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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Bandes über den Schluß von F hinaus übernommen hat, beginnt ein neuer
Band mit dem Buchstaben K. Der Bearbeiter, Dr. HUdebrand, der langjährige
treue Gehilfe für Durchsicht der Druckbogen Grimms, tritt hier in selbständiger
Thätigkeit für das Werk ein. dessen innere Geschichte und Inhalt Wenigen so
vertraut ist. als ihm. Die Vorzüge, weiche er als Herausgeber seiner histo¬
rischen Volkslieder bewährte, erfreuen auch an dieser größern Arbeit, bei welcher
wohl sichtbar wird, wie fleißig und geschickt derselbe in den legten acht Jahren
dem Leben unserer Sprache nachgespürt hat.

Die Hefte, welche Jacob Grimm herausgab, haben der Kritik manche
Veranlassung zu kleinen Ausstellungen gegeben. Diese sind auch in diesem
Blatt mit der achtungsvollen Rücksicht geltend gemacht worden, weiche der
große Gelehrte, der Begründer des Werkes, für sich fordern durfte. Seine
etymologischen Excurse, die Häufung der Male aus Luther und einigen andern
Lieblingsquellen, eine gewisse Gleichgiltigkeit gegen die .logische Einordnung
der Wortbedeutungen und gegen die abgeleiteten Wörter und zuletzt seine Ab¬
neigung, der Sinn der Wörter in deutscher Umschreibung zu erklären, waren
Uebelstände, welche er. seine ambrosischen Locken schüttelnd, nicht zugeben wollte.
Sie waren aber fühlbar geworden und Abhilfe war geboten. Vortrefflich hat
der Herausgeber des neuen Heftes frühere Erfahrungen benutzt, das Gute der
alten Methode ist geblieben. gerechter und noch umfangreicher ist die Benutzung
der Quellen, schärfer die Disposition der einzelnen Wortbedeutungen geworden.
Besonders erfreulich aber ist eine reichere Behandlung der abgeleiteten Wörter,
die sehr sorgfältige Berücksichtigung alter Sitten und Gebräuche des Volkes
und seiner einzelnen Berufsklassen.

Mit Bienenfleiß sind aus kleinen Druckwerken, aus Kleiderordnungen, alten
Taxen. Volksliedern, die Eigenthümlichkeiten der Bedeutung zusammengetragen,
und dem volksmäßigen Leben der Wörter so große Aufmerksamkeit gewidmet,
daß dies neue Heft auch für die Privatalterthümer hohen Werth erhält und
das Nachschlagen und Lesen an vielen Stellen zur Unterhaltung wird.

Der Buchstabe K. nicht der umfangreichste, aber sehr reich an schönen
und einflußreichen Stammwörtern gab die beste Gelegenheit. Talent und Wissen
zu erweisen, die gelungene Leistung führt den verdienstvollen Gelehrten würdig
in die Reihe unserer Lexikographen ein. Möge ihn der Antheil des Publikums
bei einer Arbeit ermuntern, welche zu den mühevollsten der deutschen Sprach¬
wissenschaft gekört.

Der nachschlagende Leser denkt selten daran, wie umfangreich die Mühen,
und wie vielfach die Sorgen sind, welche sich dem Bearbeiter eines Wörter¬
buches fast an jede Zeile hängen. Bekanntlich besteht ein Theil des Materials,
das dieser verarbeitet, aus einzelnen Zetteln, worauf Stellen alter und neuer
Schriftsteller ausgezogen sind. Diese Zettel wurden ursprünglich durch eine


Bandes über den Schluß von F hinaus übernommen hat, beginnt ein neuer
Band mit dem Buchstaben K. Der Bearbeiter, Dr. HUdebrand, der langjährige
treue Gehilfe für Durchsicht der Druckbogen Grimms, tritt hier in selbständiger
Thätigkeit für das Werk ein. dessen innere Geschichte und Inhalt Wenigen so
vertraut ist. als ihm. Die Vorzüge, weiche er als Herausgeber seiner histo¬
rischen Volkslieder bewährte, erfreuen auch an dieser größern Arbeit, bei welcher
wohl sichtbar wird, wie fleißig und geschickt derselbe in den legten acht Jahren
dem Leben unserer Sprache nachgespürt hat.

Die Hefte, welche Jacob Grimm herausgab, haben der Kritik manche
Veranlassung zu kleinen Ausstellungen gegeben. Diese sind auch in diesem
Blatt mit der achtungsvollen Rücksicht geltend gemacht worden, weiche der
große Gelehrte, der Begründer des Werkes, für sich fordern durfte. Seine
etymologischen Excurse, die Häufung der Male aus Luther und einigen andern
Lieblingsquellen, eine gewisse Gleichgiltigkeit gegen die .logische Einordnung
der Wortbedeutungen und gegen die abgeleiteten Wörter und zuletzt seine Ab¬
neigung, der Sinn der Wörter in deutscher Umschreibung zu erklären, waren
Uebelstände, welche er. seine ambrosischen Locken schüttelnd, nicht zugeben wollte.
Sie waren aber fühlbar geworden und Abhilfe war geboten. Vortrefflich hat
der Herausgeber des neuen Heftes frühere Erfahrungen benutzt, das Gute der
alten Methode ist geblieben. gerechter und noch umfangreicher ist die Benutzung
der Quellen, schärfer die Disposition der einzelnen Wortbedeutungen geworden.
Besonders erfreulich aber ist eine reichere Behandlung der abgeleiteten Wörter,
die sehr sorgfältige Berücksichtigung alter Sitten und Gebräuche des Volkes
und seiner einzelnen Berufsklassen.

Mit Bienenfleiß sind aus kleinen Druckwerken, aus Kleiderordnungen, alten
Taxen. Volksliedern, die Eigenthümlichkeiten der Bedeutung zusammengetragen,
und dem volksmäßigen Leben der Wörter so große Aufmerksamkeit gewidmet,
daß dies neue Heft auch für die Privatalterthümer hohen Werth erhält und
das Nachschlagen und Lesen an vielen Stellen zur Unterhaltung wird.

Der Buchstabe K. nicht der umfangreichste, aber sehr reich an schönen
und einflußreichen Stammwörtern gab die beste Gelegenheit. Talent und Wissen
zu erweisen, die gelungene Leistung führt den verdienstvollen Gelehrten würdig
in die Reihe unserer Lexikographen ein. Möge ihn der Antheil des Publikums
bei einer Arbeit ermuntern, welche zu den mühevollsten der deutschen Sprach¬
wissenschaft gekört.

Der nachschlagende Leser denkt selten daran, wie umfangreich die Mühen,
und wie vielfach die Sorgen sind, welche sich dem Bearbeiter eines Wörter¬
buches fast an jede Zeile hängen. Bekanntlich besteht ein Theil des Materials,
das dieser verarbeitet, aus einzelnen Zetteln, worauf Stellen alter und neuer
Schriftsteller ausgezogen sind. Diese Zettel wurden ursprünglich durch eine


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[0037] Bandes über den Schluß von F hinaus übernommen hat, beginnt ein neuer Band mit dem Buchstaben K. Der Bearbeiter, Dr. HUdebrand, der langjährige treue Gehilfe für Durchsicht der Druckbogen Grimms, tritt hier in selbständiger Thätigkeit für das Werk ein. dessen innere Geschichte und Inhalt Wenigen so vertraut ist. als ihm. Die Vorzüge, weiche er als Herausgeber seiner histo¬ rischen Volkslieder bewährte, erfreuen auch an dieser größern Arbeit, bei welcher wohl sichtbar wird, wie fleißig und geschickt derselbe in den legten acht Jahren dem Leben unserer Sprache nachgespürt hat. Die Hefte, welche Jacob Grimm herausgab, haben der Kritik manche Veranlassung zu kleinen Ausstellungen gegeben. Diese sind auch in diesem Blatt mit der achtungsvollen Rücksicht geltend gemacht worden, weiche der große Gelehrte, der Begründer des Werkes, für sich fordern durfte. Seine etymologischen Excurse, die Häufung der Male aus Luther und einigen andern Lieblingsquellen, eine gewisse Gleichgiltigkeit gegen die .logische Einordnung der Wortbedeutungen und gegen die abgeleiteten Wörter und zuletzt seine Ab¬ neigung, der Sinn der Wörter in deutscher Umschreibung zu erklären, waren Uebelstände, welche er. seine ambrosischen Locken schüttelnd, nicht zugeben wollte. Sie waren aber fühlbar geworden und Abhilfe war geboten. Vortrefflich hat der Herausgeber des neuen Heftes frühere Erfahrungen benutzt, das Gute der alten Methode ist geblieben. gerechter und noch umfangreicher ist die Benutzung der Quellen, schärfer die Disposition der einzelnen Wortbedeutungen geworden. Besonders erfreulich aber ist eine reichere Behandlung der abgeleiteten Wörter, die sehr sorgfältige Berücksichtigung alter Sitten und Gebräuche des Volkes und seiner einzelnen Berufsklassen. Mit Bienenfleiß sind aus kleinen Druckwerken, aus Kleiderordnungen, alten Taxen. Volksliedern, die Eigenthümlichkeiten der Bedeutung zusammengetragen, und dem volksmäßigen Leben der Wörter so große Aufmerksamkeit gewidmet, daß dies neue Heft auch für die Privatalterthümer hohen Werth erhält und das Nachschlagen und Lesen an vielen Stellen zur Unterhaltung wird. Der Buchstabe K. nicht der umfangreichste, aber sehr reich an schönen und einflußreichen Stammwörtern gab die beste Gelegenheit. Talent und Wissen zu erweisen, die gelungene Leistung führt den verdienstvollen Gelehrten würdig in die Reihe unserer Lexikographen ein. Möge ihn der Antheil des Publikums bei einer Arbeit ermuntern, welche zu den mühevollsten der deutschen Sprach¬ wissenschaft gekört. Der nachschlagende Leser denkt selten daran, wie umfangreich die Mühen, und wie vielfach die Sorgen sind, welche sich dem Bearbeiter eines Wörter¬ buches fast an jede Zeile hängen. Bekanntlich besteht ein Theil des Materials, das dieser verarbeitet, aus einzelnen Zetteln, worauf Stellen alter und neuer Schriftsteller ausgezogen sind. Diese Zettel wurden ursprünglich durch eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/37>, abgerufen am 23.07.2024.