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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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schöne menschliche Freude über den neuen Erwerb ist vorherrschend, zwischen dem
Schaffenden und dem Leser schlingt sich ein zartes Band, jeder von Beiden
hofft, daß es dauerhaft und heilbringend sein werde. Möge dem Verfasser sein
neues Werk reichlich diesen Gewinn eintragen.

Selten tritt aus dem Werke eines Historikers so kräftig die ganze geistige
Persönlichkeit hervor als hier. Nicht nur was er sagt, fesselt, zuweilen noch
mehr wie er es sagt. Es ist eine sehr eigenthümliche, starke Menschennatur,
welche sich ausspricht, hoher Adel der Gesinnung, ein leidenschaftlich bewegtes
Gemüth, ein rastloses Wogen der Empfindung, dem pathetischer Ausdruck
natürlich ist. Oft hört man aus den geschriebenen Zeilen den Sprechenden,
wie lebhast er schildert, wie reich das Detail seiner Kenntnisse ist, nicht die
Darstellung der Begebenheiten und Personen an sich, sondern ihre Bedeutung
steht ihm im Vordergrund, sein Urtheil ist überall kräftig, fest, zweifellos, es
wird allerdings gesänftigt durch hohe Bildung und durch humane Anerkennung
fremden Wesens, aber in jedem Augenblicke empfindet man, daß der Verfasser
seine ethischen und politischen Forderungen nachdrücklich geltend macht, er urtheilt
über Personen in der Regel mild und mit Pietät, aber er steht immer frei und
sicher seinem Helden gegenüber. Diese kurze Entschlossenheit des Urtheils geht
hervor aus einer rücksichtslosen Wahrheitsliebe und aus einem lauteren Idealis¬
mus, der das Leben und seine Aufgaben hoch und rein faßt und gegen Schwäche
und Halbheit die tiefe Abneigung einer kräftigen Natur empfindet. Der Ein¬
druck dieses mannhaften Wesens wirkt sehr mächtig, man darf wohl behaupten,
daß der Leser dadurch nicht weniger gefesselt wird, als durch Sprache und Dar¬
stellung.

Denn auch diese verdienen sehr beachtet zu werden. Noch wird dem deut¬
schen Historiker nicht leicht, gut zu schreiben. Hier aber strömt aus bewegter
Seele reich und voll der Sprache Quell, meist in langen Wellen dahinrauschend,
reich an charakteristischen Worten und Redewendungen, an kurzen, treffenden
Bezeichnungen, volltönend ohne Ueberfluß, häusig glänzend und doch ausdrucks¬
voll. Zuweilen läuft noch eine scharfe Rei Wendung mit unter, welche gespro¬
chenen Vortrag natürlich ist, von der vornehmeren Haltung der Drucksprache
absticht. Man erkennt, daß solche Energie des Ausdrucks dem Wesen des
Schriftstellers sehr natürlich ist. ,

Den Lesern dieses Blattes ist nicht unbekannt, wie nahe der Verfasser den
ästhetischen und politischen Ueberzeugungen steht, welche hier vertreten werden.
Er ist kein geborener Preuße, und doch einer der entschlossensten und beredtesten
Vorkämpfer für die große Idee dieses Staates. Was jedem Preußen natürlich
sein sollte, das ist einem NichtPreußen, der seit 1848 zum Mann wurde, das


schöne menschliche Freude über den neuen Erwerb ist vorherrschend, zwischen dem
Schaffenden und dem Leser schlingt sich ein zartes Band, jeder von Beiden
hofft, daß es dauerhaft und heilbringend sein werde. Möge dem Verfasser sein
neues Werk reichlich diesen Gewinn eintragen.

Selten tritt aus dem Werke eines Historikers so kräftig die ganze geistige
Persönlichkeit hervor als hier. Nicht nur was er sagt, fesselt, zuweilen noch
mehr wie er es sagt. Es ist eine sehr eigenthümliche, starke Menschennatur,
welche sich ausspricht, hoher Adel der Gesinnung, ein leidenschaftlich bewegtes
Gemüth, ein rastloses Wogen der Empfindung, dem pathetischer Ausdruck
natürlich ist. Oft hört man aus den geschriebenen Zeilen den Sprechenden,
wie lebhast er schildert, wie reich das Detail seiner Kenntnisse ist, nicht die
Darstellung der Begebenheiten und Personen an sich, sondern ihre Bedeutung
steht ihm im Vordergrund, sein Urtheil ist überall kräftig, fest, zweifellos, es
wird allerdings gesänftigt durch hohe Bildung und durch humane Anerkennung
fremden Wesens, aber in jedem Augenblicke empfindet man, daß der Verfasser
seine ethischen und politischen Forderungen nachdrücklich geltend macht, er urtheilt
über Personen in der Regel mild und mit Pietät, aber er steht immer frei und
sicher seinem Helden gegenüber. Diese kurze Entschlossenheit des Urtheils geht
hervor aus einer rücksichtslosen Wahrheitsliebe und aus einem lauteren Idealis¬
mus, der das Leben und seine Aufgaben hoch und rein faßt und gegen Schwäche
und Halbheit die tiefe Abneigung einer kräftigen Natur empfindet. Der Ein¬
druck dieses mannhaften Wesens wirkt sehr mächtig, man darf wohl behaupten,
daß der Leser dadurch nicht weniger gefesselt wird, als durch Sprache und Dar¬
stellung.

Denn auch diese verdienen sehr beachtet zu werden. Noch wird dem deut¬
schen Historiker nicht leicht, gut zu schreiben. Hier aber strömt aus bewegter
Seele reich und voll der Sprache Quell, meist in langen Wellen dahinrauschend,
reich an charakteristischen Worten und Redewendungen, an kurzen, treffenden
Bezeichnungen, volltönend ohne Ueberfluß, häusig glänzend und doch ausdrucks¬
voll. Zuweilen läuft noch eine scharfe Rei Wendung mit unter, welche gespro¬
chenen Vortrag natürlich ist, von der vornehmeren Haltung der Drucksprache
absticht. Man erkennt, daß solche Energie des Ausdrucks dem Wesen des
Schriftstellers sehr natürlich ist. ,

Den Lesern dieses Blattes ist nicht unbekannt, wie nahe der Verfasser den
ästhetischen und politischen Ueberzeugungen steht, welche hier vertreten werden.
Er ist kein geborener Preuße, und doch einer der entschlossensten und beredtesten
Vorkämpfer für die große Idee dieses Staates. Was jedem Preußen natürlich
sein sollte, das ist einem NichtPreußen, der seit 1848 zum Mann wurde, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/8>, abgerufen am 23.07.2024.