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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Prophet so ganz abhängig von dem Willen seiner Freunde, noch zeigte er sich,
wo er seinen besondern Intentionen folgte, als ungeschickten Staatsmann.

Ein Beispiel ist der Friedensschluß von Hodaybiya. der nach Sprengers
Ansicht ein Mißgriff gewesen wäre, nach den von Sprenger mitgetheilten That¬
sachen aber vielmehr eine sehr zweckmäßige Maßregel war. und der von Mo¬
hammad gegen den Wunsch und Rath seiner Umgebung durchgesetzt wurde.
Namentlich Omar war ganz entschieden gegen diesen Vertrag mit den Koray-
schiten. der seinem ungestümen, energischen Wesen viel weniger zusagen mußte,
als der stets zu Compromissen hinneigenden Natur des Propheten. Dieser aber
blieb fest und sah sich bald durch glänzende Erfolge belohnt. "Wer aber in
einer so überaus wichtigen Sache selbständig handelt/' sagt Rottele treffend,
"der wird auch sonst in Staatsangelegenheiten nicht ohne Willen gewesen sem."

Ein anderes Beispiel ist das Verfahren des Propheten bei Gewinnung
der Koravschiten und der ferner von Malta und Madyna wohnenden Araber¬
stämme für seine Lehre. Auch hier müssen wir auf die Seite Nöldekes treten,
wenn er meint. Mohammad habe wenigstens nicht vollständig den harten Tadel
Verdient, den Sprenger gegen ihn ausspricht, weil er sich mit einer blos ober¬
flächlichen Bekehrung und Unterwerfung jener Stämme begnügt habe, statt seine
Feinde zu zermalmen, einen Tadel, den der Biograph durch den allgemeinen
Abfall der Genannten nach Mohammads Tode erhärtet. "In manchen Fällen."
sagt Rottele hier, "mag Sprenger Recht haben, aber im Allgemeinen war vom
Standpunkte des Propheten die Annahme der Unterwerfung, wenn sie auch
"ur äußerlich war. gewiß das Zweckmäßigste. Mit dem Zermalmen hätte es
AUte Wege gehabt. Hätte er nicht so manchen Häuptling und so manchen
Stamm zunächst durch ihre weltlichen Interessen a" sich und seine Religion
fesselt, so hätten seine Nachfolger die Aufstände nimmermehr unterdrücken
können. Man bedenke, was aus dem Islam geworden wäre, wenn er bei der
Einnahme von Malta den Abu Sufjan und die andern Aristokraten hätte hin-
"edlen lassen, wenn er alle die Führer der großen Nedschdstämme auch nur rauh
^gewiesen hätte, welche sich ihm mit halbem Glauben oder aus bloßem Eigen-
"Utz nahten: spätestens bei seinem Tode wäre der Islam auf Medina und ein
paar Nachbarstämme beschränkt gewesen. Nur durch dieses Zuvorkommen des.
Propheten war es möglich, daß der Glaube selbst in den Herzen weiteutfernter
Stämme Wurzel faßte." Nur durch die Hilfe vieler Treugebliebenen wurde es
"o'such, die Abgefallenen zu besiegen und wieder unter die Fahne des Islam
zwingen. Allerdings war jene Politik des Propheten mehr klug als heilg.
""d für die Religion hat sie keine guten Früchte getragen. Aber um d>ehe
handelt es sich hier ja nicht.

Uebrigens trifft der Tadel Sprengers in diesem Fall. sofern er überhaupt
^echtigt ist. nickt Mohammad allein; denn Abu Bakr und selbst Omar


Prophet so ganz abhängig von dem Willen seiner Freunde, noch zeigte er sich,
wo er seinen besondern Intentionen folgte, als ungeschickten Staatsmann.

Ein Beispiel ist der Friedensschluß von Hodaybiya. der nach Sprengers
Ansicht ein Mißgriff gewesen wäre, nach den von Sprenger mitgetheilten That¬
sachen aber vielmehr eine sehr zweckmäßige Maßregel war. und der von Mo¬
hammad gegen den Wunsch und Rath seiner Umgebung durchgesetzt wurde.
Namentlich Omar war ganz entschieden gegen diesen Vertrag mit den Koray-
schiten. der seinem ungestümen, energischen Wesen viel weniger zusagen mußte,
als der stets zu Compromissen hinneigenden Natur des Propheten. Dieser aber
blieb fest und sah sich bald durch glänzende Erfolge belohnt. „Wer aber in
einer so überaus wichtigen Sache selbständig handelt/' sagt Rottele treffend,
»der wird auch sonst in Staatsangelegenheiten nicht ohne Willen gewesen sem."

