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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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witterten Schriftzüge hervorzuholen weiß, in denen der einzelne kleine Mann
mit dürftigen Worten berichtet, wie er lebte und was seine Ehre, sein Glück
und Leiden war.

Darum wäre gut, wenn Hr. Theodor Mommsen die Geschichte der Kai-
serzeit für uns schriebe. Seine römische Geschichte war die große Arbeit eines
genialen Mannes, die Kaisergeschichte aber vermöchte unter den Zeitgenossen,
welche wir kennen. Niemand so zur Freude und Ehre deutscher Wissenschaft zu
schreiben, als gerade er.




Die Untersuchmtgshast in Preußen.

Wie Griechenland für Philosophie und Kunst. Rom für das Privatrecht,
so ist England für das öffentliche Recht und dessen naturgemäße Entwicklung
das Muster der Erdenvölker. Nach den fundamentalen Reformen Cromwells
pflückte hier das Volk im dreißigsten Regierungsjahre Karls des Zweiten eine
der wichtigsten Früchte seiner Kämpfe, die Acte: "zur Sicherung der Freiheit
der Unterthanen und zur Verhütung der Einsperrung in überseeische Gefängnisse",
die bahnbrechende, nachkommenreiche Habcas-Corpus-Acte, welche vornehmlich
die Zeit für Begründung einer Haft und für gerichtliche Vernehmung oder
Entlassung eines Verhafteten unter delaillirter Strafe der Zuwiderhand¬
lungen kürzte.

Uns setzte erst der Sturm von 1848 unvorbereitet in die Lage, ein ähn¬
liches Gesetz zu erwerben. Seit der Regierungsvorlage vom 20. Mai 1848
(§ 5.) bildete sich unter wesentlichster Mitwirkung von Waldeck, theilweise auch
von Reichensperger, der heutige Artikel 5 unsrer Verfassungsurkunde: "Die
persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter
welchen eine Beschränkung derselben, insbesondere eine Verhaftung zulässig ist,
werden durch das Gesetz bestimmt." Die Einschaltung "insbesondere eine Ver¬
haftung" soll darauf hinweisen, daß nicht blos die gerichtliche Verhaftung, son¬
dern auch die polizeiliche Verwahrung, ja diese vorzugsweise in der Beschrän¬
kung der persönlichen Freiheit gemeint und durch ein Gesetz zu regeln sei.
Auf alle Militairpersonen findet indeß der Art. S nur so weit Anwendung, als


witterten Schriftzüge hervorzuholen weiß, in denen der einzelne kleine Mann
mit dürftigen Worten berichtet, wie er lebte und was seine Ehre, sein Glück
und Leiden war.

Darum wäre gut, wenn Hr. Theodor Mommsen die Geschichte der Kai-
serzeit für uns schriebe. Seine römische Geschichte war die große Arbeit eines
genialen Mannes, die Kaisergeschichte aber vermöchte unter den Zeitgenossen,
welche wir kennen. Niemand so zur Freude und Ehre deutscher Wissenschaft zu
schreiben, als gerade er.




Die Untersuchmtgshast in Preußen.

Wie Griechenland für Philosophie und Kunst. Rom für das Privatrecht,
so ist England für das öffentliche Recht und dessen naturgemäße Entwicklung
das Muster der Erdenvölker. Nach den fundamentalen Reformen Cromwells
pflückte hier das Volk im dreißigsten Regierungsjahre Karls des Zweiten eine
der wichtigsten Früchte seiner Kämpfe, die Acte: „zur Sicherung der Freiheit
der Unterthanen und zur Verhütung der Einsperrung in überseeische Gefängnisse",
die bahnbrechende, nachkommenreiche Habcas-Corpus-Acte, welche vornehmlich
die Zeit für Begründung einer Haft und für gerichtliche Vernehmung oder
Entlassung eines Verhafteten unter delaillirter Strafe der Zuwiderhand¬
lungen kürzte.

Uns setzte erst der Sturm von 1848 unvorbereitet in die Lage, ein ähn¬
liches Gesetz zu erwerben. Seit der Regierungsvorlage vom 20. Mai 1848
(§ 5.) bildete sich unter wesentlichster Mitwirkung von Waldeck, theilweise auch
von Reichensperger, der heutige Artikel 5 unsrer Verfassungsurkunde: „Die
persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter
welchen eine Beschränkung derselben, insbesondere eine Verhaftung zulässig ist,
werden durch das Gesetz bestimmt." Die Einschaltung „insbesondere eine Ver¬
haftung" soll darauf hinweisen, daß nicht blos die gerichtliche Verhaftung, son¬
dern auch die polizeiliche Verwahrung, ja diese vorzugsweise in der Beschrän¬
kung der persönlichen Freiheit gemeint und durch ein Gesetz zu regeln sei.
Auf alle Militairpersonen findet indeß der Art. S nur so weit Anwendung, als


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[0077] witterten Schriftzüge hervorzuholen weiß, in denen der einzelne kleine Mann mit dürftigen Worten berichtet, wie er lebte und was seine Ehre, sein Glück und Leiden war. Darum wäre gut, wenn Hr. Theodor Mommsen die Geschichte der Kai- serzeit für uns schriebe. Seine römische Geschichte war die große Arbeit eines genialen Mannes, die Kaisergeschichte aber vermöchte unter den Zeitgenossen, welche wir kennen. Niemand so zur Freude und Ehre deutscher Wissenschaft zu schreiben, als gerade er. Die Untersuchmtgshast in Preußen. Wie Griechenland für Philosophie und Kunst. Rom für das Privatrecht, so ist England für das öffentliche Recht und dessen naturgemäße Entwicklung das Muster der Erdenvölker. Nach den fundamentalen Reformen Cromwells pflückte hier das Volk im dreißigsten Regierungsjahre Karls des Zweiten eine der wichtigsten Früchte seiner Kämpfe, die Acte: „zur Sicherung der Freiheit der Unterthanen und zur Verhütung der Einsperrung in überseeische Gefängnisse", die bahnbrechende, nachkommenreiche Habcas-Corpus-Acte, welche vornehmlich die Zeit für Begründung einer Haft und für gerichtliche Vernehmung oder Entlassung eines Verhafteten unter delaillirter Strafe der Zuwiderhand¬ lungen kürzte. Uns setzte erst der Sturm von 1848 unvorbereitet in die Lage, ein ähn¬ liches Gesetz zu erwerben. Seit der Regierungsvorlage vom 20. Mai 1848 (§ 5.) bildete sich unter wesentlichster Mitwirkung von Waldeck, theilweise auch von Reichensperger, der heutige Artikel 5 unsrer Verfassungsurkunde: „Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Beschränkung derselben, insbesondere eine Verhaftung zulässig ist, werden durch das Gesetz bestimmt." Die Einschaltung „insbesondere eine Ver¬ haftung" soll darauf hinweisen, daß nicht blos die gerichtliche Verhaftung, son¬ dern auch die polizeiliche Verwahrung, ja diese vorzugsweise in der Beschrän¬ kung der persönlichen Freiheit gemeint und durch ein Gesetz zu regeln sei. Auf alle Militairpersonen findet indeß der Art. S nur so weit Anwendung, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/77>, abgerufen am 12.12.2024.