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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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und ihren Mitgliedern volle Freiheit der Meinungsäußerung gesichert war.
Aus denen der Gegenwart nennen wir:

Die herrische v. 26. Mai 1818, Art. 27: Kein Mitglied der Kammer kann
für die Stimme, welche es in der Kammer selbst geführt hat, anders als in
Folge der Geschäftsordnung durch die Versammlung selbst zur Rede gestellt
werden. '

Die von Sacksen-Meiningen v. 1823, Art. 99: Die Abgeordneten können
wegen ihrer Aeußerungen in der Ständeversannnlung nicht zur gerichtlichen
Rechenschaft gezogen werden. Dem Landtage liegt aber ob, unanständige und
verfassungswidrige Ausdrücke und Erklärungen zu verhüten und zu rügen.

Die Luxemburgs v. 9. Juli 1848. Art. 69: Kein Abgeordneter kann
wegen der von ihm in Ausübung seines Berufs geäußerten Meinungen
oder wegen seiner Abstimmungen belangt oder zur Rechenschaft gezogen
werden.

Die preußische v. 31. Januar 1850, Art. 78: Die Kammer regelt ihren
Geschäftsgang und ihre Disciplin durch eine Geschäftsordnung, Art. 84: Die
Mitglieder der Kammer können für ihre Abstimmung in der Kammer niemals,
für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der Kammer auf
Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft gezogen werden.

Diesen gegenüber beschränken einige deutsche Verfassungen die Rede¬
freiheit der Volksvertreter und halten letztere außerhalb des Bereiches der Kam¬
mer für verantwortlich, nämlich

die von Würtemberg v. 1819 K. 185 wegen Verleumdungen oder Belei¬
digungen der Negierung, Ständeversammlung oder einzelner Personen.

die von Hessen-Darmstadt v. 1820 §. 3 wegen Verleumdungen,
die von Kurhessen v. 1831 §. 87 wegen beleidigter Privatehre.

die von Hannover v. 1833 §. 10 und 1848 §. 53. 54 wegen Aeuße¬
rungen Hochverrätherischen Inhalts, Beleidigungen und Verleumdungen von In¬
dividuen,

die von Weimar v. 1816 §. 68 und 1850 §. 18 wegen jeder Veru".
Klimpfung der höchsten Person des Landesfürsten oder einer Beleidigung der
Regierung des Landtags oder Einzelner,

und in ähnlicher Weise die Verfassungen von Waldeck v. 1816, Sachsen
V. 1831 §, 83. Braunschweig v. 1832 §. 134, Nassau V. 1849 §. 62. Olden¬
burg v. 1849 Art. 148.

Ein merkwürdiges Versehen gegen die Geschichte, gegen Staatsrecht und
Politik beginge derjenige, welcher auf Grund der im engen und engsten Kreise
wirkenden Verfassungen dieser ganz eigenthümlich emporgewachsenen und
gestalteten Länder und Ländchen die oben dargelegten Sätze von der un¬
beschränkten Redefreiheit der Volksvertreter als aufgehoben oder doch nur als


und ihren Mitgliedern volle Freiheit der Meinungsäußerung gesichert war.
Aus denen der Gegenwart nennen wir:

Die herrische v. 26. Mai 1818, Art. 27: Kein Mitglied der Kammer kann
für die Stimme, welche es in der Kammer selbst geführt hat, anders als in
Folge der Geschäftsordnung durch die Versammlung selbst zur Rede gestellt
werden. '

Die von Sacksen-Meiningen v. 1823, Art. 99: Die Abgeordneten können
wegen ihrer Aeußerungen in der Ständeversannnlung nicht zur gerichtlichen
Rechenschaft gezogen werden. Dem Landtage liegt aber ob, unanständige und
verfassungswidrige Ausdrücke und Erklärungen zu verhüten und zu rügen.

Die Luxemburgs v. 9. Juli 1848. Art. 69: Kein Abgeordneter kann
wegen der von ihm in Ausübung seines Berufs geäußerten Meinungen
oder wegen seiner Abstimmungen belangt oder zur Rechenschaft gezogen
werden.

Die preußische v. 31. Januar 1850, Art. 78: Die Kammer regelt ihren
Geschäftsgang und ihre Disciplin durch eine Geschäftsordnung, Art. 84: Die
Mitglieder der Kammer können für ihre Abstimmung in der Kammer niemals,
für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der Kammer auf
Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft gezogen werden.

Diesen gegenüber beschränken einige deutsche Verfassungen die Rede¬
freiheit der Volksvertreter und halten letztere außerhalb des Bereiches der Kam¬
mer für verantwortlich, nämlich

die von Würtemberg v. 1819 K. 185 wegen Verleumdungen oder Belei¬
digungen der Negierung, Ständeversammlung oder einzelner Personen.

die von Hessen-Darmstadt v. 1820 §. 3 wegen Verleumdungen,
die von Kurhessen v. 1831 §. 87 wegen beleidigter Privatehre.

die von Hannover v. 1833 §. 10 und 1848 §. 53. 54 wegen Aeuße¬
rungen Hochverrätherischen Inhalts, Beleidigungen und Verleumdungen von In¬
dividuen,

die von Weimar v. 1816 §. 68 und 1850 §. 18 wegen jeder Veru».
Klimpfung der höchsten Person des Landesfürsten oder einer Beleidigung der
Regierung des Landtags oder Einzelner,

und in ähnlicher Weise die Verfassungen von Waldeck v. 1816, Sachsen
V. 1831 §, 83. Braunschweig v. 1832 §. 134, Nassau V. 1849 §. 62. Olden¬
burg v. 1849 Art. 148.

Ein merkwürdiges Versehen gegen die Geschichte, gegen Staatsrecht und
Politik beginge derjenige, welcher auf Grund der im engen und engsten Kreise
wirkenden Verfassungen dieser ganz eigenthümlich emporgewachsenen und
gestalteten Länder und Ländchen die oben dargelegten Sätze von der un¬
beschränkten Redefreiheit der Volksvertreter als aufgehoben oder doch nur als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/111>, abgerufen am 15.01.2025.