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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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und Vermittler des Hauptverkehrs. Daher rührt es, daß edle und unedle
(ungeprägte, dann geprägte) Metalle je nach ihrem häufigen und mühelosem
Gewinn aus dem Boden der einzelnen Länder schon in früher Zeit mit den
eben erwähnten Naturgeldern concurrirten. Der alte Michaelis zeigt, daß hei
den Juden erst seit 1050 Goldmünzen cursirten. In Griechenland, zumal in
Sparta, erhielt sich das Eisengeld, welches nebst Zinngeld heute noch in Sene-
gambien und im Südosten Asiens gilt, lange im Verkehr: Kupfergeld begann
Wohl erst unter Philipp von Macedonien. -- In Italien dagegen bewirkte der
ausgedehnte Verkehr mit Nordafrika eine frühe Circulation des Kupfergeldes.
Seit der Mitte des dritten Jahrhunderts vor Christus etwa datirt hier das
Silbergeld, nur große Staatszahlungen leistete man in Gold, bis endlich der
großartig gesteigerte Volksreichthum in der Kaiserzeit das Goldgelb allgemein
nothwendig machte. In derselben Zeit berichtet Tacitus von der Armuth
unserer Vorfahren, denen Silber im Verkehre wesentlicher galt, als Gold. Eben
der Volksreichthum bewirkt heute in England die allgemeine Goldcirculation,
so daß Silber die Stelle unseres Kupfergeldes vertritt, während bei Einführung
des Goldgeldes, etwa um 1260, kaum königliche Befehle den Umlauf des Gol¬
des in London ermöglichen konnten. Dem gegenüber quält sich im Kirchen¬
staate der Bauer, der Handwerker, der Krämer noch jetzt, in gewaltigen Kupfer¬
münzen von der Größe der preußischen Zweithalerstücke (circius L^joeelü --
Sgr.) seinen geringen Marktverdienst weniger Thaler in Tüchern heim-
Zuschleppen. -- Daß schließlich die Edelmetalle den Hauptstoff der Münzen ab¬
geben, ist sehr erklärlich. Sie sind selten, der Luxus begehrt sie, sie concen-
t"ren ihren Werth in kleiner Masse, theilen sich deshalb gut, genau und sicher,
^rentiren leicht, überdauern die Jahrtausende, ertragen den Angriff der meisten
Zemente, und fügen sich wohlfeil dem Stempel des Staates, welcher ihre
Feinheit und Schwere anzeigt, und so statt der Privatleute sie erprobt und
wägt. Barren edlen Metalls, mit Angabe von Ort, Zeit und Feingehalt des
Busses als Prägung, sind das Geld des Völkerhandels und Völkerrechts; denn
die Autorität des einzelnen Staates tritt hier zurück.

Nicht so zweifellos indeß lagen diese heutigen Schlüsse über die Geschichte
Geldes den Kanonisten vor, die einmal das lehrreiche Detail nicht aus
ganzen Erdkreise sich sammeln konnten, und dann selbst in die von ihnen
zusammengestellten geschichtlichen Daten ihre kanonistisch-scholastischen Rechts- und
Sittengrundsätze fertig hineintrugen, um sie durch jene bestätigen zu lassen. Auf
^ehe Weise begründeten sie die Lehren vom Wesen des Geldes!, welche vermöge
ausgedehnten Macht der Kirche von tiefgreifendstem Einflüsse auf die Wirth-
gastliche Theorie und Praxis des Mittelalters und eines großen Theiles der
^uzen geworden sind.

Chrysostomus eifert in seiner Schrift über Matthäus gegen die Kaufleute.


und Vermittler des Hauptverkehrs. Daher rührt es, daß edle und unedle
(ungeprägte, dann geprägte) Metalle je nach ihrem häufigen und mühelosem
Gewinn aus dem Boden der einzelnen Länder schon in früher Zeit mit den
eben erwähnten Naturgeldern concurrirten. Der alte Michaelis zeigt, daß hei
den Juden erst seit 1050 Goldmünzen cursirten. In Griechenland, zumal in
Sparta, erhielt sich das Eisengeld, welches nebst Zinngeld heute noch in Sene-
gambien und im Südosten Asiens gilt, lange im Verkehr: Kupfergeld begann
Wohl erst unter Philipp von Macedonien. — In Italien dagegen bewirkte der
ausgedehnte Verkehr mit Nordafrika eine frühe Circulation des Kupfergeldes.
Seit der Mitte des dritten Jahrhunderts vor Christus etwa datirt hier das
Silbergeld, nur große Staatszahlungen leistete man in Gold, bis endlich der
großartig gesteigerte Volksreichthum in der Kaiserzeit das Goldgelb allgemein
nothwendig machte. In derselben Zeit berichtet Tacitus von der Armuth
unserer Vorfahren, denen Silber im Verkehre wesentlicher galt, als Gold. Eben
der Volksreichthum bewirkt heute in England die allgemeine Goldcirculation,
so daß Silber die Stelle unseres Kupfergeldes vertritt, während bei Einführung
des Goldgeldes, etwa um 1260, kaum königliche Befehle den Umlauf des Gol¬
des in London ermöglichen konnten. Dem gegenüber quält sich im Kirchen¬
staate der Bauer, der Handwerker, der Krämer noch jetzt, in gewaltigen Kupfer¬
münzen von der Größe der preußischen Zweithalerstücke (circius L^joeelü —
Sgr.) seinen geringen Marktverdienst weniger Thaler in Tüchern heim-
Zuschleppen. — Daß schließlich die Edelmetalle den Hauptstoff der Münzen ab¬
geben, ist sehr erklärlich. Sie sind selten, der Luxus begehrt sie, sie concen-
t"ren ihren Werth in kleiner Masse, theilen sich deshalb gut, genau und sicher,
^rentiren leicht, überdauern die Jahrtausende, ertragen den Angriff der meisten
Zemente, und fügen sich wohlfeil dem Stempel des Staates, welcher ihre
Feinheit und Schwere anzeigt, und so statt der Privatleute sie erprobt und
wägt. Barren edlen Metalls, mit Angabe von Ort, Zeit und Feingehalt des
Busses als Prägung, sind das Geld des Völkerhandels und Völkerrechts; denn
die Autorität des einzelnen Staates tritt hier zurück.

