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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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welchen nicht bei Prüfung der Aenderungsvorschläge ein anderweitiges Ein¬
verständnis) zu Stande käme, bei der Fassung des östreichischen Entwurfs zur
Neformacte sein Bewenden behalte, nicht weiter, dagegen hielt er den zweiten
fest, der dahin ging, daß die Hauptbestimmungen des Entwurfs, besonders die
im Promemoria genannten, von den Souveränen ihrem Wortlaut nach unab¬
änderlich festgestellt würden, so daß auch die Minister an die von den Fürsten
genehmigten Artikel "streng gebunden" wären.

Die Könige von Bayern, Sachsen und Hannover, sowie der Kronprinz
von Würtemberg erklärten, den Ansichten des Kaisers vollkommen beizupflichten.
Dagegen erhob der Großherzog von Baden die schon in seiner Beantwortung
des östreichischen Promemoria enthalten gewesene und in der That wichtige
Frage, auf welche Art denn die Versammlung jene Bestimmungen feststellen,
ob man förmlich abstimmen wolle, und ob dazu nicht eine Geschäftsordnung
gehöre. Dies gab zu einer ziemlich lebhaften und sehr charakteristischen Debatte
Veranlassung. Der König von Sachsen bemerkt, da es anerkanntermaßen auf
die freie Zustimmung Aller ankomme, so könnten die Stimmen der Einzelnen
allerdings nur diese selbst verpflichten, indeß müsse man doch trachten von Punkt
zu Punkt zu einem EinVerständniß zu gelangen, an welches der ganze Kreis
sich gebunden halten würde. -- Aber wie, fragt der Großherzog von Baden,
wenn sich bei der Stimmgebung Meinungsverschiedenheit herausstellte? -- Nun,
dann würde, erwidert der König, der streitige Punkt nochmals zwischen Ma¬
jorität und Minorität verhandelt werden müssen, doch wäre es un¬
streitig gut, wenn man übereinkommen wolle, wenigstens in minder bedeutenden
Dingen sich dem Ausspruch der Majorität zu fügen. Er seinestheils sei dazu
bereit. Die Herzöge von Braunschweig und Nassau erklären dieselbe Bereit¬
willigkeit, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin dagegen hält es für be¬
denklich, sich im Voraus zur Anerkennung der Meinung der Majorität zu ver¬
pflichten, und der König von Hannover fragt, "ob S. K. Sächsische Majestät
(denn etwa gar, glauben wir zwischen den Zeilen lesen zu dürfen) einen be¬
stimmten Antrag wegen Entscheidung durch Majorität zu stellen beabsichtigen",
was gedachte Majestät indeß verneint.

Die Frage Badens hat die hohe Versammlung offenbar in Verlegenheit
gesetzt. Zwar eilt der Herzog von Koburg-Gotha mit dem Vorschlag zu Hilfe,
sofort mit Berathung des Artikels 2 "den praktischen Versuch zu machen";
"stelle sich ein EinVerständniß nicht heraus, so werde es immer noch an der
Zeit sein, die Formen des weiteren Verfahrens zu erwägen"; aber in dem
Protokoll ist nicht zu finden, daß darauf eingegangen worden. Vielmehr fragte
der Kaiser zunächst, ob jemand sich noch über die Methode des Verfahrens zu
erklären habe, worauf der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin den Antrag
stellte, die Konferenz wolle beschließen, "daß aus der Billigung der einzelnen


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welchen nicht bei Prüfung der Aenderungsvorschläge ein anderweitiges Ein¬
verständnis) zu Stande käme, bei der Fassung des östreichischen Entwurfs zur
Neformacte sein Bewenden behalte, nicht weiter, dagegen hielt er den zweiten
fest, der dahin ging, daß die Hauptbestimmungen des Entwurfs, besonders die
im Promemoria genannten, von den Souveränen ihrem Wortlaut nach unab¬
änderlich festgestellt würden, so daß auch die Minister an die von den Fürsten
genehmigten Artikel „streng gebunden" wären.

Die Könige von Bayern, Sachsen und Hannover, sowie der Kronprinz
von Würtemberg erklärten, den Ansichten des Kaisers vollkommen beizupflichten.
Dagegen erhob der Großherzog von Baden die schon in seiner Beantwortung
des östreichischen Promemoria enthalten gewesene und in der That wichtige
Frage, auf welche Art denn die Versammlung jene Bestimmungen feststellen,
ob man förmlich abstimmen wolle, und ob dazu nicht eine Geschäftsordnung
gehöre. Dies gab zu einer ziemlich lebhaften und sehr charakteristischen Debatte
Veranlassung. Der König von Sachsen bemerkt, da es anerkanntermaßen auf
die freie Zustimmung Aller ankomme, so könnten die Stimmen der Einzelnen
allerdings nur diese selbst verpflichten, indeß müsse man doch trachten von Punkt
zu Punkt zu einem EinVerständniß zu gelangen, an welches der ganze Kreis
sich gebunden halten würde. — Aber wie, fragt der Großherzog von Baden,
wenn sich bei der Stimmgebung Meinungsverschiedenheit herausstellte? — Nun,
dann würde, erwidert der König, der streitige Punkt nochmals zwischen Ma¬
jorität und Minorität verhandelt werden müssen, doch wäre es un¬
streitig gut, wenn man übereinkommen wolle, wenigstens in minder bedeutenden
Dingen sich dem Ausspruch der Majorität zu fügen. Er seinestheils sei dazu
bereit. Die Herzöge von Braunschweig und Nassau erklären dieselbe Bereit¬
willigkeit, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin dagegen hält es für be¬
denklich, sich im Voraus zur Anerkennung der Meinung der Majorität zu ver¬
pflichten, und der König von Hannover fragt, „ob S. K. Sächsische Majestät
(denn etwa gar, glauben wir zwischen den Zeilen lesen zu dürfen) einen be¬
stimmten Antrag wegen Entscheidung durch Majorität zu stellen beabsichtigen",
was gedachte Majestät indeß verneint.

Die Frage Badens hat die hohe Versammlung offenbar in Verlegenheit
gesetzt. Zwar eilt der Herzog von Koburg-Gotha mit dem Vorschlag zu Hilfe,
sofort mit Berathung des Artikels 2 „den praktischen Versuch zu machen";
„stelle sich ein EinVerständniß nicht heraus, so werde es immer noch an der
Zeit sein, die Formen des weiteren Verfahrens zu erwägen"; aber in dem
Protokoll ist nicht zu finden, daß darauf eingegangen worden. Vielmehr fragte
der Kaiser zunächst, ob jemand sich noch über die Methode des Verfahrens zu
erklären habe, worauf der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin den Antrag
stellte, die Konferenz wolle beschließen, „daß aus der Billigung der einzelnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/607>, abgerufen am 15.01.2025.