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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ders dazu geeignet sein. Denn erstlich wird er wegen der Verwendung der
Zollbeamten, ferner, weil er nicht wie eine Actiengesellschaft auf Bildung
eines Reservefonds Werth zu legen braucht (die Kieler rechnen aus diesen jedes
Jahr 82,600 Thlr.), wohlfeiler verwalten. Sodann aber würde er nicht das
Interesse haben, direct hohe Zinsen aus dem Unternehmen zu ziehen, sondern
mit gewöhnlicher Verzinsung und Amortisation des aufgewendeten Capitals be¬
friedigt sein. Dann aber, wenn die Anlage sich successive frei gewirthschaftet
hätte, würde Verminderung der Canalabgabc und Erleichterung des Verkehrs
eintreten, welche eine Privatgesellschaft, wenn sie nicht rentabel sind, einzuführen
keine Veranlassung hat, die aber für den Staat von der größten Bedeutung
sind, weil dadurch indirect die materielle Wohlfahrt viel mehr gesteigert wer¬
den kann, als durch den Ertrag des Kanals.




Wieder einmal ein Wort von akademischer Freiheit.

"Wir tränken gern ein Glas die Freiheit hoch zu ehren."

Herr Professor Stintzing in Erlangen hat beim Antritte des Prorcctorats
eine Rede gehalten und nachher drucken lassen über die deutsche Hochschule in
ihrem Verhältnisse zu der allgemeinen Bildung unserer Zeit. In dieser Rede
sind die vor einiger Zeit in diesen Blättern erschienenen Artikel wider den
Geist der Universitäten angezogen als Beispiel, wie die akademische Freiheit
oft die härtesten Anfechtungen erfahren, allein wie selten die Gegner ihr
eigentliches Wesen begriffen haben. Die Rede ist übrigens durch so viele Züge
eines Geistes gekennzeichnet, mit welchem sich die Absicht jener Artikel ganz in
Uebereinstimmung fühlt, daß es sich wohl der Mühe verlohnt zuzusehen, ob
die Gegensätze der Ansichten in beiden so sehr groß sind, und ob eine Ver¬
ständigung darüber möglich ist. Herr Stintzing wünscht nicht nur wissenschaft¬
liche Fachbildung, sondern eine Pflege des Idealismus, eine Verbreitung
humaner Gesittung, edler Bildung von den Universitäten über das Vaterland
verbreitet zu sehen. Wir haben als das Ziel der Bildung, welche die Staats¬
diener von der Universität mitbringen sollen, eine Verbreitung sittlicher und
rechtlicher Strenge des Volksbewußtseins im Auge gehabt. Wie ist es nun


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ders dazu geeignet sein. Denn erstlich wird er wegen der Verwendung der
Zollbeamten, ferner, weil er nicht wie eine Actiengesellschaft auf Bildung
eines Reservefonds Werth zu legen braucht (die Kieler rechnen aus diesen jedes
Jahr 82,600 Thlr.), wohlfeiler verwalten. Sodann aber würde er nicht das
Interesse haben, direct hohe Zinsen aus dem Unternehmen zu ziehen, sondern
mit gewöhnlicher Verzinsung und Amortisation des aufgewendeten Capitals be¬
friedigt sein. Dann aber, wenn die Anlage sich successive frei gewirthschaftet
hätte, würde Verminderung der Canalabgabc und Erleichterung des Verkehrs
eintreten, welche eine Privatgesellschaft, wenn sie nicht rentabel sind, einzuführen
keine Veranlassung hat, die aber für den Staat von der größten Bedeutung
sind, weil dadurch indirect die materielle Wohlfahrt viel mehr gesteigert wer¬
den kann, als durch den Ertrag des Kanals.




Wieder einmal ein Wort von akademischer Freiheit.

„Wir tränken gern ein Glas die Freiheit hoch zu ehren."