Ein anderes Beispiel ist das Verfahren des Propheten bei Gewinnung
der Koravschiten und der ferner von Malta und Madyna wohnenden Araber¬
stämme für seine Lehre. Auch hier müssen wir auf die Seite Nöldekes treten,
wenn er meint. Mohammad habe wenigstens nicht vollständig den harten Tadel
Verdient, den Sprenger gegen ihn ausspricht, weil er sich mit einer blos ober¬
flächlichen Bekehrung und Unterwerfung jener Stämme begnügt habe, statt seine
Feinde zu zermalmen, einen Tadel, den der Biograph durch den allgemeinen
Abfall der Genannten nach Mohammads Tode erhärtet. „In manchen Fällen."
sagt Rottele hier, „mag Sprenger Recht haben, aber im Allgemeinen war vom
Standpunkte des Propheten die Annahme der Unterwerfung, wenn sie auch
"ur äußerlich war. gewiß das Zweckmäßigste. Mit dem Zermalmen hätte es
AUte Wege gehabt. Hätte er nicht so manchen Häuptling und so manchen
Stamm zunächst durch ihre weltlichen Interessen a» sich und seine Religion
fesselt, so hätten seine Nachfolger die Aufstände nimmermehr unterdrücken
können. Man bedenke, was aus dem Islam geworden wäre, wenn er bei der
Einnahme von Malta den Abu Sufjan und die andern Aristokraten hätte hin-
"edlen lassen, wenn er alle die Führer der großen Nedschdstämme auch nur rauh
^gewiesen hätte, welche sich ihm mit halbem Glauben oder aus bloßem Eigen-
"Utz nahten: spätestens bei seinem Tode wäre der Islam auf Medina und ein
paar Nachbarstämme beschränkt gewesen. Nur durch dieses Zuvorkommen des.
Propheten war es möglich, daß der Glaube selbst in den Herzen weiteutfernter
Stämme Wurzel faßte." Nur durch die Hilfe vieler Treugebliebenen wurde es
"o'such, die Abgefallenen zu besiegen und wieder unter die Fahne des Islam
zwingen. Allerdings war jene Politik des Propheten mehr klug als heilg.
""d für die Religion hat sie keine guten Früchte getragen. Aber um d>ehe
handelt es sich hier ja nicht.

Uebrigens trifft der Tadel Sprengers in diesem Fall. sofern er überhaupt
^echtigt ist. nickt Mohammad allein; denn Abu Bakr und selbst Omar


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[0497] Prophet so ganz abhängig von dem Willen seiner Freunde, noch zeigte er sich, wo er seinen besondern Intentionen folgte, als ungeschickten Staatsmann. Ein Beispiel ist der Friedensschluß von Hodaybiya. der nach Sprengers Ansicht ein Mißgriff gewesen wäre, nach den von Sprenger mitgetheilten That¬ sachen aber vielmehr eine sehr zweckmäßige Maßregel war. und der von Mo¬ hammad gegen den Wunsch und Rath seiner Umgebung durchgesetzt wurde. Namentlich Omar war ganz entschieden gegen diesen Vertrag mit den Koray- schiten. der seinem ungestümen, energischen Wesen viel weniger zusagen mußte, als der stets zu Compromissen hinneigenden Natur des Propheten. Dieser aber blieb fest und sah sich bald durch glänzende Erfolge belohnt. „Wer aber in einer so überaus wichtigen Sache selbständig handelt/' sagt Rottele treffend, »der wird auch sonst in Staatsangelegenheiten nicht ohne Willen gewesen sem." Ein anderes Beispiel ist das Verfahren des Propheten bei Gewinnung der Koravschiten und der ferner von Malta und Madyna wohnenden Araber¬ stämme für seine Lehre. Auch hier müssen wir auf die Seite Nöldekes treten, wenn er meint. Mohammad habe wenigstens nicht vollständig den harten Tadel Verdient, den Sprenger gegen ihn ausspricht, weil er sich mit einer blos ober¬ flächlichen Bekehrung und Unterwerfung jener Stämme begnügt habe, statt seine Feinde zu zermalmen, einen Tadel, den der Biograph durch den allgemeinen Abfall der Genannten nach Mohammads Tode erhärtet. „In manchen Fällen." sagt Rottele hier, „mag Sprenger Recht haben, aber im Allgemeinen war vom Standpunkte des Propheten die Annahme der Unterwerfung, wenn sie auch "ur äußerlich war. gewiß das Zweckmäßigste. Mit dem Zermalmen hätte es AUte Wege gehabt. Hätte er nicht so manchen Häuptling und so manchen Stamm zunächst durch ihre weltlichen Interessen a» sich und seine Religion fesselt, so hätten seine Nachfolger die Aufstände nimmermehr unterdrücken können. Man bedenke, was aus dem Islam geworden wäre, wenn er bei der Einnahme von Malta den Abu Sufjan und die andern Aristokraten hätte hin- "edlen lassen, wenn er alle die Führer der großen Nedschdstämme auch nur rauh ^gewiesen hätte, welche sich ihm mit halbem Glauben oder aus bloßem Eigen- "Utz nahten: spätestens bei seinem Tode wäre der Islam auf Medina und ein paar Nachbarstämme beschränkt gewesen. Nur durch dieses Zuvorkommen des. Propheten war es möglich, daß der Glaube selbst in den Herzen weiteutfernter Stämme Wurzel faßte." Nur durch die Hilfe vieler Treugebliebenen wurde es "o'such, die Abgefallenen zu besiegen und wieder unter die Fahne des Islam zwingen. Allerdings war jene Politik des Propheten mehr klug als heilg. ""d für die Religion hat sie keine guten Früchte getragen. Aber um d>ehe handelt es sich hier ja nicht. Uebrigens trifft der Tadel Sprengers in diesem Fall. sofern er überhaupt ^echtigt ist. nickt Mohammad allein; denn Abu Bakr und selbst Omar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/497>, abgerufen am 15.01.2025.