Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Auch die Bischöfe von Trient und Brixen suchten ihr Heil bei Ferdinand. Der Es ist begreiflich, daß gerade in Mitte dieser Bedrängnisse Bürger und Der erste Verkünder dieser Lehre war hier Dr. Jakob Strauß, ein Mönch Auch die Bischöfe von Trient und Brixen suchten ihr Heil bei Ferdinand. Der Es ist begreiflich, daß gerade in Mitte dieser Bedrängnisse Bürger und Der erste Verkünder dieser Lehre war hier Dr. Jakob Strauß, ein Mönch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283516"/> <p xml:id="ID_490" prev="#ID_489"> Auch die Bischöfe von Trient und Brixen suchten ihr Heil bei Ferdinand. Der<lb/> erstere, Leonhard v. Clef, hatte in seinem Stift schlecht gehaust und hoffte,<lb/> der Fürst werde ihn wieder „ergötzen", der letztere. Sebastian Sperantius<lb/> hatte als ein vom Kaiser aufgedrungener Fremder niederer Herkunft sein ganzes<lb/> Kapitel und den Adel zu Feinden und war daher nicht minder auf die Unter-<lb/> stützung des Hofes angewiesen. Dieser Zwiespalt der Höhergestellten theilte sich<lb/> auch den Abgeordneten der Städte und Gerichte mit und machte es erklärlich,<lb/> daß man eine so beträchtliche Steuer bewilligte, wie bisher auf einmal noch<lb/> gar nicht gefordert worden. „Salamanca ist Herzog," berichtete der Agent<lb/> Reichartshofen am 17. Juni 1S23 dem Herzog Ludwig von Bayern, „und<lb/> wahrlich richtet er jetzo auf seine Hochzeit einen großen Pracht und Pomp, als<lb/> wär er selbst ein Herzog." Als er diese Ende Juli mit einer Gräfin von Eber-<lb/> stein feierte, schenkte ihm der Erzherzog 7000 si., Fugger die Herrschaft Ehren-<lb/> berg und 1000 Mark Silber, Sammt, Seide und goldene Stoffe kamen in<lb/> Menge aus Venedig und Augsburg, aus allen Plätzen und Gärten gab es<lb/> Turniere, so wie in den Häusern Tänze. Die Steuer, die mit 160 si. auf jede<lb/> Feuerstätte gelegt wurde, ging spärlich ein, die Bauern wollten vorher ver¬<lb/> sichert sein, daß sie gegen ihr altes gutes Herkommen nicht beschwert würden.<lb/> Viel Aufsehen machte die wider alles Recht vorgenommene Einziehung des<lb/> Ritters Michael von Neuhaus, der das Schloß Tolmezzo nicht herausgab, weil<lb/> er dafür Brief und Siegel hatte, ein so rechtswidriges Vorgehen ließ noch<lb/> fernere Gewaltstreiche fürchten.</p><lb/> <p xml:id="ID_491"> Es ist begreiflich, daß gerade in Mitte dieser Bedrängnisse Bürger und<lb/> Bauern sich freudig einer Tröstung Hingaben, die ihnen von religiöser Seite<lb/> geboten wurde. Im Jahre 1621 verbreitete sich auch in Tirol der Ruf von<lb/> den Predigten und Schriften Luthers und dessen Auftreten aus dem Reichstage<lb/> zu Worms. Weit größeren Anklang fanden aber in diesen Bergen die Grund¬<lb/> sätze Thomas Münzers und seiner Genossen, die unter „christlicher Freiheit"<lb/> nicht nur eine geistige Wiedergeburt, sondern auch und zwar noch viel mehr<lb/> die Erlösung von irdischen Lasten verstanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_492" next="#ID_493"> Der erste Verkünder dieser Lehre war hier Dr. Jakob Strauß, ein Mönch<lb/> aus Bertholdsgaden, der 1621 in Hall erschien und damit begann, daß er<lb/> den dortigen Geistlichen das Evangelium Mathäi lateinisch vorlas. Bald fing<lb/> er auch öffentlich zu predigen an, wobei der Zudrang des Volkes so groß war,<lb/> daß die aus den umliegenden Dörfern zuströmende Menge keine Kirche mehr<lb/> fassen wollte, man trug die Kanzel auf den Platz oder in den Stadtgarten.