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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Parade bezogen, während Düppel und Alsen erobert wurden, so ist doch dieses
Gefühl, eine Demüthigung erlitten zu haben, zur Zeit stärker als die leiden¬
schaftslose politische Erwägung und der Entschluß dafür zu wirken, daß Ähn¬
liches uns künftig erspart sein möge. So ist es erklärlich daß, wenn man nur
auf die Oberfläche blickt, die particularistische Strömung sich verstärkte und hef¬
tig aufschäumte, wie es jederzeit der Fall sein wird, wenn der Gang der Er¬
eignisse ihr ein verständliches Memento zuruft.

An Vorwänden, mit welchen der Particularismus sich bedeckte, hat es ihm
nie gefehlt. Daß sie ihm gerade jetzt besonders reichlich zuflössen, dafür sorgte
das gegenwärtige Regiment in Preußen, seine innere Mißregierung wie seine
Behandlung der Herzogthümerfrage. Ich brauche nicht zu schildern, in welcher
Weise diese Umstände von unsern radicalen Particularisten ausgebeutet wurden.
Sie trieben den Scherz so weit, daß sie den Holsteinern ein förmliches Condv-
lenzschreibcn zu ihrer Befreiung übersandten. Erfreulicher ist es, daß die Führer
unsrer Demokratie es endlich müde wurden, die moralische Mitverantwortlich¬
keit für die lustige Studentenpvlitik des bisherigen demokratischen Organs zu
tragen, welches zwar ganz amüsant zu lesen ist, aber die politische Bildung sei¬
ner Partei doch in einem zweifelhaften Licht erscheinen ließ. Es kostete nicht
wenig Mühe, bis die Herren Hölder, Seeger, Fetzer u. s. w. definitiv sich end¬
lich von der Partei des "Beobachter" lossagten und ein eigenes Organ zur
Vertretung ihrer Ansichten gründeten, und ihre Stellung wäre jetzt ohne Zwei¬
fel günstiger, wenn sie früher schon den Schritt gethan hätten, der eine längst
unerträglich gewordene Situation klären mußte. Auch hat das neue Blatt, die
"schwäbische Zeitung", mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen, die zum
Theil in der Natur der Sache liegen. Daß der Preußenhaß gegenwärtig im
demokratischen Lager populär ist, ist erklärlich und es ist immer schwieriger Vor¬
urtheile zu bekämpfen als ihnen zu schmeicheln; mißlicher noch ist. daß das
neue Blatt, während doch gerade die Hauptdifferenz der beiden Fractionen in
der deutschen Frage liegt, eben in diesem Punkte nur ein unbestimmtes Pro¬
gramm aufstellte, dessen Wortlaut der "Beobachter" höhnisch als sein eigenes
"cceptiren konnte. Indessen stellte sich bald der Unterschied deutlich heraus.
Bekannte sich auch das neue Blatt zu einer Föderativpolitik, so suchte es doch
"eben den "Hegemoniegelüsten" auch den Particularismus zu bekämpfen, es
nutzte zwischen dem preußischen Staat und seiner gegenwärtigen Regierung zu
unterscheiden und zeigte insbesondere das Bestreben, sich bald auf einer Linie
Zu halten, auf welcher es die Berührung mit den nationalen Parteien außer¬
halb Schwabens nicht verlor. Uebrigens sieht es seine Aufgabe wesentlich auch
darin, die inländischen Fragen im Sinne seiner Gründer zu erörtern. Es erschien
"'u 1. Januar, also fast gleichzeitig mit der Eröffnung der Session.

Daß die gegenwärtige Session, welche vorzugsweise der Berathung des


Parade bezogen, während Düppel und Alsen erobert wurden, so ist doch dieses
Gefühl, eine Demüthigung erlitten zu haben, zur Zeit stärker als die leiden¬
schaftslose politische Erwägung und der Entschluß dafür zu wirken, daß Ähn¬
liches uns künftig erspart sein möge. So ist es erklärlich daß, wenn man nur
auf die Oberfläche blickt, die particularistische Strömung sich verstärkte und hef¬
tig aufschäumte, wie es jederzeit der Fall sein wird, wenn der Gang der Er¬
eignisse ihr ein verständliches Memento zuruft.

