Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der unbeteiligte, Oberst von Schonebeck, der die schmähliche Kapitulation
mit unterzeichnet hatte, "und sich auch sonst nicht nach Gebühr verhalten",
wurde cassirt.

Haben wir im Vorgehenden einen wirklichen Vorgang geschildert, so wollen
wir in Betreff des Ehrlichmachens einige Verfügungen anführen. Sie gingen
vom Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig aus, dem gefeierten
Erbprinzen im siebenjährigen Kriege, und dem zuletzt unglücklichen Feldherrn,
der in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt tödtlich verwundet wurde.
Dieser Herzog, der seiner Zeit als tüchtiger Heerführer, Staatsmann und auf¬
geklärter Fürst galt, konnte sich den allgemeinen Bräuchen nicht entziehen und
wendete zur Erhaltung der Disciplin bei seinen unterhabenden Truppen diesel¬
ben Mittel an, wie andere Kriegsherrn, vielleicht hier und da noch etwas
schärfere. Freilich konnten auch die durch die Werbung zusammengebrachten
Hausen nur durch Strenge und Furcht zusammengehalten werden.

Die Zeit, in die Nachfolgendes fällt, liegt gerade hundert Jahre nach
jenem Heidelberger Vorgange, aber in den barbarischen Bräuchen hat sich wenig
oder nichts gemildert. Der Herzog hatte damals bekanntlich ein braun-
schweigisches Hilfscorps von etlichen tausend Mann an den Statthalter der
Niederlande überlassen, die. von Frankreich inficirt, in großer Währung
waren. Das Hilfscorps war in die Festung Mastricht verlegt worden, über
das eigentlich der General v. Riedesel das Commando hatte, bei dessen Kränk¬
lichkeit und häusiger Abwesenheit wurde aber dies interimistisch dem General
v. Warnstedt übertragen. Es kamen bei den sonst gut disciplinirten Truppen
durch den mehrjährigen, langweiligen Festungsdienst häufiger denn sonst Deser¬
tionen vor, und im Jahre 1793 fand sich der Herzog veranlaßt, strengere Ma߬
regeln zur Verhütung des Ausreißens zu ergreifen. Er erließ demnach an den
General v. Warnstedt folgende Ordre:

"Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog :c. Wir haben erhalten, was Unser
Generalmajor v. Warnstedt wegen der um Pardon ersuchenden Deserteurs
unterm 25. April berichtet und angefragt hat. So viel nun diejenigen Deser¬
teurs anbetrifft, deren Namen noch nicht an den Galgen geschlagen gewesen,
so bleibt es zwar Unserem Generalmajor und den übrigen Rcgimentschefs oder
Commandeurs überlassen, diesen auf ihr Nachsuchen, befindenden Umständen
nach, den Pardon wegen der Desertion zu bewilligen; jedoch ist dabei nicht zu
willfährig zu verfahren, damit dadurch das Verbrechen der Desertion nicht zu
gering und zu leicht verzeihlich scheine, sondern es müssen zu Ertheilung des
Pardons immer erhebliche Gründe, die das Verbrechen beträchtlich mildern, vor¬
handen sein. So viel aber diejenigen Deserteurs, deren Namen bereits an den
Galgen geschlagen sind, anbetrifft, so kann diesen der Pardon von den Regi¬
mentschefs oder Commandeurs nicht ertheilt werden, sondern es muß, da das


Der unbeteiligte, Oberst von Schonebeck, der die schmähliche Kapitulation
mit unterzeichnet hatte, „und sich auch sonst nicht nach Gebühr verhalten",
wurde cassirt.

Haben wir im Vorgehenden einen wirklichen Vorgang geschildert, so wollen
wir in Betreff des Ehrlichmachens einige Verfügungen anführen. Sie gingen
vom Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig aus, dem gefeierten
Erbprinzen im siebenjährigen Kriege, und dem zuletzt unglücklichen Feldherrn,
der in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt tödtlich verwundet wurde.
Dieser Herzog, der seiner Zeit als tüchtiger Heerführer, Staatsmann und auf¬
geklärter Fürst galt, konnte sich den allgemeinen Bräuchen nicht entziehen und
wendete zur Erhaltung der Disciplin bei seinen unterhabenden Truppen diesel¬
ben Mittel an, wie andere Kriegsherrn, vielleicht hier und da noch etwas
schärfere. Freilich konnten auch die durch die Werbung zusammengebrachten
Hausen nur durch Strenge und Furcht zusammengehalten werden.

