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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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stilutionellen Verfassung gerichteten Bestrebungen seinen Beifall. Er hatte sich
zu Anfang der Bewegung in einem umfänglichen, vom 31. März 1848 datirten
Aufsatz für eine bloße Modification der mecklenburgischen ständischen Verfassung
ausgesprochen, nahm diese Ansicht aber später durch folgende Erklärung in der
"Rostocker Zeitung" vom 29. Sept. 1848 (Ur. 208) zurück: "Um einer an mich
ergangenen Aufforderung zu genügen, erkläre ich, daß die in dem Aufsatz Ur. 54
der "Rostocker Zettung" -- "Zum Verständniß der Tagesfragen" -- welcher
übrigens im Wesentlichen einer im Jahre 1838 zu Gießen erschienenen Abhand¬
lung entlehnt ist und blos zur Aufklärung über den Unterschied der ständischen
und Repräsentativverfassung dienen sollte -- enthaltenen Ansichten, insofern
sie sich für die ständische, Verfassung aussprechen, gegenwärtig von mir nicht
mehr getheilt werden, daß ich vielmehr aus Ac o erze ugun g die constitutio-
nelle Monarchie im Princip für eine Wahrheit halte. Die Be¬
strebungen der Reformvereine, so weit sie sich von den Grundsätzen der con-
stitutionellen Monarchie nicht entfernen, erkenne ich als berechtigt gerne an.


v. Both."

Die Stellung der Regierung zu der politischen Thätigkeit der Universitäts¬
lehrer änderte sich aber sehr wesentlich, als es im Verlauf des Jahres 1850
der Reaction gelungen war, im angeblichen Wege Rechtens die constitutionelle
Verfassung wieder zu beseitigen und den alten Feudalstaat neu aufzurichten.
Der Minister v. Schröter, welcher dazu hauptsächlich mitgewirkt und dann zu
diesem Zweke das Ministeramt übernommen hatte, leitete jetzt, außer dem Justiz¬
wesen, die Unterrichtsangelegenheiten und damit auch die Universität. Was
während der constitutionellen Aera vollkommen gesetzlich gewesen war und sogar
als Qualification zur Beförderung gegolten hatte, ward von der jetzt wieder zur
Macht gelangten feudalen Reaction fast zu einem Verbrechen gestempelt. Besonders
richtete sich der Haß und die Rache gegen die drei Professoren, welche Mit¬
glieder der beiden Abgeordnetenversammlungen gewesen waren und hier zu der
demokratischen Linken gehört hatten. Im Bunde mit dem Criminaldirector
Bolle, der jetzt in einer rheinischen Irrenanstalt die Nachwehen seines damaligen
Verhaltens zu tragen hat, wußte der Minister schon in den Jahren 1850 und
1851 gegen sie und ihre politischen Freunde verschiedene Untersuchungen wegen
Hochverraths in Bewegung zu setzen, die aber wegen gänzlichen Mangels an
Material kläglich scheiterten. Unter den in dieser Richtung gethanen Schritten
ragt namentlich eine große Haussuchung im Juli des Jahres 1850 hervor, die
aber in einer Fülle mitgeschleppter Papiere auch nicht ein Körnchen Stoff für
eine Anklage lieferte und durch die Festigkeit des damals noch nicht purificirter
Oberappellationsgerichts mit einer großen Niederlage der Veranstalter dieses
Verfahrens endigte. Als auf diesem Wege nichts zu erreichen war, versuchte
Herr v. Schröter sich der drei liberalen Professoren durch ein anderes Mittel


stilutionellen Verfassung gerichteten Bestrebungen seinen Beifall. Er hatte sich
zu Anfang der Bewegung in einem umfänglichen, vom 31. März 1848 datirten
Aufsatz für eine bloße Modification der mecklenburgischen ständischen Verfassung
ausgesprochen, nahm diese Ansicht aber später durch folgende Erklärung in der
„Rostocker Zeitung" vom 29. Sept. 1848 (Ur. 208) zurück: „Um einer an mich
ergangenen Aufforderung zu genügen, erkläre ich, daß die in dem Aufsatz Ur. 54
der „Rostocker Zettung" — „Zum Verständniß der Tagesfragen" — welcher
übrigens im Wesentlichen einer im Jahre 1838 zu Gießen erschienenen Abhand¬
lung entlehnt ist und blos zur Aufklärung über den Unterschied der ständischen
und Repräsentativverfassung dienen sollte — enthaltenen Ansichten, insofern
sie sich für die ständische, Verfassung aussprechen, gegenwärtig von mir nicht
mehr getheilt werden, daß ich vielmehr aus Ac o erze ugun g die constitutio-
nelle Monarchie im Princip für eine Wahrheit halte. Die Be¬
strebungen der Reformvereine, so weit sie sich von den Grundsätzen der con-
stitutionellen Monarchie nicht entfernen, erkenne ich als berechtigt gerne an.


v. Both."

