Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Reflexion und dem Gelehrtenthum, als in der lebendigen Herzensüberzeugung
wurzelnd. Er hat. ohne anscheinend sich selbst darüber klar zu sein, die Kir¬
chenlehre als einen fremden Mantel angelegt und behandelt sie als eine Summe
von Sätzen, zu welchen ihm aber der rechte Schlüssel fehlt. Von irgendeinem
genialen Zuge, einem geistigen Aufschwünge, einem frischen Hauche wird sein
Wissen nicht belebt, wie er denn auch kein einziges hervorragendes literarisches
Werk aufzuweisen hat und überall mehr in die Breite als in die Tiefe geht, in
formlos und eintönig dahingleitendem, auch nicht durchgängig logisch und gram¬
matisch correcten Stil. Er besitzt große Arbeitsamkeit, Pünktlichkeit und Ord¬
nungsliebe und bewältigt mit diesen Eigenschaften stets rechtzeitig die vielen Ge¬
schäfte, welche seine verschiedenen Aemter, zu welchen zur Zeit auch noch das Rec-
torat der Universität kommt, ihm auferlegen. Er wird bei seinen Arbeiten
Von einem treuen Gedächtniß unterstützt, mit dessen Hilfe er eine große Menge
von Material in sich aufgespeichert hat. Seine Reden und Predigten, die stets
memorirt sind, trägt er mit einer gewissen Art von Pathos vor. von welchem
selbst Jahreszahlen und andere dem Gefühlsbereiche wenig zugängliche Dinge
nicht verschont bleiben. Die Predigten, die er als Universitätsprediger alle
vier Wochen, sowie zu Festzeiten und zu Anfang und Schluß des Semesters
hält, werden von den höheren Ständen viel besucht, zumal da sie in eine ge¬
legene Tageszeit fallen, scheinen aber doch nicht mehr ganz den Beifall zu finden,
wie in den ersten Jahren. Bei dem Besuch seiner Vorlesungen wirkt wohl
seine Stellung als Examinator einiges mit; die Studenten fühlen sich durch
die Vorträge seines Collegen Philippi mehr angezogen. Bei dem Hauptverein
für innere Mission ist Krabbe als Schriftführer thätig, sowie er auch Mit
glied vom Centralcomite des Vereins für die Misstonen unter den Heiden ist.
Der Großherzog, gegen dessen Person er eine fast schwärmerische Verehrung hegt,
die er in dessen Nähe durch Verbeugungen von musterhafter Tiefe und Uner¬
müdlichkeit zu erkennen giebt, hat nach dem letzten Einzuge in Rostock (im Juli
1864), wo Krabbe ihn als Rector der Universität begrüßte, durch Verleihung
einer goldenen Medaille seine Verdienste belohnt.

Die übrigen Mitglieder der theologischen Facultät sind Philipps, Bach¬
mann und Dieckhoff.

Friedrich Adolph Philipps wurde als Nachfolger von Delitzsch, der im
Herbste 1850 nach Erlangen ging, berufen und begann seine Vorlesungen,
welche Exegese des Neuen Testaments und comparative Symbolik befassen, um
Ostern 1862. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er schon im Jahre 1836
mit einer kleinen lateinischen Schrift über die Philosophie des Celsus. Später
schrieb er über den thätigen Gehorsam Christi (1841). Sein Hauptwerk ist
seine christliche Glaubenslehre in fünf Bänden, welche theils systematische, theils
historische Darstellungen umfaßt und in letzterer Beziehung dem wahrscheinlich