Die Zeit, in die Nachfolgendes fällt, liegt gerade hundert Jahre nach
jenem Heidelberger Vorgange, aber in den barbarischen Bräuchen hat sich wenig
oder nichts gemildert. Der Herzog hatte damals bekanntlich ein braun-
schweigisches Hilfscorps von etlichen tausend Mann an den Statthalter der
Niederlande überlassen, die. von Frankreich inficirt, in großer Währung
waren. Das Hilfscorps war in die Festung Mastricht verlegt worden, über
das eigentlich der General v. Riedesel das Commando hatte, bei dessen Kränk¬
lichkeit und häusiger Abwesenheit wurde aber dies interimistisch dem General
v. Warnstedt übertragen. Es kamen bei den sonst gut disciplinirten Truppen
durch den mehrjährigen, langweiligen Festungsdienst häufiger denn sonst Deser¬
tionen vor, und im Jahre 1793 fand sich der Herzog veranlaßt, strengere Ma߬
regeln zur Verhütung des Ausreißens zu ergreifen. Er erließ demnach an den
General v. Warnstedt folgende Ordre:

„Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog :c. Wir haben erhalten, was Unser
Generalmajor v. Warnstedt wegen der um Pardon ersuchenden Deserteurs
unterm 25. April berichtet und angefragt hat. So viel nun diejenigen Deser¬
teurs anbetrifft, deren Namen noch nicht an den Galgen geschlagen gewesen,
so bleibt es zwar Unserem Generalmajor und den übrigen Rcgimentschefs oder
Commandeurs überlassen, diesen auf ihr Nachsuchen, befindenden Umständen
nach, den Pardon wegen der Desertion zu bewilligen; jedoch ist dabei nicht zu
willfährig zu verfahren, damit dadurch das Verbrechen der Desertion nicht zu
gering und zu leicht verzeihlich scheine, sondern es müssen zu Ertheilung des
Pardons immer erhebliche Gründe, die das Verbrechen beträchtlich mildern, vor¬
handen sein. So viel aber diejenigen Deserteurs, deren Namen bereits an den
Galgen geschlagen sind, anbetrifft, so kann diesen der Pardon von den Regi¬
mentschefs oder Commandeurs nicht ertheilt werden, sondern es muß, da das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282595"/>
            <p xml:id="ID_984"> Der unbeteiligte, Oberst von Schonebeck, der die schmähliche Kapitulation<lb/>
mit unterzeichnet hatte, &#x201E;und sich auch sonst nicht nach Gebühr verhalten",<lb/>
wurde cassirt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_985"> Haben wir im Vorgehenden einen wirklichen Vorgang geschildert, so wollen<lb/>
wir in Betreff des Ehrlichmachens einige Verfügungen anführen. Sie gingen<lb/>
vom Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig aus, dem gefeierten<lb/>
Erbprinzen im siebenjährigen Kriege, und dem zuletzt unglücklichen Feldherrn,<lb/>
der in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt tödtlich verwundet wurde.<lb/>
Dieser Herzog, der seiner Zeit als tüchtiger Heerführer, Staatsmann und auf¬<lb/>
geklärter Fürst galt, konnte sich den allgemeinen Bräuchen nicht entziehen und<lb/>
wendete zur Erhaltung der Disciplin bei seinen unterhabenden Truppen diesel¬<lb/>
ben Mittel an, wie andere Kriegsherrn, vielleicht hier und da noch etwas<lb/>
schärfere. Freilich konnten auch die durch die Werbung zusammengebrachten<lb/>
Hausen nur durch Strenge und Furcht zusammengehalten werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_986"> Die Zeit, in die Nachfolgendes fällt, liegt gerade hundert Jahre nach<lb/>
jenem Heidelberger Vorgange, aber in den barbarischen Bräuchen hat sich wenig<lb/>
oder nichts gemildert. Der Herzog hatte damals bekanntlich ein braun-<lb/>
schweigisches Hilfscorps von etlichen tausend Mann an den Statthalter der<lb/>
Niederlande überlassen, die. von Frankreich inficirt, in großer Währung<lb/>
waren. Das Hilfscorps war in die Festung Mastricht verlegt worden, über<lb/>
das eigentlich der General v. Riedesel das Commando hatte, bei dessen Kränk¬<lb/>
lichkeit und häusiger Abwesenheit wurde aber dies interimistisch dem General<lb/>
v. Warnstedt übertragen. Es kamen bei den sonst gut disciplinirten Truppen<lb/>
