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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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weiteren und einen engeren, der oben gegebenen Begriffsbestimmung sich sehr
annähernden Begriff des Geldes zusammen, Sie zeigen dadurch, wie viel besser
ihnen, als den übrigen alten Völkern, ihr dem Raume und Wesen nach aus¬
gebildeter Verkehr ermöglichte, die eigentliche Natur des Hauptverkehrsmittels
zu erkennen. Die Griechen selbst und zwar ihre bedeutendsten Köpfe
extravagiren bedenklich in der Begriffsbestimmung und Schätzung des Geldes.
Der Eine kennt Reichthum nur, wo er Geldschätze gehäuft sieht; -- Ztcnophon
glaubt, des Geldes könnte die Welt nie genug erhalten, daher müßte dem im¬
merwährenden, ja steigenden Bedürfnisse stets ein gleich hoher oder gar steigen¬
der Curs desselben entsprechen. Ein Dritter, und kein geringerer als Aristoteles,
weiß zwar, daß nur zum Leben brauchbare, nützliche Dinge sich als Geld eignen,
trotzdem behauptet er, das Geld habe keinen Werth in sich, sondern sei in sich
leer, wie die Spielmarken, und erhalte Bedeutung und Geltung nur durch die
übereinstimmende Billigung und Anerkennung der Gesetze und der verkehrtrei¬
benden Menschen. Daher nennt er das Geld auch an sich unfruchtbar gegen¬
über den gebärenden Organismen und dem fruchttragenden Boden; lege man
es in den Kasten, so erzeuge es keine Jungen, keine Zinsen, nur Gesetze und
Menschen schrieben seinen Zinsertrag vor. Wie sollte dann gar das Darlehn
dem Verleiher Zinsen bringen, bei dem doch der Entleiher sogleich Eigenthümer
der entliehenen Summe würde? Das dargeliehene Geld verschlechtere sich ja
nicht durch den Gebrauch des Entleihers, auch bezahle dieser nicht mit den Geld¬
zinsen die Zeit seines Darleihens; denn die Zeit sei ein nicht in Geld schätz¬
bares, allgemeines Gut. gleich der Luft und dem Sonnenlichte. -- Ihnen gegen¬
über bezeichneten die Römer mit Pecunia im umfassenderen Sinne nicht blos das
geprägte Geld, die Münzen, sondern alle Theile des Vermögens, unbewegliche
und bewegliche, körperliche und unkörperliche (z. B. Rechte), kurz alles, was
sich im Privatbesitze findet und Vermögenswerth hat. Im beschränkteren Sinne
dagegen hieß Pecunia ihnen das allgemein anerkannte und verbreitete Ver¬
kehrs- und Schätzungsmittel; und wie nahe sie hiermit zur Einsicht der diesem
Essay vorausgestellten Definition des Geldes gelangten, zeigt sich aus der treff¬
lichen Erklärung, welche Paulus, ihr größter Rechtskundiger, darüber abgiebt
(1. 1 v. 18, 1- eoutiAliöiräg, emtionö). Auch darauf, daß mit der allge¬
meinen Erkenntniß und Anerkennung des Geldes der Tauschverkehr endete,
weist schon mit Entschiedenheit, wenn auch in etwas äußerlicher, mehr juristischer,
als wirthschaftlicher Begründung Ulpian in den Worten hin: "Bezweifelt wird, ob
ohne die Existenz des Geldes heute von einem Kauf die Rede sein könnte, wie
wenn ich eine Toga gab, um eine Tunika zu empfangen. Sabinus und Cas-
sius meinen, dies sei ein Kauf, Nerva und Prokulus, es sei ein Tausch und
nicht ein Kauf. Aber richtiger ist die Meinung von Nerva und Prokulus.
Denn wie ein Unterschied besteht zwischen verkaufen und kaufen, Käufer und


weiteren und einen engeren, der oben gegebenen Begriffsbestimmung sich sehr
annähernden Begriff des Geldes zusammen, Sie zeigen dadurch, wie viel besser
ihnen, als den übrigen alten Völkern, ihr dem Raume und Wesen nach aus¬
gebildeter Verkehr ermöglichte, die eigentliche Natur des Hauptverkehrsmittels
zu erkennen. Die Griechen selbst und zwar ihre bedeutendsten Köpfe
extravagiren bedenklich in der Begriffsbestimmung und Schätzung des Geldes.
Der Eine kennt Reichthum nur, wo er Geldschätze gehäuft sieht; — Ztcnophon
glaubt, des Geldes könnte die Welt nie genug erhalten, daher müßte dem im¬
merwährenden, ja steigenden Bedürfnisse stets ein gleich hoher oder gar steigen¬
der Curs desselben entsprechen. Ein Dritter, und kein geringerer als Aristoteles,
weiß zwar, daß nur zum Leben brauchbare, nützliche Dinge sich als Geld eignen,
trotzdem behauptet er, das Geld habe keinen Werth in sich, sondern sei in sich
leer, wie die Spielmarken, und erhalte Bedeutung und Geltung nur durch die
übereinstimmende Billigung und Anerkennung der Gesetze und der verkehrtrei¬
benden Menschen. Daher nennt er das Geld auch an sich unfruchtbar gegen¬
über den gebärenden Organismen und dem fruchttragenden Boden; lege man
es in den Kasten, so erzeuge es keine Jungen, keine Zinsen, nur Gesetze und
Menschen schrieben seinen Zinsertrag vor. Wie sollte dann gar das Darlehn
dem Verleiher Zinsen bringen, bei dem doch der Entleiher sogleich Eigenthümer
der entliehenen Summe würde? Das dargeliehene Geld verschlechtere sich ja
nicht durch den Gebrauch des Entleihers, auch bezahle dieser nicht mit den Geld¬
zinsen die Zeit seines Darleihens; denn die Zeit sei ein nicht in Geld schätz¬
bares, allgemeines Gut. gleich der Luft und dem Sonnenlichte. — Ihnen gegen¬
über bezeichneten die Römer mit Pecunia im umfassenderen Sinne nicht blos das
geprägte Geld, die Münzen, sondern alle Theile des Vermögens, unbewegliche
und bewegliche, körperliche und unkörperliche (z. B. Rechte), kurz alles, was
sich im Privatbesitze findet und Vermögenswerth hat. Im beschränkteren Sinne
dagegen hieß Pecunia ihnen das allgemein anerkannte und verbreitete Ver¬
kehrs- und Schätzungsmittel; und wie nahe sie hiermit zur Einsicht der diesem
Essay vorausgestellten Definition des Geldes gelangten, zeigt sich aus der treff¬
lichen Erklärung, welche Paulus, ihr größter Rechtskundiger, darüber abgiebt
(1. 1 v. 18, 1- eoutiAliöiräg, emtionö). Auch darauf, daß mit der allge¬
meinen Erkenntniß und Anerkennung des Geldes der Tauschverkehr endete,
weist schon mit Entschiedenheit, wenn auch in etwas äußerlicher, mehr juristischer,
als wirthschaftlicher Begründung Ulpian in den Worten hin: „Bezweifelt wird, ob
ohne die Existenz des Geldes heute von einem Kauf die Rede sein könnte, wie
wenn ich eine Toga gab, um eine Tunika zu empfangen. Sabinus und Cas-
sius meinen, dies sei ein Kauf, Nerva und Prokulus, es sei ein Tausch und
nicht ein Kauf. Aber richtiger ist die Meinung von Nerva und Prokulus.
Denn wie ein Unterschied besteht zwischen verkaufen und kaufen, Käufer und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/452>, abgerufen am 23.07.2024.