Nicht so zweifellos indeß lagen diese heutigen Schlüsse über die Geschichte
Geldes den Kanonisten vor, die einmal das lehrreiche Detail nicht aus
ganzen Erdkreise sich sammeln konnten, und dann selbst in die von ihnen
zusammengestellten geschichtlichen Daten ihre kanonistisch-scholastischen Rechts- und
Sittengrundsätze fertig hineintrugen, um sie durch jene bestätigen zu lassen. Auf
^ehe Weise begründeten sie die Lehren vom Wesen des Geldes!, welche vermöge
ausgedehnten Macht der Kirche von tiefgreifendstem Einflüsse auf die Wirth-
gastliche Theorie und Praxis des Mittelalters und eines großen Theiles der
^uzen geworden sind.

Chrysostomus eifert in seiner Schrift über Matthäus gegen die Kaufleute.


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[0455] und Vermittler des Hauptverkehrs. Daher rührt es, daß edle und unedle (ungeprägte, dann geprägte) Metalle je nach ihrem häufigen und mühelosem Gewinn aus dem Boden der einzelnen Länder schon in früher Zeit mit den eben erwähnten Naturgeldern concurrirten. Der alte Michaelis zeigt, daß hei den Juden erst seit 1050 Goldmünzen cursirten. In Griechenland, zumal in Sparta, erhielt sich das Eisengeld, welches nebst Zinngeld heute noch in Sene- gambien und im Südosten Asiens gilt, lange im Verkehr: Kupfergeld begann Wohl erst unter Philipp von Macedonien. — In Italien dagegen bewirkte der ausgedehnte Verkehr mit Nordafrika eine frühe Circulation des Kupfergeldes. Seit der Mitte des dritten Jahrhunderts vor Christus etwa datirt hier das Silbergeld, nur große Staatszahlungen leistete man in Gold, bis endlich der großartig gesteigerte Volksreichthum in der Kaiserzeit das Goldgelb allgemein nothwendig machte. In derselben Zeit berichtet Tacitus von der Armuth unserer Vorfahren, denen Silber im Verkehre wesentlicher galt, als Gold. Eben der Volksreichthum bewirkt heute in England die allgemeine Goldcirculation, so daß Silber die Stelle unseres Kupfergeldes vertritt, während bei Einführung des Goldgeldes, etwa um 1260, kaum königliche Befehle den Umlauf des Gol¬ des in London ermöglichen konnten. Dem gegenüber quält sich im Kirchen¬ staate der Bauer, der Handwerker, der Krämer noch jetzt, in gewaltigen Kupfer¬ münzen von der Größe der preußischen Zweithalerstücke (circius L^joeelü — Sgr.) seinen geringen Marktverdienst weniger Thaler in Tüchern heim- Zuschleppen. — Daß schließlich die Edelmetalle den Hauptstoff der Münzen ab¬ geben, ist sehr erklärlich. Sie sind selten, der Luxus begehrt sie, sie concen- t"ren ihren Werth in kleiner Masse, theilen sich deshalb gut, genau und sicher, ^rentiren leicht, überdauern die Jahrtausende, ertragen den Angriff der meisten Zemente, und fügen sich wohlfeil dem Stempel des Staates, welcher ihre Feinheit und Schwere anzeigt, und so statt der Privatleute sie erprobt und wägt. Barren edlen Metalls, mit Angabe von Ort, Zeit und Feingehalt des Busses als Prägung, sind das Geld des Völkerhandels und Völkerrechts; denn die Autorität des einzelnen Staates tritt hier zurück. Nicht so zweifellos indeß lagen diese heutigen Schlüsse über die Geschichte Geldes den Kanonisten vor, die einmal das lehrreiche Detail nicht aus ganzen Erdkreise sich sammeln konnten, und dann selbst in die von ihnen zusammengestellten geschichtlichen Daten ihre kanonistisch-scholastischen Rechts- und Sittengrundsätze fertig hineintrugen, um sie durch jene bestätigen zu lassen. Auf ^ehe Weise begründeten sie die Lehren vom Wesen des Geldes!, welche vermöge ausgedehnten Macht der Kirche von tiefgreifendstem Einflüsse auf die Wirth- gastliche Theorie und Praxis des Mittelalters und eines großen Theiles der ^uzen geworden sind. Chrysostomus eifert in seiner Schrift über Matthäus gegen die Kaufleute.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/455>, abgerufen am 23.07.2024.