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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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tigkeiten zwischen Vundesglicdern am Ende mit den Waffen ausgeglichen werden
müßten, gegen den 11. Artikel der Bundesacte, der dies untersage und vor¬
schreibe, daß Bundesglieder ihre Streitigkeiten bei der Bundesversammlung an¬
zubringen hätten. Alle diese Gründe machten auf den Grafen keinen Eindruck.
Er behauptete fortwährend, in solchen Fällen sei nach Ansicht des preußischen
Hofes die Bundesversammlung incompetent. Als man weiter anführte, daß die
Annahme dieses Satzes die Auflösung des Bundes zur nothwendigen Folge
haben müßte, daß bei Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern die Bundesver¬
sammlung über ihre Competenz zu erkennen, nicht aber der Angeklagte (wie es
der Graf für die Fälle verlange, wo ein Bundesglied gegen Preußen Beschwerde
zu führen aus andern Titeln als der Bundesacte in der Lage sein sollte) darüber
zu entscheiden habe, ob die Sache vor den Bund gehöre oder nicht -- war der
Graf dennoch nicht dazu zu bewegen, seine Ansicht zu berichtigen. Er blieb
Mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit bei seiner Behauptung stehen, daß Preußen als
unabhängiger europäischer Staat in solchen Fällen betrachtet werden müsse und
dieses nicht aufgeben könne."

Metternich war diese ganze Discussion sehr unbequem, er gab sich alle
Mühe, die aufgeregten Gemüther zu beschwichtigen, redete von Mißverständnissen,
suchte zu berichtigen und zu vermitteln, und da weiterer Streit zu nichts führen
konnte, so ließ man endlich die Sache auf sich beruhen.

, Während dieses leidenschaftlichen Wortwechsels hatte Hach, der Vertreter
der freien Städte eine andere Fassung des vierten Artikels der Ausschußvorlage
entworfen, die, von Metternich Bernstorff vorgelegt, von diesem bis auf einen
Ausdruck gutgeheißen wurde. Wiederholt erfolgte dann die Umfrage, ob man
die Angelegenheit auf sich beruhen oder auf dem Bundestag verhandeln lassen
wolle. Man verschob den Beschluß auf die nächste Sitzung, in welcher Oestreich
über den Verkehr mit Lebensmitteln sich aussprechen werde. Dies geschah am
13. Mai, indem Metternich anzeigte, daß alle östreichischen Behörden sich für
Freigebung dieses Verkehrs geäußert, daß man aber erst noch die Entschließung
des nach Prag verreisten Kaisers einholen müsse. Derselbe werde sich indeß
gewiß beifällig erklären. Am 20. war der an den Kaiser deshalb geschickte Courier
noch nicht zurück, und die letzte Plenarsitzung, 24. Mai, verging, ohne daß die
^wartete Antwort eingetroffen wäre. Wer jedoch nach Schluß der Konferenzen
den Kaiser Franz in Prag sah, vernahm, daß Se. Majestät noch Bedenken ge-
tragen, sich für den freien Verkehr mit Lebensmitteln wegen der Verhältnisse
in Ungarn auszusprechen. Die einzige damals mögliche Erleichterung des
deutschen wirthschaftlichen Lebens wor durch Oestreich hintertrieben. Es war
^r Betreff der Handels- und Verkehrsfrage auf den Konferenzen gar nichts er¬
reicht worden. Natürlich trug Preußen die Schuld, das böse, hartnäckige, un-
patriotische Preußen; denn die Kleinigkeit, die Oestreich nicht zugestehen wollte,


tigkeiten zwischen Vundesglicdern am Ende mit den Waffen ausgeglichen werden
müßten, gegen den 11. Artikel der Bundesacte, der dies untersage und vor¬
schreibe, daß Bundesglieder ihre Streitigkeiten bei der Bundesversammlung an¬
zubringen hätten. Alle diese Gründe machten auf den Grafen keinen Eindruck.
Er behauptete fortwährend, in solchen Fällen sei nach Ansicht des preußischen
Hofes die Bundesversammlung incompetent. Als man weiter anführte, daß die
Annahme dieses Satzes die Auflösung des Bundes zur nothwendigen Folge
haben müßte, daß bei Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern die Bundesver¬
sammlung über ihre Competenz zu erkennen, nicht aber der Angeklagte (wie es
der Graf für die Fälle verlange, wo ein Bundesglied gegen Preußen Beschwerde
zu führen aus andern Titeln als der Bundesacte in der Lage sein sollte) darüber
zu entscheiden habe, ob die Sache vor den Bund gehöre oder nicht — war der
Graf dennoch nicht dazu zu bewegen, seine Ansicht zu berichtigen. Er blieb
Mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit bei seiner Behauptung stehen, daß Preußen als
unabhängiger europäischer Staat in solchen Fällen betrachtet werden müsse und
dieses nicht aufgeben könne."

Metternich war diese ganze Discussion sehr unbequem, er gab sich alle
Mühe, die aufgeregten Gemüther zu beschwichtigen, redete von Mißverständnissen,
suchte zu berichtigen und zu vermitteln, und da weiterer Streit zu nichts führen
konnte, so ließ man endlich die Sache auf sich beruhen.

, Während dieses leidenschaftlichen Wortwechsels hatte Hach, der Vertreter
der freien Städte eine andere Fassung des vierten Artikels der Ausschußvorlage
entworfen, die, von Metternich Bernstorff vorgelegt, von diesem bis auf einen
Ausdruck gutgeheißen wurde. Wiederholt erfolgte dann die Umfrage, ob man
die Angelegenheit auf sich beruhen oder auf dem Bundestag verhandeln lassen
wolle. Man verschob den Beschluß auf die nächste Sitzung, in welcher Oestreich
über den Verkehr mit Lebensmitteln sich aussprechen werde. Dies geschah am
13. Mai, indem Metternich anzeigte, daß alle östreichischen Behörden sich für
Freigebung dieses Verkehrs geäußert, daß man aber erst noch die Entschließung
des nach Prag verreisten Kaisers einholen müsse. Derselbe werde sich indeß
gewiß beifällig erklären. Am 20. war der an den Kaiser deshalb geschickte Courier
noch nicht zurück, und die letzte Plenarsitzung, 24. Mai, verging, ohne daß die
^wartete Antwort eingetroffen wäre. Wer jedoch nach Schluß der Konferenzen
den Kaiser Franz in Prag sah, vernahm, daß Se. Majestät noch Bedenken ge-
tragen, sich für den freien Verkehr mit Lebensmitteln wegen der Verhältnisse
in Ungarn auszusprechen. Die einzige damals mögliche Erleichterung des
deutschen wirthschaftlichen Lebens wor durch Oestreich hintertrieben. Es war
^r Betreff der Handels- und Verkehrsfrage auf den Konferenzen gar nichts er¬
reicht worden. Natürlich trug Preußen die Schuld, das böse, hartnäckige, un-
patriotische Preußen; denn die Kleinigkeit, die Oestreich nicht zugestehen wollte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/525>, abgerufen am 15.01.2025.