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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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wird, der, wenn er nicht durch den schroffsten Militärdespotismus überwunden
wird, die Monarchie zertrümmern muß. -- diese Einsicht hat sich noch nicht
entschieden genug geltend gemacht; und sie wird nur sehr allmälig Boden ge¬
winnen, da die westlichen Stämme der Monarchie nicht ohne große Selbstüber¬
windung dahin kommen werden, neidlos die Macht des magyarischen Elementes
in seiner vollen Bedeutung zu würdigen.

Ueber den ersten Schritt, der gethan werden muß, um das Verhältniß zu
Ungarn ins Klare zu setzen, sind die Parteien, wie wir schon sahen, einig:
Berufung des ungarischen Parlamentes, die den" auch, wie es heißt, nahe
bevorsteht*). Ein Fortschritt ist es immerhin, daß die Ueberzeugung von der
Nothwendigkeit dieser Maßregel sich Bahn gebrochen hat: nur darf man sich
nicht der Erwartung hingeben, eine Differenz, zu deren Ausgleichung bis jetzt
noch nicht die ersten Präliminarien gefunden sind, durch Unterhandlungen rasch
und leicht beizulegen. Die Verlegenheiten der Regierung sind so groß, ihr
Bedürfniß, den inneren Frieden herzustellen, ist so dringend, daß man auf ein
gefälliges Entgegenkommen der Ungarn, die schwerlich die Gunst der Lage un¬
benutzt lassen werden, nicht wird rechnen können. Die Möglichkeit, daß die
Regierung, falls ti" Versuche einer friedlichen Einigung mit dem Landtage
scheitern, allgemeine Landeswahlen zum Reichsrathe (nach §. 7 des Februarva-
"dentes) veranstalten könnte, wird auf die Ungarn gar keinen Eindruck machen,
da sie sich überzeugt hallen werden, daß ein derartiger Schritt nur zu einer
völligen Niederlage der Negierung führen würde. Die Anwendung von Ge¬
walt aber brauchen die Ungarn nicht zu fürchten, da niemand der Regierung,
deren Friedensbedürsniß klar zu Tage liegt, den unsinnigen Entschluß zutraut,
ihre zahlreichen Verlegenheiten durch das Hervorrufen eines Bürgerkrieges zu
steigern. Wenn man nun die Gewißheit hat, daß Oestreich, was es nicht auf
dem Wege der Güte erreicht, auf dem Wege der Gewalt gewiß nicht erreichen
wird, so läßt sich erwarten, daß die Ungarn entweder ihre Forderungen sehr
hoch spannen, oder daß sie gar auf ihrem rein negativen, abweisender Stand-
Punkte verharren werden.

Man wird doch zuletzt, um zum Ziele zu gelangen, die Ansprüche der
Ungarn auf die xartos aclnexas im weitesten Umfange anerkennen und also
mit dem Princip des Ziviäö et impera vollständig brechen müssen, d. h. also
statt Ungarn zu schwächen, wird man es nach Umfang und Bedeutung viel¬
mehr zu stärken haben. In Betreff der Wirkung, welche dies auf die Grup-
pirung der Machtverhältnisse innerhalb der Monarchie, auf den "Schwerpunkt"



') Auf die staatsrechtlichen Differenzen zwischen der Regierung und Ungarn, zu denen
"'öslicherweise schon die Einberufung deS Parlamente" Veranlassung geben könnte, rönnen
Ka hier nicht eingehen.
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wird, der, wenn er nicht durch den schroffsten Militärdespotismus überwunden
wird, die Monarchie zertrümmern muß. — diese Einsicht hat sich noch nicht
entschieden genug geltend gemacht; und sie wird nur sehr allmälig Boden ge¬
winnen, da die westlichen Stämme der Monarchie nicht ohne große Selbstüber¬
windung dahin kommen werden, neidlos die Macht des magyarischen Elementes
in seiner vollen Bedeutung zu würdigen.

Ueber den ersten Schritt, der gethan werden muß, um das Verhältniß zu
Ungarn ins Klare zu setzen, sind die Parteien, wie wir schon sahen, einig:
Berufung des ungarischen Parlamentes, die den» auch, wie es heißt, nahe
bevorsteht*). Ein Fortschritt ist es immerhin, daß die Ueberzeugung von der
Nothwendigkeit dieser Maßregel sich Bahn gebrochen hat: nur darf man sich
nicht der Erwartung hingeben, eine Differenz, zu deren Ausgleichung bis jetzt
noch nicht die ersten Präliminarien gefunden sind, durch Unterhandlungen rasch
und leicht beizulegen. Die Verlegenheiten der Regierung sind so groß, ihr
Bedürfniß, den inneren Frieden herzustellen, ist so dringend, daß man auf ein
gefälliges Entgegenkommen der Ungarn, die schwerlich die Gunst der Lage un¬
benutzt lassen werden, nicht wird rechnen können. Die Möglichkeit, daß die
Regierung, falls ti« Versuche einer friedlichen Einigung mit dem Landtage
scheitern, allgemeine Landeswahlen zum Reichsrathe (nach §. 7 des Februarva-
»dentes) veranstalten könnte, wird auf die Ungarn gar keinen Eindruck machen,
da sie sich überzeugt hallen werden, daß ein derartiger Schritt nur zu einer
völligen Niederlage der Negierung führen würde. Die Anwendung von Ge¬
walt aber brauchen die Ungarn nicht zu fürchten, da niemand der Regierung,
deren Friedensbedürsniß klar zu Tage liegt, den unsinnigen Entschluß zutraut,
ihre zahlreichen Verlegenheiten durch das Hervorrufen eines Bürgerkrieges zu
steigern. Wenn man nun die Gewißheit hat, daß Oestreich, was es nicht auf
dem Wege der Güte erreicht, auf dem Wege der Gewalt gewiß nicht erreichen
wird, so läßt sich erwarten, daß die Ungarn entweder ihre Forderungen sehr
hoch spannen, oder daß sie gar auf ihrem rein negativen, abweisender Stand-
Punkte verharren werden.

