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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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innersten kanonistischen Grundanschauung vom Wesen des Geldes. Das Geld
ist darnach zunächst allgemeines Tauschmittel, aber man tauscht nicht eine Sache
gegen den innewohnenden Werth der Münzen, sondern gegen die Münze als
Münze, als sinnlich vorliegenden Gegenstand mit staatlich declarirtem Werthe.
Daher ist in diesem Sinne (übrigens unter Einwirkung noch anderer Mo¬
mente) auch das Geld an sich unproductiv. etwa wie die Stein-, die Holzwaaren
u. dergl. Somit kann es ferner auch eine Waare, wie diese, genannt werden,
welche je nach Angebot und Nachfrage (z. B. beim Geld- und Wechselhändler)
im Preise schwankt. Als Waare erhält es eine Polizeitaxe, wie andere Waaren;
dieser bedarf es aber vornehmlich, weil es das allgemeinste Tauschmittel ist,
das deshalb auch Preis der andern Waaren und seiner selbst heißen kann. Nur
sein ausgedehnter Tauschgebrauch unterscheidet es von andern Waaren, es ist
auch in kanomstischem Sinne nicht eine Sache ganz besonderer Natur,
wie neue Wirthschaftshistoriker haben entdecken wollen, indem sie die-geschicht¬
liche Entwicklung hintansetzen und übersehen, daß nicht wenige ihrer entdeckten
Besonderheiten aus dem einen Wesen des Geldes als Waare auch kanonistisch
folgen. Hierin ebenso, wie in dem Betonen der Münze als Münze mit staat¬
lich declarirtem Werthe liegt die kanonistische Vorstellung unserer Geldanschauung
nicht so fern, weil wir in dem Staatspapiergelde und bei dem enorm ge¬
steigerten persönlichen Credite auch in dem Privatpapiergelde (Actien, Noten.
Billets, selbst Wechsel) ebenfalls Geldzeichen haben, die nur durch den in ihnen
declarirten und angenommenen nicht durch den in ihnen selbst liegenden
Werth Haupttauschmittel sind.

Mit dieser Anerkennung des Geldes als Waare unter einer ihr besonders
nöthigen Polizeitaxe konnten aber die Scholastiker sich natürlich nicht gegenüber
den Kursschwankungen des Geldes helfen; denn auch die Waaren sollten von
ihren Polizeitaxen im Preise nicht abweichen können, oder die Geldtaxen wie
Waarentaxen bestritten nicht sowohl das abweichen können, als das.abweichen
dürfen. Und nicht erst um die Möglichkeit der Abweichung von der Geldtaxe
zu rechtfertigen, sondern in viel allgemeinerem, in der Natur des Geld-Verkehrs
begründetem Sinne, den jene wirthschaftlichen Historiker selbst anerkennen, con-
statirten die Kanonisten in dem Gelde die Waare. Sie rechtfertigten ja hier¬
mit auch nicht die Kursschwankungen des Geldes als Preis; denn, wo es Preis
war, war es ja eben nicht Waare.

Genug Widersprüche häuften sich übrigens im Geldverkehr bei den Kanonisten
auch ohne die oben besprochenen. Denn das Geld blieb nach Obigem immer ein
Tauschmittel (Waare als Waare) und wieder das Tauschmittel (Waare als
allgemeines Werthmaß, als Preis); beidemal gesetzlich taxirt und beidemal
doch schwankend im Preise. Gegen letzteren Punkt half natürlich nicht, wenn
man jene zwei Seiten des Geldes als unvereinbar erklärte; dieses oder das


innersten kanonistischen Grundanschauung vom Wesen des Geldes. Das Geld
ist darnach zunächst allgemeines Tauschmittel, aber man tauscht nicht eine Sache
gegen den innewohnenden Werth der Münzen, sondern gegen die Münze als
Münze, als sinnlich vorliegenden Gegenstand mit staatlich declarirtem Werthe.
Daher ist in diesem Sinne (übrigens unter Einwirkung noch anderer Mo¬
mente) auch das Geld an sich unproductiv. etwa wie die Stein-, die Holzwaaren
u. dergl. Somit kann es ferner auch eine Waare, wie diese, genannt werden,
welche je nach Angebot und Nachfrage (z. B. beim Geld- und Wechselhändler)
im Preise schwankt. Als Waare erhält es eine Polizeitaxe, wie andere Waaren;
dieser bedarf es aber vornehmlich, weil es das allgemeinste Tauschmittel ist,
das deshalb auch Preis der andern Waaren und seiner selbst heißen kann. Nur
sein ausgedehnter Tauschgebrauch unterscheidet es von andern Waaren, es ist
auch in kanomstischem Sinne nicht eine Sache ganz besonderer Natur,
wie neue Wirthschaftshistoriker haben entdecken wollen, indem sie die-geschicht¬
liche Entwicklung hintansetzen und übersehen, daß nicht wenige ihrer entdeckten
Besonderheiten aus dem einen Wesen des Geldes als Waare auch kanonistisch
folgen. Hierin ebenso, wie in dem Betonen der Münze als Münze mit staat¬
lich declarirtem Werthe liegt die kanonistische Vorstellung unserer Geldanschauung
nicht so fern, weil wir in dem Staatspapiergelde und bei dem enorm ge¬
steigerten persönlichen Credite auch in dem Privatpapiergelde (Actien, Noten.
Billets, selbst Wechsel) ebenfalls Geldzeichen haben, die nur durch den in ihnen
declarirten und angenommenen nicht durch den in ihnen selbst liegenden
Werth Haupttauschmittel sind.