57*

der Reflexion und dem Gelehrtenthum, als in der lebendigen Herzensüberzeugung
wurzelnd. Er hat. ohne anscheinend sich selbst darüber klar zu sein, die Kir¬
chenlehre als einen fremden Mantel angelegt und behandelt sie als eine Summe
von Sätzen, zu welchen ihm aber der rechte Schlüssel fehlt. Von irgendeinem
genialen Zuge, einem geistigen Aufschwünge, einem frischen Hauche wird sein
Wissen nicht belebt, wie er denn auch kein einziges hervorragendes literarisches
Werk aufzuweisen hat und überall mehr in die Breite als in die Tiefe geht, in
formlos und eintönig dahingleitendem, auch nicht durchgängig logisch und gram¬
matisch correcten Stil. Er besitzt große Arbeitsamkeit, Pünktlichkeit und Ord¬
nungsliebe und bewältigt mit diesen Eigenschaften stets rechtzeitig die vielen Ge¬
schäfte, welche seine verschiedenen Aemter, zu welchen zur Zeit auch noch das Rec-
torat der Universität kommt, ihm auferlegen. Er wird bei seinen Arbeiten
Von einem treuen Gedächtniß unterstützt, mit dessen Hilfe er eine große Menge
von Material in sich aufgespeichert hat. Seine Reden und Predigten, die stets
memorirt sind, trägt er mit einer gewissen Art von Pathos vor. von welchem
selbst Jahreszahlen und andere dem Gefühlsbereiche wenig zugängliche Dinge
nicht verschont bleiben. Die Predigten, die er als Universitätsprediger alle
vier Wochen, sowie zu Festzeiten und zu Anfang und Schluß des Semesters
hält, werden von den höheren Ständen viel besucht, zumal da sie in eine ge¬
legene Tageszeit fallen, scheinen aber doch nicht mehr ganz den Beifall zu finden,
wie in den ersten Jahren. Bei dem Besuch seiner Vorlesungen wirkt wohl
seine Stellung als Examinator einiges mit; die Studenten fühlen sich durch
die Vorträge seines Collegen Philippi mehr angezogen. Bei dem Hauptverein
für innere Mission ist Krabbe als Schriftführer thätig, sowie er auch Mit
glied vom Centralcomite des Vereins für die Misstonen unter den Heiden ist.
Der Großherzog, gegen dessen Person er eine fast schwärmerische Verehrung hegt,
die er in dessen Nähe durch Verbeugungen von musterhafter Tiefe und Uner¬
müdlichkeit zu erkennen giebt, hat nach dem letzten Einzuge in Rostock (im Juli
1864), wo Krabbe ihn als Rector der Universität begrüßte, durch Verleihung
einer goldenen Medaille seine Verdienste belohnt.

Die übrigen Mitglieder der theologischen Facultät sind Philipps, Bach¬
mann und Dieckhoff.

Friedrich Adolph Philipps wurde als Nachfolger von Delitzsch, der im
Herbste 1850 nach Erlangen ging, berufen und begann seine Vorlesungen,
welche Exegese des Neuen Testaments und comparative Symbolik befassen, um
Ostern 1862. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er schon im Jahre 1836
mit einer kleinen lateinischen Schrift über die Philosophie des Celsus. Später
schrieb er über den thätigen Gehorsam Christi (1841). Sein Hauptwerk ist
seine christliche Glaubenslehre in fünf Bänden, welche theils systematische, theils
historische Darstellungen umfaßt und in letzterer Beziehung dem wahrscheinlich


