völlig verbieten müßten, auf den Vorschlag S. H. des Her¬
zogs von Nassau, der Ihn in eine andere Kategorie als Seinen Herrn Vetter


die Berathung über denselben sei bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt worden
und der Kaiser habe „eine bestimmte Formulnung der beabsichtigten Amende-
ments anempfohlen".

Dann arbeitet die Berathung oder vielleicht richtiger die Bejahung weiter,
und Artikel 4 wird von sämmtlichen Teilnehmern der Versammlung ange¬
nommen, auch Baden ist diesmal im Ganzen einverstanden und behält sich nur
einzelne Bemerkungen zu demselben vor. Schließlich wird vereinbart, die Be¬
rathung der Artikel 3, 5 und 6 auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung
zu setzen. Also doch ein Anfang zu einer Art parlamentarischen Verfahrens
und nebenher ein kleiner Triumph Badens, freilich ein sehr kleiner.

Die vierte Sitzung brachte zu Anfang die ganz entschieden gegen die
beiden Ziele des oben analysirten östreichischen Promemorias gerichtete Erklärung
des Prinzen Heinrich der Niederlande, daß er alles blos retvrövüum neh¬
men müsse, „gerade wie die freien Städte". Dann rief die Frage über die
Besetzung des Directoriums wieder eine höchst charakteristische Debatte hervor,
die in der fünften Sitzung fortgesetzt wurde, und bei der es sehr lebhaft zuge¬
gangen sein muß. Natürlich, denn es handelte sich hier ja, die Würde und
Bedeutung der Particularstaaten zu wahren. Vor diesem Bewußtsein war das
Einfachste und Sachgemäßeste, was Baden andeutete, für die Fortdauer eines
föderativem Zustandes in Deutschland einen aus Oestreich und Preußen zusam¬
mengesetzten Executivausschuß an die Spitze zu stellen, eine Unmöglichkeit. Da¬
gegen fand es dasselbe ganz in der Ordnung, wenn die beiden Großmächte je
einen Repräsentanten, die mittleren und kleinen Mächte aber vier oder gar fünf
bekamen. Besonders ernst nahm man es mit der Art und Weise, wie diese
letzteren gewählt werden sollten, und die Sache wurde zum förmlichen Rang¬
streit. Eine Menge von Aenderungsvorschlägen kam zum Vorschein, ein Redner
nach dem andern erhob sich, um sein Licht leuchten zu lassen und sein gutes
Recht zu wahren, und bisweilen scheint man fast heftiger geworden zu sein,
als die Etikette erlaubt.

Wir können die Debatte nicht im Einzelnen verfolgen, aber einige Proben
daraus zu geben dürfen wir nicht unterlassen.

Der Herzog von Nassau hat einen Antrag gestellt, welcher nur die Klein¬
heit des Großherzogthums Mecklenburg-Strelitz, nicht aber zugleich die wichtige
Thatsache berücksichtigt, daß dessen Landesherr den Titel einer Königlichen
Hoheit führt. Sofort erhebt sich der letztere, um — man darf wohl annehmen,
mit sittlicher Entrüstung — die Erklärung abzugeben, „daß die Rücksichten auf
die besondere Stellung Seines großherzoglichen Hauses und auf dessen enge
gleichberechtigte Verbindung mit dem verwandten Hause von Mecklenburg-
Schwerin es Ihm völlig verbieten müßten, auf den Vorschlag S. H. des Her¬
zogs von Nassau, der Ihn in eine andere Kategorie als Seinen Herrn Vetter


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[0609] die Berathung über denselben sei bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt worden und der Kaiser habe „eine bestimmte Formulnung der beabsichtigten Amende- ments anempfohlen". Dann arbeitet die Berathung oder vielleicht richtiger die Bejahung weiter, und Artikel 4 wird von sämmtlichen Teilnehmern der Versammlung ange¬ nommen, auch Baden ist diesmal im Ganzen einverstanden und behält sich nur einzelne Bemerkungen zu demselben vor. Schließlich wird vereinbart, die Be¬ rathung der Artikel 3, 5 und 6 auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Also doch ein Anfang zu einer Art parlamentarischen Verfahrens und nebenher ein kleiner Triumph Badens, freilich ein sehr kleiner. Die vierte Sitzung brachte zu Anfang die ganz entschieden gegen die beiden Ziele des oben analysirten östreichischen Promemorias gerichtete Erklärung des Prinzen Heinrich der Niederlande, daß er alles blos retvrövüum neh¬ men müsse, „gerade wie die freien Städte". Dann rief die Frage über die Besetzung des Directoriums wieder eine höchst charakteristische Debatte hervor, die in der fünften Sitzung fortgesetzt wurde, und bei der es sehr lebhaft zuge¬ gangen sein muß. Natürlich, denn es handelte sich hier ja, die Würde und Bedeutung der Particularstaaten zu wahren. Vor diesem Bewußtsein war das Einfachste und Sachgemäßeste, was Baden andeutete, für die Fortdauer eines föderativem Zustandes in Deutschland einen aus Oestreich und Preußen zusam¬ mengesetzten Executivausschuß an die Spitze zu stellen, eine Unmöglichkeit. Da¬ gegen fand es dasselbe ganz in der Ordnung, wenn die beiden Großmächte je einen Repräsentanten, die mittleren und kleinen Mächte aber vier oder gar fünf bekamen. Besonders ernst nahm man es mit der Art und Weise, wie diese letzteren gewählt werden sollten, und die Sache wurde zum förmlichen Rang¬ streit. Eine Menge von Aenderungsvorschlägen kam zum Vorschein, ein Redner nach dem andern erhob sich, um sein Licht leuchten zu lassen und sein gutes Recht zu wahren, und bisweilen scheint man fast heftiger geworden zu sein, als die Etikette erlaubt. Wir können die Debatte nicht im Einzelnen verfolgen, aber einige Proben daraus zu geben dürfen wir nicht unterlassen. Der Herzog von Nassau hat einen Antrag gestellt, welcher nur die Klein¬ heit des Großherzogthums Mecklenburg-Strelitz, nicht aber zugleich die wichtige Thatsache berücksichtigt, daß dessen Landesherr den Titel einer Königlichen Hoheit führt. Sofort erhebt sich der letztere, um — man darf wohl annehmen, mit sittlicher Entrüstung — die Erklärung abzugeben, „daß die Rücksichten auf die besondere Stellung Seines großherzoglichen Hauses und auf dessen enge gleichberechtigte Verbindung mit dem verwandten Hause von Mecklenburg- Schwerin es Ihm völlig verbieten müßten, auf den Vorschlag S. H. des Her¬ zogs von Nassau, der Ihn in eine andere Kategorie als Seinen Herrn Vetter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/609>, abgerufen am 15.01.2025.