Man wird doch zuletzt, um zum Ziele zu gelangen, die Ansprüche der
Ungarn auf die xartos aclnexas im weitesten Umfange anerkennen und also
mit dem Princip des Ziviäö et impera vollständig brechen müssen, d. h. also
statt Ungarn zu schwächen, wird man es nach Umfang und Bedeutung viel¬
mehr zu stärken haben. In Betreff der Wirkung, welche dies auf die Grup-
pirung der Machtverhältnisse innerhalb der Monarchie, auf den „Schwerpunkt"



') Auf die staatsrechtlichen Differenzen zwischen der Regierung und Ungarn, zu denen
"'öslicherweise schon die Einberufung deS Parlamente» Veranlassung geben könnte, rönnen
Ka hier nicht eingehen.
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[0403] wird, der, wenn er nicht durch den schroffsten Militärdespotismus überwunden wird, die Monarchie zertrümmern muß. — diese Einsicht hat sich noch nicht entschieden genug geltend gemacht; und sie wird nur sehr allmälig Boden ge¬ winnen, da die westlichen Stämme der Monarchie nicht ohne große Selbstüber¬ windung dahin kommen werden, neidlos die Macht des magyarischen Elementes in seiner vollen Bedeutung zu würdigen. Ueber den ersten Schritt, der gethan werden muß, um das Verhältniß zu Ungarn ins Klare zu setzen, sind die Parteien, wie wir schon sahen, einig: Berufung des ungarischen Parlamentes, die den» auch, wie es heißt, nahe bevorsteht*). Ein Fortschritt ist es immerhin, daß die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit dieser Maßregel sich Bahn gebrochen hat: nur darf man sich nicht der Erwartung hingeben, eine Differenz, zu deren Ausgleichung bis jetzt noch nicht die ersten Präliminarien gefunden sind, durch Unterhandlungen rasch und leicht beizulegen. Die Verlegenheiten der Regierung sind so groß, ihr Bedürfniß, den inneren Frieden herzustellen, ist so dringend, daß man auf ein gefälliges Entgegenkommen der Ungarn, die schwerlich die Gunst der Lage un¬ benutzt lassen werden, nicht wird rechnen können. Die Möglichkeit, daß die Regierung, falls ti« Versuche einer friedlichen Einigung mit dem Landtage scheitern, allgemeine Landeswahlen zum Reichsrathe (nach §. 7 des Februarva- »dentes) veranstalten könnte, wird auf die Ungarn gar keinen Eindruck machen, da sie sich überzeugt hallen werden, daß ein derartiger Schritt nur zu einer völligen Niederlage der Negierung führen würde. Die Anwendung von Ge¬ walt aber brauchen die Ungarn nicht zu fürchten, da niemand der Regierung, deren Friedensbedürsniß klar zu Tage liegt, den unsinnigen Entschluß zutraut, ihre zahlreichen Verlegenheiten durch das Hervorrufen eines Bürgerkrieges zu steigern. Wenn man nun die Gewißheit hat, daß Oestreich, was es nicht auf dem Wege der Güte erreicht, auf dem Wege der Gewalt gewiß nicht erreichen wird, so läßt sich erwarten, daß die Ungarn entweder ihre Forderungen sehr hoch spannen, oder daß sie gar auf ihrem rein negativen, abweisender Stand- Punkte verharren werden. Man wird doch zuletzt, um zum Ziele zu gelangen, die Ansprüche der Ungarn auf die xartos aclnexas im weitesten Umfange anerkennen und also mit dem Princip des Ziviäö et impera vollständig brechen müssen, d. h. also statt Ungarn zu schwächen, wird man es nach Umfang und Bedeutung viel¬ mehr zu stärken haben. In Betreff der Wirkung, welche dies auf die Grup- pirung der Machtverhältnisse innerhalb der Monarchie, auf den „Schwerpunkt" ') Auf die staatsrechtlichen Differenzen zwischen der Regierung und Ungarn, zu denen "'öslicherweise schon die Einberufung deS Parlamente» Veranlassung geben könnte, rönnen Ka hier nicht eingehen. 48"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/403>, abgerufen am 23.07.2024.