Die Stellung der Regierung zu der politischen Thätigkeit der Universitäts¬
lehrer änderte sich aber sehr wesentlich, als es im Verlauf des Jahres 1850
der Reaction gelungen war, im angeblichen Wege Rechtens die constitutionelle
Verfassung wieder zu beseitigen und den alten Feudalstaat neu aufzurichten.
Der Minister v. Schröter, welcher dazu hauptsächlich mitgewirkt und dann zu
diesem Zweke das Ministeramt übernommen hatte, leitete jetzt, außer dem Justiz¬
wesen, die Unterrichtsangelegenheiten und damit auch die Universität. Was
während der constitutionellen Aera vollkommen gesetzlich gewesen war und sogar
als Qualification zur Beförderung gegolten hatte, ward von der jetzt wieder zur
Macht gelangten feudalen Reaction fast zu einem Verbrechen gestempelt. Besonders
richtete sich der Haß und die Rache gegen die drei Professoren, welche Mit¬
glieder der beiden Abgeordnetenversammlungen gewesen waren und hier zu der
demokratischen Linken gehört hatten. Im Bunde mit dem Criminaldirector
Bolle, der jetzt in einer rheinischen Irrenanstalt die Nachwehen seines damaligen
Verhaltens zu tragen hat, wußte der Minister schon in den Jahren 1850 und
1851 gegen sie und ihre politischen Freunde verschiedene Untersuchungen wegen
Hochverraths in Bewegung zu setzen, die aber wegen gänzlichen Mangels an
Material kläglich scheiterten. Unter den in dieser Richtung gethanen Schritten
ragt namentlich eine große Haussuchung im Juli des Jahres 1850 hervor, die
aber in einer Fülle mitgeschleppter Papiere auch nicht ein Körnchen Stoff für
eine Anklage lieferte und durch die Festigkeit des damals noch nicht purificirter
Oberappellationsgerichts mit einer großen Niederlage der Veranstalter dieses
Verfahrens endigte. Als auf diesem Wege nichts zu erreichen war, versuchte
Herr v. Schröter sich der drei liberalen Professoren durch ein anderes Mittel


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[0446] stilutionellen Verfassung gerichteten Bestrebungen seinen Beifall. Er hatte sich zu Anfang der Bewegung in einem umfänglichen, vom 31. März 1848 datirten Aufsatz für eine bloße Modification der mecklenburgischen ständischen Verfassung ausgesprochen, nahm diese Ansicht aber später durch folgende Erklärung in der „Rostocker Zeitung" vom 29. Sept. 1848 (Ur. 208) zurück: „Um einer an mich ergangenen Aufforderung zu genügen, erkläre ich, daß die in dem Aufsatz Ur. 54 der „Rostocker Zettung" — „Zum Verständniß der Tagesfragen" — welcher übrigens im Wesentlichen einer im Jahre 1838 zu Gießen erschienenen Abhand¬ lung entlehnt ist und blos zur Aufklärung über den Unterschied der ständischen und Repräsentativverfassung dienen sollte — enthaltenen Ansichten, insofern sie sich für die ständische, Verfassung aussprechen, gegenwärtig von mir nicht mehr getheilt werden, daß ich vielmehr aus Ac o erze ugun g die constitutio- nelle Monarchie im Princip für eine Wahrheit halte. Die Be¬ strebungen der Reformvereine, so weit sie sich von den Grundsätzen der con- stitutionellen Monarchie nicht entfernen, erkenne ich als berechtigt gerne an. v. Both." Die Stellung der Regierung zu der politischen Thätigkeit der Universitäts¬ lehrer änderte sich aber sehr wesentlich, als es im Verlauf des Jahres 1850 der Reaction gelungen war, im angeblichen Wege Rechtens die constitutionelle Verfassung wieder zu beseitigen und den alten Feudalstaat neu aufzurichten. Der Minister v. Schröter, welcher dazu hauptsächlich mitgewirkt und dann zu diesem Zweke das Ministeramt übernommen hatte, leitete jetzt, außer dem Justiz¬ wesen, die Unterrichtsangelegenheiten und damit auch die Universität. Was während der constitutionellen Aera vollkommen gesetzlich gewesen war und sogar als Qualification zur Beförderung gegolten hatte, ward von der jetzt wieder zur Macht gelangten feudalen Reaction fast zu einem Verbrechen gestempelt. Besonders richtete sich der Haß und die Rache gegen die drei Professoren, welche Mit¬ glieder der beiden Abgeordnetenversammlungen gewesen waren und hier zu der demokratischen Linken gehört hatten. Im Bunde mit dem Criminaldirector Bolle, der jetzt in einer rheinischen Irrenanstalt die Nachwehen seines damaligen Verhaltens zu tragen hat, wußte der Minister schon in den Jahren 1850 und 1851 gegen sie und ihre politischen Freunde verschiedene Untersuchungen wegen Hochverraths in Bewegung zu setzen, die aber wegen gänzlichen Mangels an Material kläglich scheiterten. Unter den in dieser Richtung gethanen Schritten ragt namentlich eine große Haussuchung im Juli des Jahres 1850 hervor, die aber in einer Fülle mitgeschleppter Papiere auch nicht ein Körnchen Stoff für eine Anklage lieferte und durch die Festigkeit des damals noch nicht purificirter Oberappellationsgerichts mit einer großen Niederlage der Veranstalter dieses Verfahrens endigte. Als auf diesem Wege nichts zu erreichen war, versuchte Herr v. Schröter sich der drei liberalen Professoren durch ein anderes Mittel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/446>, abgerufen am 23.07.2024.