Herr Professor Stintzing in Erlangen hat beim Antritte des Prorcctorats
eine Rede gehalten und nachher drucken lassen über die deutsche Hochschule in
ihrem Verhältnisse zu der allgemeinen Bildung unserer Zeit. In dieser Rede
sind die vor einiger Zeit in diesen Blättern erschienenen Artikel wider den
Geist der Universitäten angezogen als Beispiel, wie die akademische Freiheit
oft die härtesten Anfechtungen erfahren, allein wie selten die Gegner ihr
eigentliches Wesen begriffen haben. Die Rede ist übrigens durch so viele Züge
eines Geistes gekennzeichnet, mit welchem sich die Absicht jener Artikel ganz in
Uebereinstimmung fühlt, daß es sich wohl der Mühe verlohnt zuzusehen, ob
die Gegensätze der Ansichten in beiden so sehr groß sind, und ob eine Ver¬
ständigung darüber möglich ist. Herr Stintzing wünscht nicht nur wissenschaft¬
liche Fachbildung, sondern eine Pflege des Idealismus, eine Verbreitung
humaner Gesittung, edler Bildung von den Universitäten über das Vaterland
verbreitet zu sehen. Wir haben als das Ziel der Bildung, welche die Staats¬
diener von der Universität mitbringen sollen, eine Verbreitung sittlicher und
rechtlicher Strenge des Volksbewußtseins im Auge gehabt. Wie ist es nun


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[0159] ders dazu geeignet sein. Denn erstlich wird er wegen der Verwendung der Zollbeamten, ferner, weil er nicht wie eine Actiengesellschaft auf Bildung eines Reservefonds Werth zu legen braucht (die Kieler rechnen aus diesen jedes Jahr 82,600 Thlr.), wohlfeiler verwalten. Sodann aber würde er nicht das Interesse haben, direct hohe Zinsen aus dem Unternehmen zu ziehen, sondern mit gewöhnlicher Verzinsung und Amortisation des aufgewendeten Capitals be¬ friedigt sein. Dann aber, wenn die Anlage sich successive frei gewirthschaftet hätte, würde Verminderung der Canalabgabc und Erleichterung des Verkehrs eintreten, welche eine Privatgesellschaft, wenn sie nicht rentabel sind, einzuführen keine Veranlassung hat, die aber für den Staat von der größten Bedeutung sind, weil dadurch indirect die materielle Wohlfahrt viel mehr gesteigert wer¬ den kann, als durch den Ertrag des Kanals. Wieder einmal ein Wort von akademischer Freiheit. „Wir tränken gern ein Glas die Freiheit hoch zu ehren." Herr Professor Stintzing in Erlangen hat beim Antritte des Prorcctorats eine Rede gehalten und nachher drucken lassen über die deutsche Hochschule in ihrem Verhältnisse zu der allgemeinen Bildung unserer Zeit. In dieser Rede sind die vor einiger Zeit in diesen Blättern erschienenen Artikel wider den Geist der Universitäten angezogen als Beispiel, wie die akademische Freiheit oft die härtesten Anfechtungen erfahren, allein wie selten die Gegner ihr eigentliches Wesen begriffen haben. Die Rede ist übrigens durch so viele Züge eines Geistes gekennzeichnet, mit welchem sich die Absicht jener Artikel ganz in Uebereinstimmung fühlt, daß es sich wohl der Mühe verlohnt zuzusehen, ob die Gegensätze der Ansichten in beiden so sehr groß sind, und ob eine Ver¬ ständigung darüber möglich ist. Herr Stintzing wünscht nicht nur wissenschaft¬ liche Fachbildung, sondern eine Pflege des Idealismus, eine Verbreitung humaner Gesittung, edler Bildung von den Universitäten über das Vaterland verbreitet zu sehen. Wir haben als das Ziel der Bildung, welche die Staats¬ diener von der Universität mitbringen sollen, eine Verbreitung sittlicher und rechtlicher Strenge des Volksbewußtseins im Auge gehabt. Wie ist es nun 19*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/159>, abgerufen am 26.06.2024.