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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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heres Vaterlandes in der Gegenwart ergriffen ist, werden auch wir von derselben
mächtig berührt. Obwohl nicht verfassungsmäßig berufen uns an der Entwicke¬
lung und Lösung der obschwebenden politischen Lebensfragen unseres Vaterlandes
zu betheiligen, sind wir darum nicht minder voll innerer Theilnahme dem öffent¬
lichen Leben zugewandt und von de? Bedeutsamkeit der Aufgaben, die hier vor¬
liegen, lebhaft durchdrungen." Es folgt die Versicherung, daß man sich in Ver¬
trauen und Liebe dem Großherzog verbunden fühle. "Diese unsere Gesinnung
glauben wir wahrhaft zu bethätigen, wenn wir im Hinblick auf die ganze Sage
des Landes Ew. K. H. unsere Ueberzeugung aussprechen, welche weder aus
irgendeinem Zeitereignisse hervorgegangen ist, noch erst jetzt
unter den Einflüssen der bewegten Gegenwart sich gebildet hat."
Die Verfassung, beißt es weiter, war für einen früheren Zeitraum gut; aber
es sind in den letzten fünfzig Jahren die gewaltigsten Bewegungen und Ver¬
änderungen überhaupt im Staatsleben eingetreten und haben auf die Verfassun¬
gen aller anderen Staaten Deutschlands bedingend eingewirkt. "Mit der Ent¬
wickelung des neueren Staats haben sich neue Elemente im Staatsleben aus¬
gebildet, ohne daß diese in den Organismus der ständischen Verfassung unseres
Vaterlandes aufgenommen worden sind. Während andere ständische Verfassun¬
gen durch einzelne zeitgemäße Modificationen fortgebildet wurden, ist in der
unsrigen keine Veränderung irgendeiner Art eingetreten." . . "Angesichts der
Bewegung, welche unsere ständische Verfassungsfrage hervorgerufen hat, können
wir uns doch nicht überhoben achten, auf den tieferen Grund derselben, der
nicht allein in der herrschenden Aufregung des Augenblicks zu suchen ist, hinzu¬
weisen. -- Jetzt, wo das Bewußtsein lebendig geworden ist, daß nicht blos
einzelne Stände zur Uebung politischer Rechte berufen sein können, erscheinen
diejenigen, welche gegenwärtig im alleinigen Besitze der ständischen Rechte sind,
in ungeeigneter Weise bevorzugt." Hier liege ein Mißverhältniß vor. dessen Be¬
seitigung und Ausgleichung durch weitere verfassungsmäßig herbeizuführende
Fortentwickelung der Verfassung die Aufgabe der Gegenwart sei. Mit diesem
aus eine Reform der Landesverfassung gerichteten Verlangen schließe
die Universität sich den von den verschiedensten Seiten laut gewordenen Wün¬
schen und Bitten an. Dies "geschieht zugleich in der Ueberzeugung, daß in
der verfassungsmäßigen Abänderung unserer ständischen Verfassung derjenige
Weg vorgezeichnet ist, auf welchem sodann alle weiteren gerechten Wünsche und
Bitten in einmüthigem Zusammenwirken aller Staatsgewalten eine dem Wohle
des Vaterlandes entsprechende Erledigung finden werden. In der sofortigen
Gewährung der von Seiten des Bundes jetzt gestatteten Preßfreiheit
würden wir eine Bürgschaft für die Erfüllung aller dieser Hoffnungen
sehen."

Nachdem die Ndresse kaum abgegangen war, sorgten die Unterzeichner zur


heres Vaterlandes in der Gegenwart ergriffen ist, werden auch wir von derselben
mächtig berührt. Obwohl nicht verfassungsmäßig berufen uns an der Entwicke¬
lung und Lösung der obschwebenden politischen Lebensfragen unseres Vaterlandes
zu betheiligen, sind wir darum nicht minder voll innerer Theilnahme dem öffent¬
lichen Leben zugewandt und von de? Bedeutsamkeit der Aufgaben, die hier vor¬
liegen, lebhaft durchdrungen." Es folgt die Versicherung, daß man sich in Ver¬
trauen und Liebe dem Großherzog verbunden fühle. „Diese unsere Gesinnung
glauben wir wahrhaft zu bethätigen, wenn wir im Hinblick auf die ganze Sage
des Landes Ew. K. H. unsere Ueberzeugung aussprechen, welche weder aus
irgendeinem Zeitereignisse hervorgegangen ist, noch erst jetzt
unter den Einflüssen der bewegten Gegenwart sich gebildet hat."
Die Verfassung, beißt es weiter, war für einen früheren Zeitraum gut; aber
es sind in den letzten fünfzig Jahren die gewaltigsten Bewegungen und Ver¬
änderungen überhaupt im Staatsleben eingetreten und haben auf die Verfassun¬
gen aller anderen Staaten Deutschlands bedingend eingewirkt. „Mit der Ent¬
wickelung des neueren Staats haben sich neue Elemente im Staatsleben aus¬
gebildet, ohne daß diese in den Organismus der ständischen Verfassung unseres
Vaterlandes aufgenommen worden sind. Während andere ständische Verfassun¬
gen durch einzelne zeitgemäße Modificationen fortgebildet wurden, ist in der
unsrigen keine Veränderung irgendeiner Art eingetreten." . . „Angesichts der
Bewegung, welche unsere ständische Verfassungsfrage hervorgerufen hat, können
wir uns doch nicht überhoben achten, auf den tieferen Grund derselben, der
nicht allein in der herrschenden Aufregung des Augenblicks zu suchen ist, hinzu¬
weisen. — Jetzt, wo das Bewußtsein lebendig geworden ist, daß nicht blos
einzelne Stände zur Uebung politischer Rechte berufen sein können, erscheinen
diejenigen, welche gegenwärtig im alleinigen Besitze der ständischen Rechte sind,
in ungeeigneter Weise bevorzugt." Hier liege ein Mißverhältniß vor. dessen Be¬
seitigung und Ausgleichung durch weitere verfassungsmäßig herbeizuführende
Fortentwickelung der Verfassung die Aufgabe der Gegenwart sei. Mit diesem
aus eine Reform der Landesverfassung gerichteten Verlangen schließe
die Universität sich den von den verschiedensten Seiten laut gewordenen Wün¬
schen und Bitten an. Dies „geschieht zugleich in der Ueberzeugung, daß in
der verfassungsmäßigen Abänderung unserer ständischen Verfassung derjenige
Weg vorgezeichnet ist, auf welchem sodann alle weiteren gerechten Wünsche und
Bitten in einmüthigem Zusammenwirken aller Staatsgewalten eine dem Wohle
des Vaterlandes entsprechende Erledigung finden werden. In der sofortigen
Gewährung der von Seiten des Bundes jetzt gestatteten Preßfreiheit
würden wir eine Bürgschaft für die Erfüllung aller dieser Hoffnungen
sehen."

