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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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oder Gewalt; beide Arten wurden entweder vom Landesherrn selbst, oder mit
dessen Genehmigung von einer auswärtigen Macht in dessen Landen unternom¬
men. Nach der Art zerfiel die Werbung wieder in eine öffentliche oder
stille und in eine heimliche; zu letzterer griff man gewöhnlich da, wo sie in
einem andern Gebiete nicht gestattet war. Die öffentliche Werbung wurde ge¬
wöhnlich mit Aufruf und Trommelschlag vorgenommen.

Das Recht der gewaltsamen Werbung war dem Landesherrn unbedingt
Zugestanden; dagegen ward unerlaubtes Anwerben durch Auswärtige, wenn
diese dabei ertappt wurden, mit dem Tode bestraft. Wollten solche Werber
Gewalt brauchen und das ausersehene Opfer setzte sich mit Gewalt dagegen,
so wurde der Betreffende nicht bestraft, selbst wenn ein Werber oder einer
seiner Helfershelfer dabei das Leben verlor.

Gewöhnlich hielten sich die heimlichen Werber an den Grenzen der Ge¬
bietstheile auf, in denen sie Geschäfte machen wollten. Aber nicht nur mit
dergleichen Leuten, die das Werben als ein Metier betrieben, hatten die Be¬
hörden ihre Noth, sondern mit ganz anderen. Es kam nämlich nicht selten vor.
daß begüterte Edelleute in andern Staaten hohe militärische Stellen bekleideten.
Um nun die ihnen anvertrauten Truppentheile complet zu erhalten und mög¬
lichst schöne und billige Bursche zu haben, trugen sie den Beamten in ihren
Besitzungen auf. Rekruten zu schaffen, die nicht selten mit Gewalt aufgehoben
und über die Grenze gebracht wurden. Friedrich der Große erließ deshalb kurz
noch seinem Regierungsantritt ein Gesetz, nach weichem jeder Vasall oder adelige
Unterthan, der sich mit dergleichen besässe, er möge betreten werden oder nicht,
für einen entführten Mann 100 Dukaten Strafe zu zahlen habe, wovon V3
dem Denuncianten und V" den Fiscalen in den Provinzen zufallen sollte. Die,
welche dabei geholfen, wurden noch extra mit Geld, Gefängniß. Güterconfiscalion,
i" mit dem Leben bestraft.

Bereits im Jahre 1714 war in Preußen die gewaltsame Werbung durch
königliches Edict aufgehoben worden. Den Regimentern war in ihrem Rayon,
Standquartieren und Garnisonen die Werbung nur öffentlich durch Trommel¬
schlag erlaubt, auch durften sie dem Angeworbenen nicht mehr als das gesetz¬
liche Handgeld bieten.

Das Enrolliren und Anwerben hatte nur aus die niederen oder arbeiten¬
den Volksclassen Bezug; Söhne von Vornehmeren und Angestellten waren frei.
Aber auch bei den erstgenannten Classen fanden Ausnahmen statt, namentlich bei
den in Preußen aus andern Ländern Einwandernden. In der Verordnung heißt
^: "Es sollen alle Fremde mit gutem Vermögen und Habseligkeiten, anziehende
Familien und einzelne Personen sammt den Ihrigen von aller gewaltsamen
Werbung und Enrollirung frei sein." Fernerwaren befreit: Manusacturisten,
Namentlich Wollarbeiter, die Zimmerleute, und alle, die sich nach Preußen zur


oder Gewalt; beide Arten wurden entweder vom Landesherrn selbst, oder mit
dessen Genehmigung von einer auswärtigen Macht in dessen Landen unternom¬
men. Nach der Art zerfiel die Werbung wieder in eine öffentliche oder
stille und in eine heimliche; zu letzterer griff man gewöhnlich da, wo sie in
einem andern Gebiete nicht gestattet war. Die öffentliche Werbung wurde ge¬
wöhnlich mit Aufruf und Trommelschlag vorgenommen.

Das Recht der gewaltsamen Werbung war dem Landesherrn unbedingt
Zugestanden; dagegen ward unerlaubtes Anwerben durch Auswärtige, wenn
diese dabei ertappt wurden, mit dem Tode bestraft. Wollten solche Werber
Gewalt brauchen und das ausersehene Opfer setzte sich mit Gewalt dagegen,
so wurde der Betreffende nicht bestraft, selbst wenn ein Werber oder einer
seiner Helfershelfer dabei das Leben verlor.

Gewöhnlich hielten sich die heimlichen Werber an den Grenzen der Ge¬
bietstheile auf, in denen sie Geschäfte machen wollten. Aber nicht nur mit
dergleichen Leuten, die das Werben als ein Metier betrieben, hatten die Be¬
hörden ihre Noth, sondern mit ganz anderen. Es kam nämlich nicht selten vor.
daß begüterte Edelleute in andern Staaten hohe militärische Stellen bekleideten.
Um nun die ihnen anvertrauten Truppentheile complet zu erhalten und mög¬
lichst schöne und billige Bursche zu haben, trugen sie den Beamten in ihren
Besitzungen auf. Rekruten zu schaffen, die nicht selten mit Gewalt aufgehoben
und über die Grenze gebracht wurden. Friedrich der Große erließ deshalb kurz
noch seinem Regierungsantritt ein Gesetz, nach weichem jeder Vasall oder adelige
Unterthan, der sich mit dergleichen besässe, er möge betreten werden oder nicht,
für einen entführten Mann 100 Dukaten Strafe zu zahlen habe, wovon V3
dem Denuncianten und V» den Fiscalen in den Provinzen zufallen sollte. Die,
welche dabei geholfen, wurden noch extra mit Geld, Gefängniß. Güterconfiscalion,
i« mit dem Leben bestraft.

