Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Wir sind mit Herrn Forchhammer zu Ende: auch nicht ein neuer Gedanke! Wir sind mit Herrn Forchhammer zu Ende: auch nicht ein neuer Gedanke! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283603"/> <p xml:id="ID_687" next="#ID_688"> Wir sind mit Herrn Forchhammer zu Ende: auch nicht ein neuer Gedanke!<lb/> mit schulmeisterlicher Unbeholfenheit werden die hundertmal gehörten Phrasen<lb/> wiedergekäut, über das Ganze ist von dem heidnischen Panegvriker das Salböl<lb/> einer affectirter Frömmelei ausgegossen, zu einer wissenschaftlichen Begrün¬<lb/> dung der Parteidogmen ist kaum ein schwacher Anlauf genommen, und wo<lb/> das geschieht, zeigt sich die ärgste Flüchtigkeit. Der Festredner scheint keine<lb/> Ahnung davon zu haben, daß der städtische Staat des Alterthums etwas von<lb/> dem modernen gänzlich Verschiedenes ist und Lehren des Aristoteles auf diesen<lb/> nicht ohne Weiteres anwendbar sind, und da, wo er seinen Abscheu über Mac-<lb/> chiavelli ausspricht, verräth er völlige Unkenntnis) der neueren Forschungen. In.<lb/> Kürze, es ist ein Skandal, wie er in den Annalen der deutschen Hochschulen<lb/> lange nicht dagewesen ist. In den Zeitungen ist berichtet und bis jetzt nicht<lb/> widerlegt worden, daß die akademische Feier des 6. Juli durchaus ein Staats¬<lb/> streich des dermaligen Rectors Prof. Behn gewesen ist. Möglich, daß sich da¬<lb/> durch die unglückliche Einseitigkeit in der Wahl des Festredners erklärt; im¬<lb/> merhin hat die kieler Universität durch Gutheißung des Drucks der Rede den<lb/> krassen Parteistandpunkt derselben gut geheißen, und damit alle die bitter ent¬<lb/> täuscht, die nach dem patriotischen Verhalten derselben im November 1863<lb/> sich eines Besseren von ihr versehen hatten. Als die Universität damals<lb/> für das Recht der Augustenburger eintrat, glaubten wohl die Meisten in<lb/> Deutschland, daß man in Kiel sich dieses Mediums bediente, um die viel höhe¬<lb/> ren Zwecke, die Losreißung der Herzogthümer von Dänemark und die Gewin¬<lb/> nung ihrer reichen Hilfsquellen für Deutschland, zu erreichen; und als dann<lb/> die Losreißung von Dänemark auf ganz anderem Wege bewirkt worden war,<lb/> achtete man es, daß die Universität das Medium nicht fallen ließ. Jetzt aber,<lb/> wo das Medium, das sich zur Erfüllung des einen Zweckes als untauglich er¬<lb/> wiesen hatte, thut, was in seinen Kräften steht, um die Erreichung des andern<lb/> Zwecks zu vereiteln, jetzt das Medium in solchen Bestrebungen eifrigst unter¬<lb/> stützen, heißt das sich selbst treu bleiben? Man begreift, daß Männer, die<lb/> dem Herzog in der Zeit der Krise nahe getreten sind, jetzt nicht gegen ihn<lb/> auftreten mögen. War aber in solcher Lage Schweigen nicht das der Univer¬<lb/> sität einzig Würdige? Im augustenburgischen Lager gilt es jetzt, gegen Preu¬<lb/> ßen zu Hetzen, mit Oestreich und allen Preußen feindlichen Bestrebungen zu<lb/> kokettiren, die zu Preußen Hinneigenden zu verlästern, die der Hinneigung Ver¬<lb/> dächtigen bange zu machen. Die Räthe des Herzogs begnügen sich längst<lb/> nicht mehr, Ansprachen, die von Injurien gegen Preußen wimmeln, huldreichst<lb/> entgegenzunehmen: in öffentlicher Versammlung bekommt man von ihnen selbst<lb/> in officiellen Reden, abgesehen von den unvermeidlichen Ausfällen gegen die<lb/> Arroganz der nationalen, die plumpsten Angriffe auf die preußischen Kron¬<lb/> juristen u. dergl. zu hören. Wenn dieses Abbrechen der Brücken zu einer Ve»</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
Wir sind mit Herrn Forchhammer zu Ende: auch nicht ein neuer Gedanke!