Nachdem die Ndresse kaum abgegangen war, sorgten die Unterzeichner zur


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[0444] heres Vaterlandes in der Gegenwart ergriffen ist, werden auch wir von derselben mächtig berührt. Obwohl nicht verfassungsmäßig berufen uns an der Entwicke¬ lung und Lösung der obschwebenden politischen Lebensfragen unseres Vaterlandes zu betheiligen, sind wir darum nicht minder voll innerer Theilnahme dem öffent¬ lichen Leben zugewandt und von de? Bedeutsamkeit der Aufgaben, die hier vor¬ liegen, lebhaft durchdrungen." Es folgt die Versicherung, daß man sich in Ver¬ trauen und Liebe dem Großherzog verbunden fühle. „Diese unsere Gesinnung glauben wir wahrhaft zu bethätigen, wenn wir im Hinblick auf die ganze Sage des Landes Ew. K. H. unsere Ueberzeugung aussprechen, welche weder aus irgendeinem Zeitereignisse hervorgegangen ist, noch erst jetzt unter den Einflüssen der bewegten Gegenwart sich gebildet hat." Die Verfassung, beißt es weiter, war für einen früheren Zeitraum gut; aber es sind in den letzten fünfzig Jahren die gewaltigsten Bewegungen und Ver¬ änderungen überhaupt im Staatsleben eingetreten und haben auf die Verfassun¬ gen aller anderen Staaten Deutschlands bedingend eingewirkt. „Mit der Ent¬ wickelung des neueren Staats haben sich neue Elemente im Staatsleben aus¬ gebildet, ohne daß diese in den Organismus der ständischen Verfassung unseres Vaterlandes aufgenommen worden sind. Während andere ständische Verfassun¬ gen durch einzelne zeitgemäße Modificationen fortgebildet wurden, ist in der unsrigen keine Veränderung irgendeiner Art eingetreten." . . „Angesichts der Bewegung, welche unsere ständische Verfassungsfrage hervorgerufen hat, können wir uns doch nicht überhoben achten, auf den tieferen Grund derselben, der nicht allein in der herrschenden Aufregung des Augenblicks zu suchen ist, hinzu¬ weisen. — Jetzt, wo das Bewußtsein lebendig geworden ist, daß nicht blos einzelne Stände zur Uebung politischer Rechte berufen sein können, erscheinen diejenigen, welche gegenwärtig im alleinigen Besitze der ständischen Rechte sind, in ungeeigneter Weise bevorzugt." Hier liege ein Mißverhältniß vor. dessen Be¬ seitigung und Ausgleichung durch weitere verfassungsmäßig herbeizuführende Fortentwickelung der Verfassung die Aufgabe der Gegenwart sei. Mit diesem aus eine Reform der Landesverfassung gerichteten Verlangen schließe die Universität sich den von den verschiedensten Seiten laut gewordenen Wün¬ schen und Bitten an. Dies „geschieht zugleich in der Ueberzeugung, daß in der verfassungsmäßigen Abänderung unserer ständischen Verfassung derjenige Weg vorgezeichnet ist, auf welchem sodann alle weiteren gerechten Wünsche und Bitten in einmüthigem Zusammenwirken aller Staatsgewalten eine dem Wohle des Vaterlandes entsprechende Erledigung finden werden. In der sofortigen Gewährung der von Seiten des Bundes jetzt gestatteten Preßfreiheit würden wir eine Bürgschaft für die Erfüllung aller dieser Hoffnungen sehen." Nachdem die Ndresse kaum abgegangen war, sorgten die Unterzeichner zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/444>, abgerufen am 23.07.2024.