Bereits im Jahre 1714 war in Preußen die gewaltsame Werbung durch
königliches Edict aufgehoben worden. Den Regimentern war in ihrem Rayon,
Standquartieren und Garnisonen die Werbung nur öffentlich durch Trommel¬
schlag erlaubt, auch durften sie dem Angeworbenen nicht mehr als das gesetz¬
liche Handgeld bieten.

Das Enrolliren und Anwerben hatte nur aus die niederen oder arbeiten¬
den Volksclassen Bezug; Söhne von Vornehmeren und Angestellten waren frei.
Aber auch bei den erstgenannten Classen fanden Ausnahmen statt, namentlich bei
den in Preußen aus andern Ländern Einwandernden. In der Verordnung heißt
^: „Es sollen alle Fremde mit gutem Vermögen und Habseligkeiten, anziehende
Familien und einzelne Personen sammt den Ihrigen von aller gewaltsamen
Werbung und Enrollirung frei sein." Fernerwaren befreit: Manusacturisten,
Namentlich Wollarbeiter, die Zimmerleute, und alle, die sich nach Preußen zur


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[0499] oder Gewalt; beide Arten wurden entweder vom Landesherrn selbst, oder mit dessen Genehmigung von einer auswärtigen Macht in dessen Landen unternom¬ men. Nach der Art zerfiel die Werbung wieder in eine öffentliche oder stille und in eine heimliche; zu letzterer griff man gewöhnlich da, wo sie in einem andern Gebiete nicht gestattet war. Die öffentliche Werbung wurde ge¬ wöhnlich mit Aufruf und Trommelschlag vorgenommen. Das Recht der gewaltsamen Werbung war dem Landesherrn unbedingt Zugestanden; dagegen ward unerlaubtes Anwerben durch Auswärtige, wenn diese dabei ertappt wurden, mit dem Tode bestraft. Wollten solche Werber Gewalt brauchen und das ausersehene Opfer setzte sich mit Gewalt dagegen, so wurde der Betreffende nicht bestraft, selbst wenn ein Werber oder einer seiner Helfershelfer dabei das Leben verlor. Gewöhnlich hielten sich die heimlichen Werber an den Grenzen der Ge¬ bietstheile auf, in denen sie Geschäfte machen wollten. Aber nicht nur mit dergleichen Leuten, die das Werben als ein Metier betrieben, hatten die Be¬ hörden ihre Noth, sondern mit ganz anderen. Es kam nämlich nicht selten vor. daß begüterte Edelleute in andern Staaten hohe militärische Stellen bekleideten. Um nun die ihnen anvertrauten Truppentheile complet zu erhalten und mög¬ lichst schöne und billige Bursche zu haben, trugen sie den Beamten in ihren Besitzungen auf. Rekruten zu schaffen, die nicht selten mit Gewalt aufgehoben und über die Grenze gebracht wurden. Friedrich der Große erließ deshalb kurz noch seinem Regierungsantritt ein Gesetz, nach weichem jeder Vasall oder adelige Unterthan, der sich mit dergleichen besässe, er möge betreten werden oder nicht, für einen entführten Mann 100 Dukaten Strafe zu zahlen habe, wovon V3 dem Denuncianten und V» den Fiscalen in den Provinzen zufallen sollte. Die, welche dabei geholfen, wurden noch extra mit Geld, Gefängniß. Güterconfiscalion, i« mit dem Leben bestraft. Bereits im Jahre 1714 war in Preußen die gewaltsame Werbung durch königliches Edict aufgehoben worden. Den Regimentern war in ihrem Rayon, Standquartieren und Garnisonen die Werbung nur öffentlich durch Trommel¬ schlag erlaubt, auch durften sie dem Angeworbenen nicht mehr als das gesetz¬ liche Handgeld bieten. Das Enrolliren und Anwerben hatte nur aus die niederen oder arbeiten¬ den Volksclassen Bezug; Söhne von Vornehmeren und Angestellten waren frei. Aber auch bei den erstgenannten Classen fanden Ausnahmen statt, namentlich bei den in Preußen aus andern Ländern Einwandernden. In der Verordnung heißt ^: „Es sollen alle Fremde mit gutem Vermögen und Habseligkeiten, anziehende Familien und einzelne Personen sammt den Ihrigen von aller gewaltsamen Werbung und Enrollirung frei sein." Fernerwaren befreit: Manusacturisten, Namentlich Wollarbeiter, die Zimmerleute, und alle, die sich nach Preußen zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/499>, abgerufen am 23.07.2024.