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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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wenn von radicaler Seite in ächt vormärzlicher Art wieder ein Sturm gegen
die Beamtengehalte überhaupt heraufbeschworen wurde und der "Beobachter"
seine Spalten mit banausischen Zuschriften vom Lande anfüllte. Es blieb nichts
übrig als die Aufbesserungen zu verwilligen und dafür die Versprechungen der
Regierung entgegenzunehmen.

Auch gegen das Institut des Geheimeraths sielen bei dieser Gelegenheit
scharfe Streiche. In der That gehört seine UnPopularität zu denjenigen Punkten,
in welchen die öffentliche Meinung des Landes am einstimmigsten ist. Der Ge-
heimerath gilt theils für eine überflüssige, theils für eine schädliche, mit dem
Geist der Verfassung in Widerspruch stehende Institution. Er hat nämlich eine
doppelte Function. Einmal ist er die oberste Instanz in Verwaltungssachen,
bildet also die Spitze in dem berühmten würtembergischen Instanzenzug, zu
dessen Charakterisirung es genügt, wenn ich anführe, daß Bagatellsachen wie
Z- B. die Verweigerung der Bürgerrechtsertheilung, nicht weniger als fünf In¬
stanzen durchzumachen haben. Noch weit mißliebiger aber ist der Geheimerath
als berathende Behörde für alle gesetzgeberische Arbeiten. Geht ein Gesetz¬
entwurf nach gründlichster Vorbereitung aus den Ministerien hervor, so muh
er, bevor er den Kammern vorgelegt wird, die Instanz des Geheimerathes
Passiren. Auf diese Weise ist, wie eine reiche Erfahrung lehrt, dafür gesorgt,
daß die Gesetzentwürfe entweder auf Nimmerwiedersehen verschwinden oder
auf merkwürdige Weise zugerichtet werden oder im günstigsten Falle Monate
und Jahre lang verschleppt werden. Man begreift, daß eine solche Institution
lich nicht der besonderen Gunst der Kammer und des Landes erfreut.

Arier den Arbeiten, welche die Kammer bisher erledigt hat, verdient das
Cvmvlcxlastengcsetz und eine Schulnovelle genannt zu werden. Jenes bildet
einen Nachtrag zur Ablösungsgcsetzgebung, die damit endlich zur Ruhe kommt.
Nachdem die Lasten des Bauernstandes abgelöst worden sind, war es nur
billig, daß die aus eidlichen Gütern oder Stadtgemeinden ruhenden Lasten in
betreff von Kirchen- und Schulbänken u. s. w. gleichfalls abgelöst wurden.
Daß nicht schon längst eine Vereinbarung auch hierüber erzielt wurde, war
k'uzig die Schuld des Adels selbst, welcher durch seine auch beim deutschen
^und angebrachten Ansprüche auf Nachtragsentschädigungcn die Avlösungsgesetz-
Sebung der Jahre 1848/49 immer noch in Frage stellte. Die Regierung gab
I^t das gewünschte feierliche Versprechen ab. daß sie das Ablösungswerk gegen
Sprüche und Angriffe jeder Art aufrecht halten werde, und da man an der
Zustimmung der 1. Kammer zum neuen Gesetz nicht zweifelt, darf damit eine
^'eilst'age, welche so lange die öffentliche Meinung des Landes beschäftigte
"ud in Aufregung hielt als erledigt gelten.

Von dem sogenannten Schulgesetz, richtiger Schullehrergesetz, welches der
Kultusminister vorlegte, hatte man sich zuvor größere Dinge versprochen. Da


wenn von radicaler Seite in ächt vormärzlicher Art wieder ein Sturm gegen
die Beamtengehalte überhaupt heraufbeschworen wurde und der „Beobachter"
seine Spalten mit banausischen Zuschriften vom Lande anfüllte. Es blieb nichts
übrig als die Aufbesserungen zu verwilligen und dafür die Versprechungen der
Regierung entgegenzunehmen.

Auch gegen das Institut des Geheimeraths sielen bei dieser Gelegenheit
scharfe Streiche. In der That gehört seine UnPopularität zu denjenigen Punkten,
in welchen die öffentliche Meinung des Landes am einstimmigsten ist. Der Ge-
heimerath gilt theils für eine überflüssige, theils für eine schädliche, mit dem
Geist der Verfassung in Widerspruch stehende Institution. Er hat nämlich eine
doppelte Function. Einmal ist er die oberste Instanz in Verwaltungssachen,
bildet also die Spitze in dem berühmten würtembergischen Instanzenzug, zu
dessen Charakterisirung es genügt, wenn ich anführe, daß Bagatellsachen wie
Z- B. die Verweigerung der Bürgerrechtsertheilung, nicht weniger als fünf In¬
stanzen durchzumachen haben. Noch weit mißliebiger aber ist der Geheimerath
als berathende Behörde für alle gesetzgeberische Arbeiten. Geht ein Gesetz¬
entwurf nach gründlichster Vorbereitung aus den Ministerien hervor, so muh
er, bevor er den Kammern vorgelegt wird, die Instanz des Geheimerathes
Passiren. Auf diese Weise ist, wie eine reiche Erfahrung lehrt, dafür gesorgt,
daß die Gesetzentwürfe entweder auf Nimmerwiedersehen verschwinden oder
auf merkwürdige Weise zugerichtet werden oder im günstigsten Falle Monate
und Jahre lang verschleppt werden. Man begreift, daß eine solche Institution
lich nicht der besonderen Gunst der Kammer und des Landes erfreut.