Mit dieser Anerkennung des Geldes als Waare unter einer ihr besonders
nöthigen Polizeitaxe konnten aber die Scholastiker sich natürlich nicht gegenüber
den Kursschwankungen des Geldes helfen; denn auch die Waaren sollten von
ihren Polizeitaxen im Preise nicht abweichen können, oder die Geldtaxen wie
Waarentaxen bestritten nicht sowohl das abweichen können, als das.abweichen
dürfen. Und nicht erst um die Möglichkeit der Abweichung von der Geldtaxe
zu rechtfertigen, sondern in viel allgemeinerem, in der Natur des Geld-Verkehrs
begründetem Sinne, den jene wirthschaftlichen Historiker selbst anerkennen, con-
statirten die Kanonisten in dem Gelde die Waare. Sie rechtfertigten ja hier¬
mit auch nicht die Kursschwankungen des Geldes als Preis; denn, wo es Preis
war, war es ja eben nicht Waare.

Genug Widersprüche häuften sich übrigens im Geldverkehr bei den Kanonisten
auch ohne die oben besprochenen. Denn das Geld blieb nach Obigem immer ein
Tauschmittel (Waare als Waare) und wieder das Tauschmittel (Waare als
allgemeines Werthmaß, als Preis); beidemal gesetzlich taxirt und beidemal
doch schwankend im Preise. Gegen letzteren Punkt half natürlich nicht, wenn
man jene zwei Seiten des Geldes als unvereinbar erklärte; dieses oder das


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[0458] innersten kanonistischen Grundanschauung vom Wesen des Geldes. Das Geld ist darnach zunächst allgemeines Tauschmittel, aber man tauscht nicht eine Sache gegen den innewohnenden Werth der Münzen, sondern gegen die Münze als Münze, als sinnlich vorliegenden Gegenstand mit staatlich declarirtem Werthe. Daher ist in diesem Sinne (übrigens unter Einwirkung noch anderer Mo¬ mente) auch das Geld an sich unproductiv. etwa wie die Stein-, die Holzwaaren u. dergl. Somit kann es ferner auch eine Waare, wie diese, genannt werden, welche je nach Angebot und Nachfrage (z. B. beim Geld- und Wechselhändler) im Preise schwankt. Als Waare erhält es eine Polizeitaxe, wie andere Waaren; dieser bedarf es aber vornehmlich, weil es das allgemeinste Tauschmittel ist, das deshalb auch Preis der andern Waaren und seiner selbst heißen kann. Nur sein ausgedehnter Tauschgebrauch unterscheidet es von andern Waaren, es ist auch in kanomstischem Sinne nicht eine Sache ganz besonderer Natur, wie neue Wirthschaftshistoriker haben entdecken wollen, indem sie die-geschicht¬ liche Entwicklung hintansetzen und übersehen, daß nicht wenige ihrer entdeckten Besonderheiten aus dem einen Wesen des Geldes als Waare auch kanonistisch folgen. Hierin ebenso, wie in dem Betonen der Münze als Münze mit staat¬ lich declarirtem Werthe liegt die kanonistische Vorstellung unserer Geldanschauung nicht so fern, weil wir in dem Staatspapiergelde und bei dem enorm ge¬ steigerten persönlichen Credite auch in dem Privatpapiergelde (Actien, Noten. Billets, selbst Wechsel) ebenfalls Geldzeichen haben, die nur durch den in ihnen declarirten und angenommenen nicht durch den in ihnen selbst liegenden Werth Haupttauschmittel sind. Mit dieser Anerkennung des Geldes als Waare unter einer ihr besonders nöthigen Polizeitaxe konnten aber die Scholastiker sich natürlich nicht gegenüber den Kursschwankungen des Geldes helfen; denn auch die Waaren sollten von ihren Polizeitaxen im Preise nicht abweichen können, oder die Geldtaxen wie Waarentaxen bestritten nicht sowohl das abweichen können, als das.abweichen dürfen. Und nicht erst um die Möglichkeit der Abweichung von der Geldtaxe zu rechtfertigen, sondern in viel allgemeinerem, in der Natur des Geld-Verkehrs begründetem Sinne, den jene wirthschaftlichen Historiker selbst anerkennen, con- statirten die Kanonisten in dem Gelde die Waare. Sie rechtfertigten ja hier¬ mit auch nicht die Kursschwankungen des Geldes als Preis; denn, wo es Preis war, war es ja eben nicht Waare. Genug Widersprüche häuften sich übrigens im Geldverkehr bei den Kanonisten auch ohne die oben besprochenen. Denn das Geld blieb nach Obigem immer ein Tauschmittel (Waare als Waare) und wieder das Tauschmittel (Waare als allgemeines Werthmaß, als Preis); beidemal gesetzlich taxirt und beidemal doch schwankend im Preise. Gegen letzteren Punkt half natürlich nicht, wenn man jene zwei Seiten des Geldes als unvereinbar erklärte; dieses oder das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/458>, abgerufen am 23.07.2024.