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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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er sofort eine mehr oder minder ofsiciöse Meute um sich, die seinen Entschluß
in der unsaubersten Weise verdächtigt, seinen Privatcharakter angreift, ihn mit
Bierschenkenspäßen lächerlich zu machen sucht und ihm wo möglich den gewohnten
Erwerb und Verkehr abzuschneiden bestrebt ist. In der Stadt Schleswig wird
gegen die Wiederwahl des Abgeordneten Petersen agitirt und der bekannte
Heiberg poussnt. weil jener national denkt, dieser eifrig augustenburgisch und
Vertrauter Halbhubers ist. Nicht sobald hatte der Ständedeputirte Dient von
Elmshorn sich unsrer Partei angeschlossen, als ihn erst die Stadt Wilster, dann
ein Theil der Wähler von Elmshorn zur Niederlegung seines Maubads auf¬
forderte. Bald daraus verlautete, daß dasselbe Manöver mit dem Justizrath
Rötger, dem zweiten unserm Programm beigetretenen Ständemitgiiede, vor¬
genommen werden sollte, und wenn das noch nicht geschehen ist, so liegt die
Ursache gewiß nicht an dem Willen und der Rührigkeit der Herren, welche die
Masse commandiren und für ihre Pläne aufmarschiren lassen. Noch lehrreicher
ist der Fall mit Advocat Rathlev in Kiel, dem vor einigen Tagen von der"
altonacr Feuerversicherungsgesellschaft die Agentur für dieselbe entzogen wurde.
Gründe waren nicht angegeben und konnten nicht wohl angegeben werden;
denn solche, die man hätte nennen dürfen, Nachlässigkeit in der Führung der
Geschäfte etwa, waren nicht vorhanden, zu dem eigentlichen Grund aber, der
darin lag, daß Rathlev die bekannte scheel-plessensche Avresse unterschrieben, daß
Interessenten der Direction die Alternative: entweder ihren Austritt oder Ent¬
lassung des Annexionisten gestellt, und daß die Direction die Schwäche gehabt,
der Drohung nachzugeben, konnte man sich doch nicht wohl bekennen. Andere
Ränke dieser Art ließen sich noch manche mittheilen, es mag aber mit den an¬
geführten genug sein; sie werden hinreichend klar machen, daß man in der
That einigen Muth besitzen muß, wenn man es unternimmt, gegen die von
der kieler Agitationsmühle getriebene Strömung zu schwimmen.

Stocke diese Strömung, die in einer Menge von Kanälen durch das Land
geht und in den Kampfgenossenvereinen sowie in den Schleswig-holsteinischen
Vereinen ihre weiteren Triebwerke hat, an irgendeiner Stelle einmal, wird nach
Kiel von überhandnehmender Beruhigung der Gemüther oder gar von Symp¬
tomen des Nachdenkens und der Erkenntniß berichtet, so geht so rasch wie
möglich in der Person eines ergebenen Advocaten oder Schulmeisters ein Re¬
gulator nach dem bedrohten Punkte ab, der den Betreffenden in einer Ver¬
sammlung (wie neulich in Angeln und dann in Flensburg) die Köpfe zurecht¬
setzt, das Salböl echter Holstentreue darüber ausgießt und so die alte Einfalt
wiederherstellt.

Nicht verschwiegen darf werden, daß auch manche Maßregeln der preu¬
ßischen Politik beigetragen haben, wenn es mit der jöffentlichen Meinung
bei uns nicht recht vorwärts will. Die Sendung des Prinzen Hohenlohe nach


er sofort eine mehr oder minder ofsiciöse Meute um sich, die seinen Entschluß
in der unsaubersten Weise verdächtigt, seinen Privatcharakter angreift, ihn mit
Bierschenkenspäßen lächerlich zu machen sucht und ihm wo möglich den gewohnten
Erwerb und Verkehr abzuschneiden bestrebt ist. In der Stadt Schleswig wird
gegen die Wiederwahl des Abgeordneten Petersen agitirt und der bekannte
Heiberg poussnt. weil jener national denkt, dieser eifrig augustenburgisch und
Vertrauter Halbhubers ist. Nicht sobald hatte der Ständedeputirte Dient von
Elmshorn sich unsrer Partei angeschlossen, als ihn erst die Stadt Wilster, dann
ein Theil der Wähler von Elmshorn zur Niederlegung seines Maubads auf¬
forderte. Bald daraus verlautete, daß dasselbe Manöver mit dem Justizrath
Rötger, dem zweiten unserm Programm beigetretenen Ständemitgiiede, vor¬
genommen werden sollte, und wenn das noch nicht geschehen ist, so liegt die
Ursache gewiß nicht an dem Willen und der Rührigkeit der Herren, welche die
Masse commandiren und für ihre Pläne aufmarschiren lassen. Noch lehrreicher
ist der Fall mit Advocat Rathlev in Kiel, dem vor einigen Tagen von der"
altonacr Feuerversicherungsgesellschaft die Agentur für dieselbe entzogen wurde.
Gründe waren nicht angegeben und konnten nicht wohl angegeben werden;
denn solche, die man hätte nennen dürfen, Nachlässigkeit in der Führung der
Geschäfte etwa, waren nicht vorhanden, zu dem eigentlichen Grund aber, der
darin lag, daß Rathlev die bekannte scheel-plessensche Avresse unterschrieben, daß
Interessenten der Direction die Alternative: entweder ihren Austritt oder Ent¬
lassung des Annexionisten gestellt, und daß die Direction die Schwäche gehabt,
der Drohung nachzugeben, konnte man sich doch nicht wohl bekennen. Andere
Ränke dieser Art ließen sich noch manche mittheilen, es mag aber mit den an¬
geführten genug sein; sie werden hinreichend klar machen, daß man in der
That einigen Muth besitzen muß, wenn man es unternimmt, gegen die von
der kieler Agitationsmühle getriebene Strömung zu schwimmen.

Stocke diese Strömung, die in einer Menge von Kanälen durch das Land
geht und in den Kampfgenossenvereinen sowie in den Schleswig-holsteinischen
Vereinen ihre weiteren Triebwerke hat, an irgendeiner Stelle einmal, wird nach
Kiel von überhandnehmender Beruhigung der Gemüther oder gar von Symp¬
tomen des Nachdenkens und der Erkenntniß berichtet, so geht so rasch wie
möglich in der Person eines ergebenen Advocaten oder Schulmeisters ein Re¬
gulator nach dem bedrohten Punkte ab, der den Betreffenden in einer Ver¬
sammlung (wie neulich in Angeln und dann in Flensburg) die Köpfe zurecht¬
setzt, das Salböl echter Holstentreue darüber ausgießt und so die alte Einfalt
wiederherstellt.

Nicht verschwiegen darf werden, daß auch manche Maßregeln der preu¬
ßischen Politik beigetragen haben, wenn es mit der jöffentlichen Meinung
bei uns nicht recht vorwärts will. Die Sendung des Prinzen Hohenlohe nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/121>, abgerufen am 15.01.2025.