<lb/> Sein angenehmer und beredter Bortrag, der die Mißbräuche der Geistlichen<lb/> schonungslos aufdeckte, mußte um so mehr anziehen, als dem Klerus jener<lb/> Zeit die Predigt über dem mechanischen Ceremoniendienst fast abhanden ge¬<lb/> kommen war. Als der Bauer nun vollends die Zinsen von Darleihen als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Auch die Bischöfe von Trient und Brixen suchten ihr Heil bei Ferdinand. Der
erstere, Leonhard v. Clef, hatte in seinem Stift schlecht gehaust und hoffte,
der Fürst werde ihn wieder „ergötzen", der letztere. Sebastian Sperantius
hatte als ein vom Kaiser aufgedrungener Fremder niederer Herkunft sein ganzes
Kapitel und den Adel zu Feinden und war daher nicht minder auf die Unter-
stützung des Hofes angewiesen. Dieser Zwiespalt der Höhergestellten theilte sich
auch den Abgeordneten der Städte und Gerichte mit und machte es erklärlich,
daß man eine so beträchtliche Steuer bewilligte, wie bisher auf einmal noch
gar nicht gefordert worden. „Salamanca ist Herzog," berichtete der Agent
Reichartshofen am 17. Juni 1S23 dem Herzog Ludwig von Bayern, „und
wahrlich richtet er jetzo auf seine Hochzeit einen großen Pracht und Pomp, als
wär er selbst ein Herzog." Als er diese Ende Juli mit einer Gräfin von Eber-
stein feierte, schenkte ihm der Erzherzog 7000 si., Fugger die Herrschaft Ehren-
berg und 1000 Mark Silber, Sammt, Seide und goldene Stoffe kamen in
Menge aus Venedig und Augsburg, aus allen Plätzen und Gärten gab es
Turniere, so wie in den Häusern Tänze. Die Steuer, die mit 160 si. auf jede
Feuerstätte gelegt wurde, ging spärlich ein, die Bauern wollten vorher ver¬
sichert sein, daß sie gegen ihr altes gutes Herkommen nicht beschwert würden.
Viel Aufsehen machte die wider alles Recht vorgenommene Einziehung des
Ritters Michael von Neuhaus, der das Schloß Tolmezzo nicht herausgab, weil
er dafür Brief und Siegel hatte, ein so rechtswidriges Vorgehen ließ noch
fernere Gewaltstreiche fürchten.
Es ist begreiflich, daß gerade in Mitte dieser Bedrängnisse Bürger und
Bauern sich freudig einer Tröstung Hingaben, die ihnen von religiöser Seite
geboten wurde. Im Jahre 1621 verbreitete sich auch in Tirol der Ruf von
den Predigten und Schriften Luthers und dessen Auftreten aus dem Reichstage
zu Worms. Weit größeren Anklang fanden aber in diesen Bergen die Grund¬
sätze Thomas Münzers und seiner Genossen, die unter „christlicher Freiheit"
nicht nur eine geistige Wiedergeburt, sondern auch und zwar noch viel mehr
die Erlösung von irdischen Lasten verstanden.
Der erste Verkünder dieser Lehre war hier Dr. Jakob Strauß, ein Mönch
aus Bertholdsgaden, der 1621 in Hall erschien und damit begann, daß er
den dortigen Geistlichen das Evangelium Mathäi lateinisch vorlas. Bald fing
er auch öffentlich zu predigen an, wobei der Zudrang des Volkes so groß war,
daß die aus den umliegenden Dörfern zuströmende Menge keine Kirche mehr
fassen wollte, man trug die Kanzel auf den Platz oder in den Stadtgarten.
Sein angenehmer und beredter Bortrag, der die Mißbräuche der Geistlichen
schonungslos aufdeckte, mußte um so mehr anziehen, als dem Klerus jener
Zeit die Predigt über dem mechanischen Ceremoniendienst fast abhanden ge¬
kommen war. Als der Bauer nun vollends die Zinsen von Darleihen als
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