An Vorwänden, mit welchen der Particularismus sich bedeckte, hat es ihm
nie gefehlt. Daß sie ihm gerade jetzt besonders reichlich zuflössen, dafür sorgte
das gegenwärtige Regiment in Preußen, seine innere Mißregierung wie seine
Behandlung der Herzogthümerfrage. Ich brauche nicht zu schildern, in welcher
Weise diese Umstände von unsern radicalen Particularisten ausgebeutet wurden.
Sie trieben den Scherz so weit, daß sie den Holsteinern ein förmliches Condv-
lenzschreibcn zu ihrer Befreiung übersandten. Erfreulicher ist es, daß die Führer
unsrer Demokratie es endlich müde wurden, die moralische Mitverantwortlich¬
keit für die lustige Studentenpvlitik des bisherigen demokratischen Organs zu
tragen, welches zwar ganz amüsant zu lesen ist, aber die politische Bildung sei¬
ner Partei doch in einem zweifelhaften Licht erscheinen ließ. Es kostete nicht
wenig Mühe, bis die Herren Hölder, Seeger, Fetzer u. s. w. definitiv sich end¬
lich von der Partei des „Beobachter" lossagten und ein eigenes Organ zur
Vertretung ihrer Ansichten gründeten, und ihre Stellung wäre jetzt ohne Zwei¬
fel günstiger, wenn sie früher schon den Schritt gethan hätten, der eine längst
unerträglich gewordene Situation klären mußte. Auch hat das neue Blatt, die
»schwäbische Zeitung", mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen, die zum
Theil in der Natur der Sache liegen. Daß der Preußenhaß gegenwärtig im
demokratischen Lager populär ist, ist erklärlich und es ist immer schwieriger Vor¬
urtheile zu bekämpfen als ihnen zu schmeicheln; mißlicher noch ist. daß das
neue Blatt, während doch gerade die Hauptdifferenz der beiden Fractionen in
der deutschen Frage liegt, eben in diesem Punkte nur ein unbestimmtes Pro¬
gramm aufstellte, dessen Wortlaut der „Beobachter" höhnisch als sein eigenes
«cceptiren konnte. Indessen stellte sich bald der Unterschied deutlich heraus.
Bekannte sich auch das neue Blatt zu einer Föderativpolitik, so suchte es doch
«eben den „Hegemoniegelüsten" auch den Particularismus zu bekämpfen, es
nutzte zwischen dem preußischen Staat und seiner gegenwärtigen Regierung zu
unterscheiden und zeigte insbesondere das Bestreben, sich bald auf einer Linie
Zu halten, auf welcher es die Berührung mit den nationalen Parteien außer¬
halb Schwabens nicht verlor. Uebrigens sieht es seine Aufgabe wesentlich auch
darin, die inländischen Fragen im Sinne seiner Gründer zu erörtern. Es erschien
"'u 1. Januar, also fast gleichzeitig mit der Eröffnung der Session.

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[0413] Parade bezogen, während Düppel und Alsen erobert wurden, so ist doch dieses Gefühl, eine Demüthigung erlitten zu haben, zur Zeit stärker als die leiden¬ schaftslose politische Erwägung und der Entschluß dafür zu wirken, daß Ähn¬ liches uns künftig erspart sein möge. So ist es erklärlich daß, wenn man nur auf die Oberfläche blickt, die particularistische Strömung sich verstärkte und hef¬ tig aufschäumte, wie es jederzeit der Fall sein wird, wenn der Gang der Er¬ eignisse ihr ein verständliches Memento zuruft. An Vorwänden, mit welchen der Particularismus sich bedeckte, hat es ihm nie gefehlt. Daß sie ihm gerade jetzt besonders reichlich zuflössen, dafür sorgte das gegenwärtige Regiment in Preußen, seine innere Mißregierung wie seine Behandlung der Herzogthümerfrage. Ich brauche nicht zu schildern, in welcher Weise diese Umstände von unsern radicalen Particularisten ausgebeutet wurden. Sie trieben den Scherz so weit, daß sie den Holsteinern ein förmliches Condv- lenzschreibcn zu ihrer Befreiung übersandten. Erfreulicher ist es, daß die Führer unsrer Demokratie es endlich müde wurden, die moralische Mitverantwortlich¬ keit für die lustige Studentenpvlitik des bisherigen demokratischen Organs zu tragen, welches zwar ganz amüsant zu lesen ist, aber die politische Bildung sei¬ ner Partei doch in einem zweifelhaften Licht erscheinen ließ. Es kostete nicht wenig Mühe, bis die Herren Hölder, Seeger, Fetzer u. s. w. definitiv sich end¬ lich von der Partei des „Beobachter" lossagten und ein eigenes Organ zur Vertretung ihrer Ansichten gründeten, und ihre Stellung wäre jetzt ohne Zwei¬ fel günstiger, wenn sie früher schon den Schritt gethan hätten, der eine längst unerträglich gewordene Situation klären mußte. Auch hat das neue Blatt, die »schwäbische Zeitung", mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen, die zum Theil in der Natur der Sache liegen. Daß der Preußenhaß gegenwärtig im demokratischen Lager populär ist, ist erklärlich und es ist immer schwieriger Vor¬ urtheile zu bekämpfen als ihnen zu schmeicheln; mißlicher noch ist. daß das neue Blatt, während doch gerade die Hauptdifferenz der beiden Fractionen in der deutschen Frage liegt, eben in diesem Punkte nur ein unbestimmtes Pro¬ gramm aufstellte, dessen Wortlaut der „Beobachter" höhnisch als sein eigenes «cceptiren konnte. Indessen stellte sich bald der Unterschied deutlich heraus. Bekannte sich auch das neue Blatt zu einer Föderativpolitik, so suchte es doch «eben den „Hegemoniegelüsten" auch den Particularismus zu bekämpfen, es nutzte zwischen dem preußischen Staat und seiner gegenwärtigen Regierung zu unterscheiden und zeigte insbesondere das Bestreben, sich bald auf einer Linie Zu halten, auf welcher es die Berührung mit den nationalen Parteien außer¬ halb Schwabens nicht verlor. Uebrigens sieht es seine Aufgabe wesentlich auch darin, die inländischen Fragen im Sinne seiner Gründer zu erörtern. Es erschien "'u 1. Januar, also fast gleichzeitig mit der Eröffnung der Session. Daß die gegenwärtige Session, welche vorzugsweise der Berathung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/413>, abgerufen am 23.07.2024.