mit schulmeisterlicher Unbeholfenheit werden die hundertmal gehörten Phrasen
wiedergekäut, über das Ganze ist von dem heidnischen Panegvriker das Salböl
einer affectirter Frömmelei ausgegossen, zu einer wissenschaftlichen Begrün¬
dung der Parteidogmen ist kaum ein schwacher Anlauf genommen, und wo
das geschieht, zeigt sich die ärgste Flüchtigkeit. Der Festredner scheint keine
Ahnung davon zu haben, daß der städtische Staat des Alterthums etwas von
dem modernen gänzlich Verschiedenes ist und Lehren des Aristoteles auf diesen
nicht ohne Weiteres anwendbar sind, und da, wo er seinen Abscheu über Mac-
chiavelli ausspricht, verräth er völlige Unkenntnis) der neueren Forschungen. In.
Kürze, es ist ein Skandal, wie er in den Annalen der deutschen Hochschulen
lange nicht dagewesen ist. In den Zeitungen ist berichtet und bis jetzt nicht
widerlegt worden, daß die akademische Feier des 6. Juli durchaus ein Staats¬
streich des dermaligen Rectors Prof. Behn gewesen ist. Möglich, daß sich da¬
durch die unglückliche Einseitigkeit in der Wahl des Festredners erklärt; im¬
merhin hat die kieler Universität durch Gutheißung des Drucks der Rede den
krassen Parteistandpunkt derselben gut geheißen, und damit alle die bitter ent¬
täuscht, die nach dem patriotischen Verhalten derselben im November 1863
sich eines Besseren von ihr versehen hatten. Als die Universität damals
für das Recht der Augustenburger eintrat, glaubten wohl die Meisten in
Deutschland, daß man in Kiel sich dieses Mediums bediente, um die viel höhe¬
ren Zwecke, die Losreißung der Herzogthümer von Dänemark und die Gewin¬
nung ihrer reichen Hilfsquellen für Deutschland, zu erreichen; und als dann
die Losreißung von Dänemark auf ganz anderem Wege bewirkt worden war,
achtete man es, daß die Universität das Medium nicht fallen ließ. Jetzt aber,
wo das Medium, das sich zur Erfüllung des einen Zweckes als untauglich er¬
wiesen hatte, thut, was in seinen Kräften steht, um die Erreichung des andern
Zwecks zu vereiteln, jetzt das Medium in solchen Bestrebungen eifrigst unter¬
stützen, heißt das sich selbst treu bleiben? Man begreift, daß Männer, die
dem Herzog in der Zeit der Krise nahe getreten sind, jetzt nicht gegen ihn
auftreten mögen. War aber in solcher Lage Schweigen nicht das der Univer¬
sität einzig Würdige? Im augustenburgischen Lager gilt es jetzt, gegen Preu¬
ßen zu Hetzen, mit Oestreich und allen Preußen feindlichen Bestrebungen zu
kokettiren, die zu Preußen Hinneigenden zu verlästern, die der Hinneigung Ver¬
dächtigen bange zu machen. Die Räthe des Herzogs begnügen sich längst
nicht mehr, Ansprachen, die von Injurien gegen Preußen wimmeln, huldreichst
entgegenzunehmen: in öffentlicher Versammlung bekommt man von ihnen selbst
in officiellen Reden, abgesehen von den unvermeidlichen Ausfällen gegen die
Arroganz der nationalen, die plumpsten Angriffe auf die preußischen Kron¬
juristen u. dergl. zu hören. Wenn dieses Abbrechen der Brücken zu einer Ve»
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |