Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Solennitciten, die beim Ehrlichmachen vorgehen, sind, wo nicht durch
ausdrückliche, dennoch durch stillschweigende Gesetze eingeführt, nämlich, indem
man sich gänzlich oder zum Theil auswärts üblicher Solcnnitäten hier gleichfalls
bedient. Gleichwie aber ein Landes- oder Kriegsherr die Gesetze ausheben kann,
also kann er auch die Solennitciten, die durch solche eingefühlt, entweder ganz,
oder doch in Ansehung einer gewissen Person aufheben. Folglich kann auch
ein Landes- oder Kriegsherr ohne den Fahnenschwung einen Soldaten wieder
ehrlich machen lassen. Wie denn letzteres auch bei den Offizieren geschieht,
die mit Verlust der Ehre cassirt werden, oder deren Bildniß am Galgen ge¬
hangen gehabt.

Nur bei dem gemeinen Soldaten ist dergleichen Neuerung nicht cnizurathcn,
weil das ?ville Ä'dormLur bei der Miliz weit delicater als bei Innungen sein
muß, hiernächst aus dergleichen Vorwurf Mord und Todschlag entstehen kann
und fast nicht zu vermeiden ist. Die Wirkung muß mit der Absicht des Ehr-
lichmachens übereinstimmen, folglich der Ehrlichgcmachte als ein solcher angesehen
werden, der niemals seine Ehre verloren, folglich muß er wiederum im Dienste
passiren, es müssen sich andere wieder von ihm befehlen lassen, wenn er anders
in seine vorige Würde eingesetzt worden und darf ihm auch niemand etwas
vorwerfen.

In der preußischen Armee geschieht das Ehrlichmachen in Gegenwart der
Wachtparade, nachdem vorher der Name vom Galgen abgenommen worden,
deshalb, wenn dieses in loco geschehen kann, die Wachtparade zunächst dahin
marschyt und in deren Gegenwart die Abnahme geschieht. Es wird ein Kreis
geschlossen, das Gewehr präsentirt, der Auditeur verliest die Veranlassung gegen¬
wärtiger Actes mit entblößtem Haupt, gleichwie alle im Kreise Befindlichen den
Hut abziehen; hernach schwenkt der Fahnenjunker die Fahne dreimal über den
Ehrlichzumachenden, und das letzte Mal giebt er ihm einen sachter Stoß mit
der Fahne zwischen den Schulterblättern. Beim ersten ruft der Junker-. "Im
Namen des Königs Majestät, unseres allergnädigsten Kriegsherrn!" Beim zweiten
Schwenken: "Im Namen des Herrn Generallieutenants v. N., unseres Negiments-
chefs und des Herrn Obersten v. N., unserem Regimentscommandeurs!" und
beim dritten Schwenken: "Im Namen des ganzen löblichen Regiments wirst
Du ehrlich gesprochen!" Der Ehrlichzumachende kömmt aufrecht mit dem Hut
in der Hand, aber ohne Montirung, in den Kreis gegangen, nicht aber wie
bei anderer Potentaten Armee, wie ein Hund mit dem Hut im Maule
in den Kreis auf allen Vieren hereingekrochen. Der Profos erhält
alle Kleidungsstücke, welche der Ehrlichgemachte am Leibe gehabt, als er ehrlich ge¬
macht worden, welches aber ein Mißbrauch zu sein scheint und nach Art 218 e. e- o.
zumißbilligen ist, zumal wenn der Ehrlichgcmachte kaum selbst ein Hemd und
ein Paar Strümpfe hat."


Die Solennitciten, die beim Ehrlichmachen vorgehen, sind, wo nicht durch
ausdrückliche, dennoch durch stillschweigende Gesetze eingeführt, nämlich, indem
man sich gänzlich oder zum Theil auswärts üblicher Solcnnitäten hier gleichfalls
bedient. Gleichwie aber ein Landes- oder Kriegsherr die Gesetze ausheben kann,
also kann er auch die Solennitciten, die durch solche eingefühlt, entweder ganz,
oder doch in Ansehung einer gewissen Person aufheben. Folglich kann auch
ein Landes- oder Kriegsherr ohne den Fahnenschwung einen Soldaten wieder
ehrlich machen lassen. Wie denn letzteres auch bei den Offizieren geschieht,
die mit Verlust der Ehre cassirt werden, oder deren Bildniß am Galgen ge¬
hangen gehabt.

Nur bei dem gemeinen Soldaten ist dergleichen Neuerung nicht cnizurathcn,
weil das ?ville Ä'dormLur bei der Miliz weit delicater als bei Innungen sein
muß, hiernächst aus dergleichen Vorwurf Mord und Todschlag entstehen kann
und fast nicht zu vermeiden ist. Die Wirkung muß mit der Absicht des Ehr-
lichmachens übereinstimmen, folglich der Ehrlichgcmachte als ein solcher angesehen
werden, der niemals seine Ehre verloren, folglich muß er wiederum im Dienste
passiren, es müssen sich andere wieder von ihm befehlen lassen, wenn er anders
in seine vorige Würde eingesetzt worden und darf ihm auch niemand etwas
vorwerfen.

In der preußischen Armee geschieht das Ehrlichmachen in Gegenwart der
Wachtparade, nachdem vorher der Name vom Galgen abgenommen worden,
deshalb, wenn dieses in loco geschehen kann, die Wachtparade zunächst dahin
marschyt und in deren Gegenwart die Abnahme geschieht. Es wird ein Kreis
geschlossen, das Gewehr präsentirt, der Auditeur verliest die Veranlassung gegen¬
wärtiger Actes mit entblößtem Haupt, gleichwie alle im Kreise Befindlichen den
Hut abziehen; hernach schwenkt der Fahnenjunker die Fahne dreimal über den
Ehrlichzumachenden, und das letzte Mal giebt er ihm einen sachter Stoß mit
der Fahne zwischen den Schulterblättern. Beim ersten ruft der Junker-. „Im
Namen des Königs Majestät, unseres allergnädigsten Kriegsherrn!" Beim zweiten
Schwenken: „Im Namen des Herrn Generallieutenants v. N., unseres Negiments-
chefs und des Herrn Obersten v. N., unserem Regimentscommandeurs!" und
beim dritten Schwenken: „Im Namen des ganzen löblichen Regiments wirst
Du ehrlich gesprochen!" Der Ehrlichzumachende kömmt aufrecht mit dem Hut
in der Hand, aber ohne Montirung, in den Kreis gegangen, nicht aber wie
bei anderer Potentaten Armee, wie ein Hund mit dem Hut im Maule
in den Kreis auf allen Vieren hereingekrochen. Der Profos erhält
alle Kleidungsstücke, welche der Ehrlichgemachte am Leibe gehabt, als er ehrlich ge¬
macht worden, welches aber ein Mißbrauch zu sein scheint und nach Art 218 e. e- o.
zumißbilligen ist, zumal wenn der Ehrlichgcmachte kaum selbst ein Hemd und
ein Paar Strümpfe hat."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282597"/>
            <p xml:id="ID_993"> Die Solennitciten, die beim Ehrlichmachen vorgehen, sind, wo nicht durch<lb/>
ausdrückliche, dennoch durch stillschweigende Gesetze eingeführt, nämlich, indem<lb/>
man sich gänzlich oder zum Theil auswärts üblicher Solcnnitäten hier gleichfalls<lb/>
bedient. Gleichwie aber ein Landes- oder Kriegsherr die Gesetze ausheben kann,<lb/>
also kann er auch die Solennitciten, die durch solche eingefühlt, entweder ganz,<lb/>
oder doch in Ansehung einer gewissen Person aufheben. Folglich kann auch<lb/>
ein Landes- oder Kriegsherr ohne den Fahnenschwung einen Soldaten wieder<lb/>
ehrlich machen lassen. Wie denn letzteres auch bei den Offizieren geschieht,<lb/>
die mit Verlust der Ehre cassirt werden, oder deren Bildniß am Galgen ge¬<lb/>
hangen gehabt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_994"> Nur bei dem gemeinen Soldaten ist dergleichen Neuerung nicht cnizurathcn,<lb/>
weil das ?ville Ä'dormLur bei der Miliz weit delicater als bei Innungen sein<lb/>
muß, hiernächst aus dergleichen Vorwurf Mord und Todschlag entstehen kann<lb/>
und fast nicht zu vermeiden ist. Die Wirkung muß mit der Absicht des Ehr-<lb/>
lichmachens übereinstimmen, folglich der Ehrlichgcmachte als ein solcher angesehen<lb/>
werden, der niemals seine Ehre verloren, folglich muß er wiederum im Dienste<lb/>
passiren, es müssen sich andere wieder von ihm befehlen lassen, wenn er anders<lb/>
in seine vorige Würde eingesetzt worden und darf ihm auch niemand etwas<lb/>
vorwerfen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_995"> In der preußischen Armee geschieht das Ehrlichmachen in Gegenwart der<lb/>
Wachtparade, nachdem vorher der Name vom Galgen abgenommen worden,<lb/>
deshalb, wenn dieses in loco geschehen kann, die Wachtparade zunächst dahin<lb/>
marschyt und in deren Gegenwart die Abnahme geschieht. Es wird ein Kreis<lb/>
geschlossen, das Gewehr präsentirt, der Auditeur verliest die Veranlassung gegen¬<lb/>
wärtiger Actes mit entblößtem Haupt, gleichwie alle im Kreise Befindlichen den<lb/>
Hut abziehen; hernach schwenkt der Fahnenjunker die Fahne dreimal über den<lb/>
Ehrlichzumachenden, und das letzte Mal giebt er ihm einen sachter Stoß mit<lb/>
der Fahne zwischen den Schulterblättern. Beim ersten ruft der Junker-. &#x201E;Im<lb/>
Namen des Königs Majestät, unseres allergnädigsten Kriegsherrn!" Beim zweiten<lb/>
Schwenken: &#x201E;Im Namen des Herrn Generallieutenants v. N., unseres Negiments-<lb/>
chefs und des Herrn Obersten v. N., unserem Regimentscommandeurs!" und<lb/>
beim dritten Schwenken: &#x201E;Im Namen des ganzen löblichen Regiments wirst<lb/>
Du ehrlich gesprochen!" Der Ehrlichzumachende kömmt aufrecht mit dem Hut<lb/>
in der Hand, aber ohne Montirung, in den Kreis gegangen, nicht aber wie<lb/>
bei anderer Potentaten Armee, wie ein Hund mit dem Hut im Maule<lb/>
in den Kreis auf allen Vieren hereingekrochen. Der Profos erhält<lb/>
alle Kleidungsstücke, welche der Ehrlichgemachte am Leibe gehabt, als er ehrlich ge¬<lb/>
macht worden, welches aber ein Mißbrauch zu sein scheint und nach Art 218 e. e- o.<lb/>
zumißbilligen ist, zumal wenn der Ehrlichgcmachte kaum selbst ein Hemd und<lb/>
ein Paar Strümpfe hat."</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] Die Solennitciten, die beim Ehrlichmachen vorgehen, sind, wo nicht durch ausdrückliche, dennoch durch stillschweigende Gesetze eingeführt, nämlich, indem man sich gänzlich oder zum Theil auswärts üblicher Solcnnitäten hier gleichfalls bedient. Gleichwie aber ein Landes- oder Kriegsherr die Gesetze ausheben kann, also kann er auch die Solennitciten, die durch solche eingefühlt, entweder ganz, oder doch in Ansehung einer gewissen Person aufheben. Folglich kann auch ein Landes- oder Kriegsherr ohne den Fahnenschwung einen Soldaten wieder ehrlich machen lassen. Wie denn letzteres auch bei den Offizieren geschieht, die mit Verlust der Ehre cassirt werden, oder deren Bildniß am Galgen ge¬ hangen gehabt. Nur bei dem gemeinen Soldaten ist dergleichen Neuerung nicht cnizurathcn, weil das ?ville Ä'dormLur bei der Miliz weit delicater als bei Innungen sein muß, hiernächst aus dergleichen Vorwurf Mord und Todschlag entstehen kann und fast nicht zu vermeiden ist. Die Wirkung muß mit der Absicht des Ehr- lichmachens übereinstimmen, folglich der Ehrlichgcmachte als ein solcher angesehen werden, der niemals seine Ehre verloren, folglich muß er wiederum im Dienste passiren, es müssen sich andere wieder von ihm befehlen lassen, wenn er anders in seine vorige Würde eingesetzt worden und darf ihm auch niemand etwas vorwerfen. In der preußischen Armee geschieht das Ehrlichmachen in Gegenwart der Wachtparade, nachdem vorher der Name vom Galgen abgenommen worden, deshalb, wenn dieses in loco geschehen kann, die Wachtparade zunächst dahin marschyt und in deren Gegenwart die Abnahme geschieht. Es wird ein Kreis geschlossen, das Gewehr präsentirt, der Auditeur verliest die Veranlassung gegen¬ wärtiger Actes mit entblößtem Haupt, gleichwie alle im Kreise Befindlichen den Hut abziehen; hernach schwenkt der Fahnenjunker die Fahne dreimal über den Ehrlichzumachenden, und das letzte Mal giebt er ihm einen sachter Stoß mit der Fahne zwischen den Schulterblättern. Beim ersten ruft der Junker-. „Im Namen des Königs Majestät, unseres allergnädigsten Kriegsherrn!" Beim zweiten Schwenken: „Im Namen des Herrn Generallieutenants v. N., unseres Negiments- chefs und des Herrn Obersten v. N., unserem Regimentscommandeurs!" und beim dritten Schwenken: „Im Namen des ganzen löblichen Regiments wirst Du ehrlich gesprochen!" Der Ehrlichzumachende kömmt aufrecht mit dem Hut in der Hand, aber ohne Montirung, in den Kreis gegangen, nicht aber wie bei anderer Potentaten Armee, wie ein Hund mit dem Hut im Maule in den Kreis auf allen Vieren hereingekrochen. Der Profos erhält alle Kleidungsstücke, welche der Ehrlichgemachte am Leibe gehabt, als er ehrlich ge¬ macht worden, welches aber ein Mißbrauch zu sein scheint und nach Art 218 e. e- o. zumißbilligen ist, zumal wenn der Ehrlichgcmachte kaum selbst ein Hemd und ein Paar Strümpfe hat."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/356>, abgerufen am 23.07.2024.