57*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282720"/>
          <p xml:id="ID_1295" prev="#ID_1294"> der Reflexion und dem Gelehrtenthum, als in der lebendigen Herzensüberzeugung<lb/>
wurzelnd. Er hat. ohne anscheinend sich selbst darüber klar zu sein, die Kir¬<lb/>
chenlehre als einen fremden Mantel angelegt und behandelt sie als eine Summe<lb/>
von Sätzen, zu welchen ihm aber der rechte Schlüssel fehlt. Von irgendeinem<lb/>
genialen Zuge, einem geistigen Aufschwünge, einem frischen Hauche wird sein<lb/>
Wissen nicht belebt, wie er denn auch kein einziges hervorragendes literarisches<lb/>
Werk aufzuweisen hat und überall mehr in die Breite als in die Tiefe geht, in<lb/>
formlos und eintönig dahingleitendem, auch nicht durchgängig logisch und gram¬<lb/>
matisch correcten Stil. Er besitzt große Arbeitsamkeit, Pünktlichkeit und Ord¬<lb/>
nungsliebe und bewältigt mit diesen Eigenschaften stets rechtzeitig die vielen Ge¬<lb/>
schäfte, welche seine verschiedenen Aemter, zu welchen zur Zeit auch noch das Rec-<lb/>
torat der Universität kommt, ihm auferlegen. Er wird bei seinen Arbeiten<lb/>
Von einem treuen Gedächtniß unterstützt, mit dessen Hilfe er eine große Menge<lb/>
von Material in sich aufgespeichert hat. Seine Reden und Predigten, die stets<lb/>
memorirt sind, trägt er mit einer gewissen Art von Pathos vor. von welchem<lb/>
selbst Jahreszahlen und andere dem Gefühlsbereiche wenig zugängliche Dinge<lb/>
nicht verschont bleiben. Die Predigten, die er als Universitätsprediger alle<lb/>
vier Wochen, sowie zu Festzeiten und zu Anfang und Schluß des Semesters<lb/>
hält, werden von den höheren Ständen viel besucht, zumal da sie in eine ge¬<lb/>
legene Tageszeit fallen, scheinen aber doch nicht mehr ganz den Beifall zu finden,<lb/>
wie in den ersten Jahren. Bei dem Besuch seiner Vorlesungen wirkt wohl<lb/>
seine Stellung als Examinator einiges mit; die Studenten fühlen sich durch<lb/>
die Vorträge seines Collegen Philippi mehr angezogen. Bei dem Hauptverein<lb/>
für innere Mission ist Krabbe als Schriftführer thätig, sowie er auch Mit<lb/>
glied vom Centralcomite des Vereins für die Misstonen unter den Heiden ist.<lb/>
Der Großherzog, gegen dessen Person er eine fast schwärmerische Verehrung hegt,<lb/>
die er in dessen Nähe durch Verbeugungen von musterhafter Tiefe und Uner¬<lb/>
müdlichkeit zu erkennen giebt, hat nach dem letzten Einzuge in Rostock (im Juli<lb/>
1864), wo Krabbe ihn als Rector der Universität begrüßte, durch Verleihung<lb/>
einer goldenen Medaille seine Verdienste belohnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1296"> Die übrigen Mitglieder der theologischen Facultät sind Philipps, Bach¬<lb/>
mann und Dieckhoff.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1297" next="#ID_1298"> Friedrich Adolph Philipps wurde als Nachfolger von Delitzsch, der im<lb/>
Herbste 1850 nach Erlangen ging, berufen und begann seine Vorlesungen,<lb/>
welche Exegese des Neuen Testaments und comparative Symbolik befassen, um<lb/>
Ostern 1862. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er schon im Jahre 1836<lb/>
mit einer kleinen lateinischen Schrift über die Philosophie des Celsus. Später<lb/>
schrieb er über den thätigen Gehorsam Christi (1841). Sein Hauptwerk ist<lb/>
seine christliche Glaubenslehre in fünf Bänden, welche theils systematische, theils<lb/>
historische Darstellungen umfaßt und in letzterer Beziehung dem wahrscheinlich</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 57*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0479] der Reflexion und dem Gelehrtenthum, als in der lebendigen Herzensüberzeugung wurzelnd. Er hat. ohne anscheinend sich selbst darüber klar zu sein, die Kir¬ chenlehre als einen fremden Mantel angelegt und behandelt sie als eine Summe von Sätzen, zu welchen ihm aber der rechte Schlüssel fehlt. Von irgendeinem genialen Zuge, einem geistigen Aufschwünge, einem frischen Hauche wird sein Wissen nicht belebt, wie er denn auch kein einziges hervorragendes literarisches Werk aufzuweisen hat und überall mehr in die Breite als in die Tiefe geht, in formlos und eintönig dahingleitendem, auch nicht durchgängig logisch und gram¬ matisch correcten Stil. Er besitzt große Arbeitsamkeit, Pünktlichkeit und Ord¬ nungsliebe und bewältigt mit diesen Eigenschaften stets rechtzeitig die vielen Ge¬ schäfte, welche seine verschiedenen Aemter, zu welchen zur Zeit auch noch das Rec- torat der Universität kommt, ihm auferlegen. Er wird bei seinen Arbeiten Von einem treuen Gedächtniß unterstützt, mit dessen Hilfe er eine große Menge von Material in sich aufgespeichert hat. Seine Reden und Predigten, die stets memorirt sind, trägt er mit einer gewissen Art von Pathos vor. von welchem selbst Jahreszahlen und andere dem Gefühlsbereiche wenig zugängliche Dinge nicht verschont bleiben. Die Predigten, die er als Universitätsprediger alle vier Wochen, sowie zu Festzeiten und zu Anfang und Schluß des Semesters hält, werden von den höheren Ständen viel besucht, zumal da sie in eine ge¬ legene Tageszeit fallen, scheinen aber doch nicht mehr ganz den Beifall zu finden, wie in den ersten Jahren. Bei dem Besuch seiner Vorlesungen wirkt wohl seine Stellung als Examinator einiges mit; die Studenten fühlen sich durch die Vorträge seines Collegen Philippi mehr angezogen. Bei dem Hauptverein für innere Mission ist Krabbe als Schriftführer thätig, sowie er auch Mit glied vom Centralcomite des Vereins für die Misstonen unter den Heiden ist. Der Großherzog, gegen dessen Person er eine fast schwärmerische Verehrung hegt, die er in dessen Nähe durch Verbeugungen von musterhafter Tiefe und Uner¬ müdlichkeit zu erkennen giebt, hat nach dem letzten Einzuge in Rostock (im Juli 1864), wo Krabbe ihn als Rector der Universität begrüßte, durch Verleihung einer goldenen Medaille seine Verdienste belohnt. Die übrigen Mitglieder der theologischen Facultät sind Philipps, Bach¬ mann und Dieckhoff. Friedrich Adolph Philipps wurde als Nachfolger von Delitzsch, der im Herbste 1850 nach Erlangen ging, berufen und begann seine Vorlesungen, welche Exegese des Neuen Testaments und comparative Symbolik befassen, um Ostern 1862. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er schon im Jahre 1836 mit einer kleinen lateinischen Schrift über die Philosophie des Celsus. Später schrieb er über den thätigen Gehorsam Christi (1841). Sein Hauptwerk ist seine christliche Glaubenslehre in fünf Bänden, welche theils systematische, theils historische Darstellungen umfaßt und in letzterer Beziehung dem wahrscheinlich 57*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/479
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/479>, abgerufen am 23.07.2024.