Arier den Arbeiten, welche die Kammer bisher erledigt hat, verdient das
Cvmvlcxlastengcsetz und eine Schulnovelle genannt zu werden. Jenes bildet
einen Nachtrag zur Ablösungsgcsetzgebung, die damit endlich zur Ruhe kommt.
Nachdem die Lasten des Bauernstandes abgelöst worden sind, war es nur
billig, daß die aus eidlichen Gütern oder Stadtgemeinden ruhenden Lasten in
betreff von Kirchen- und Schulbänken u. s. w. gleichfalls abgelöst wurden.
Daß nicht schon längst eine Vereinbarung auch hierüber erzielt wurde, war
k'uzig die Schuld des Adels selbst, welcher durch seine auch beim deutschen
^und angebrachten Ansprüche auf Nachtragsentschädigungcn die Avlösungsgesetz-
Sebung der Jahre 1848/49 immer noch in Frage stellte. Die Regierung gab
I^t das gewünschte feierliche Versprechen ab. daß sie das Ablösungswerk gegen
Sprüche und Angriffe jeder Art aufrecht halten werde, und da man an der
Zustimmung der 1. Kammer zum neuen Gesetz nicht zweifelt, darf damit eine
^'eilst'age, welche so lange die öffentliche Meinung des Landes beschäftigte
"ud in Aufregung hielt als erledigt gelten.

Von dem sogenannten Schulgesetz, richtiger Schullehrergesetz, welches der
Kultusminister vorlegte, hatte man sich zuvor größere Dinge versprochen. Da


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[0415] wenn von radicaler Seite in ächt vormärzlicher Art wieder ein Sturm gegen die Beamtengehalte überhaupt heraufbeschworen wurde und der „Beobachter" seine Spalten mit banausischen Zuschriften vom Lande anfüllte. Es blieb nichts übrig als die Aufbesserungen zu verwilligen und dafür die Versprechungen der Regierung entgegenzunehmen. Auch gegen das Institut des Geheimeraths sielen bei dieser Gelegenheit scharfe Streiche. In der That gehört seine UnPopularität zu denjenigen Punkten, in welchen die öffentliche Meinung des Landes am einstimmigsten ist. Der Ge- heimerath gilt theils für eine überflüssige, theils für eine schädliche, mit dem Geist der Verfassung in Widerspruch stehende Institution. Er hat nämlich eine doppelte Function. Einmal ist er die oberste Instanz in Verwaltungssachen, bildet also die Spitze in dem berühmten würtembergischen Instanzenzug, zu dessen Charakterisirung es genügt, wenn ich anführe, daß Bagatellsachen wie Z- B. die Verweigerung der Bürgerrechtsertheilung, nicht weniger als fünf In¬ stanzen durchzumachen haben. Noch weit mißliebiger aber ist der Geheimerath als berathende Behörde für alle gesetzgeberische Arbeiten. Geht ein Gesetz¬ entwurf nach gründlichster Vorbereitung aus den Ministerien hervor, so muh er, bevor er den Kammern vorgelegt wird, die Instanz des Geheimerathes Passiren. Auf diese Weise ist, wie eine reiche Erfahrung lehrt, dafür gesorgt, daß die Gesetzentwürfe entweder auf Nimmerwiedersehen verschwinden oder auf merkwürdige Weise zugerichtet werden oder im günstigsten Falle Monate und Jahre lang verschleppt werden. Man begreift, daß eine solche Institution lich nicht der besonderen Gunst der Kammer und des Landes erfreut. Arier den Arbeiten, welche die Kammer bisher erledigt hat, verdient das Cvmvlcxlastengcsetz und eine Schulnovelle genannt zu werden. Jenes bildet einen Nachtrag zur Ablösungsgcsetzgebung, die damit endlich zur Ruhe kommt. Nachdem die Lasten des Bauernstandes abgelöst worden sind, war es nur billig, daß die aus eidlichen Gütern oder Stadtgemeinden ruhenden Lasten in betreff von Kirchen- und Schulbänken u. s. w. gleichfalls abgelöst wurden. Daß nicht schon längst eine Vereinbarung auch hierüber erzielt wurde, war k'uzig die Schuld des Adels selbst, welcher durch seine auch beim deutschen ^und angebrachten Ansprüche auf Nachtragsentschädigungcn die Avlösungsgesetz- Sebung der Jahre 1848/49 immer noch in Frage stellte. Die Regierung gab I^t das gewünschte feierliche Versprechen ab. daß sie das Ablösungswerk gegen Sprüche und Angriffe jeder Art aufrecht halten werde, und da man an der Zustimmung der 1. Kammer zum neuen Gesetz nicht zweifelt, darf damit eine ^'eilst'age, welche so lange die öffentliche Meinung des Landes beschäftigte "ud in Aufregung hielt als erledigt gelten. Von dem sogenannten Schulgesetz, richtiger Schullehrergesetz, welches der Kultusminister vorlegte, hatte man sich zuvor größere Dinge versprochen. Da

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/415>, abgerufen am 23.07.2024.