durch den mehrjährigen, langweiligen Festungsdienst häufiger denn sonst Deser¬<lb/>
tionen vor, und im Jahre 1793 fand sich der Herzog veranlaßt, strengere Ma߬<lb/>
regeln zur Verhütung des Ausreißens zu ergreifen. Er erließ demnach an den<lb/>
General v. Warnstedt folgende Ordre:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_987" next="#ID_988"> &#x201E;Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog :c. Wir haben erhalten, was Unser<lb/>
Generalmajor v. Warnstedt wegen der um Pardon ersuchenden Deserteurs<lb/>
unterm 25. April berichtet und angefragt hat. So viel nun diejenigen Deser¬<lb/>
teurs anbetrifft, deren Namen noch nicht an den Galgen geschlagen gewesen,<lb/>
so bleibt es zwar Unserem Generalmajor und den übrigen Rcgimentschefs oder<lb/>
Commandeurs überlassen, diesen auf ihr Nachsuchen, befindenden Umständen<lb/>
nach, den Pardon wegen der Desertion zu bewilligen; jedoch ist dabei nicht zu<lb/>
willfährig zu verfahren, damit dadurch das Verbrechen der Desertion nicht zu<lb/>
gering und zu leicht verzeihlich scheine, sondern es müssen zu Ertheilung des<lb/>
Pardons immer erhebliche Gründe, die das Verbrechen beträchtlich mildern, vor¬<lb/>
handen sein. So viel aber diejenigen Deserteurs, deren Namen bereits an den<lb/>
Galgen geschlagen sind, anbetrifft, so kann diesen der Pardon von den Regi¬<lb/>
mentschefs oder Commandeurs nicht ertheilt werden, sondern es muß, da das</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] Der unbeteiligte, Oberst von Schonebeck, der die schmähliche Kapitulation mit unterzeichnet hatte, „und sich auch sonst nicht nach Gebühr verhalten", wurde cassirt. Haben wir im Vorgehenden einen wirklichen Vorgang geschildert, so wollen wir in Betreff des Ehrlichmachens einige Verfügungen anführen. Sie gingen vom Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig aus, dem gefeierten Erbprinzen im siebenjährigen Kriege, und dem zuletzt unglücklichen Feldherrn, der in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt tödtlich verwundet wurde. Dieser Herzog, der seiner Zeit als tüchtiger Heerführer, Staatsmann und auf¬ geklärter Fürst galt, konnte sich den allgemeinen Bräuchen nicht entziehen und wendete zur Erhaltung der Disciplin bei seinen unterhabenden Truppen diesel¬ ben Mittel an, wie andere Kriegsherrn, vielleicht hier und da noch etwas schärfere. Freilich konnten auch die durch die Werbung zusammengebrachten Hausen nur durch Strenge und Furcht zusammengehalten werden. Die Zeit, in die Nachfolgendes fällt, liegt gerade hundert Jahre nach jenem Heidelberger Vorgange, aber in den barbarischen Bräuchen hat sich wenig oder nichts gemildert. Der Herzog hatte damals bekanntlich ein braun- schweigisches Hilfscorps von etlichen tausend Mann an den Statthalter der Niederlande überlassen, die. von Frankreich inficirt, in großer Währung waren. Das Hilfscorps war in die Festung Mastricht verlegt worden, über das eigentlich der General v. Riedesel das Commando hatte, bei dessen Kränk¬ lichkeit und häusiger Abwesenheit wurde aber dies interimistisch dem General v. Warnstedt übertragen. Es kamen bei den sonst gut disciplinirten Truppen durch den mehrjährigen, langweiligen Festungsdienst häufiger denn sonst Deser¬ tionen vor, und im Jahre 1793 fand sich der Herzog veranlaßt, strengere Ma߬ regeln zur Verhütung des Ausreißens zu ergreifen. Er erließ demnach an den General v. Warnstedt folgende Ordre: „Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog :c. Wir haben erhalten, was Unser Generalmajor v. Warnstedt wegen der um Pardon ersuchenden Deserteurs unterm 25. April berichtet und angefragt hat. So viel nun diejenigen Deser¬ teurs anbetrifft, deren Namen noch nicht an den Galgen geschlagen gewesen, so bleibt es zwar Unserem Generalmajor und den übrigen Rcgimentschefs oder Commandeurs überlassen, diesen auf ihr Nachsuchen, befindenden Umständen nach, den Pardon wegen der Desertion zu bewilligen; jedoch ist dabei nicht zu willfährig zu verfahren, damit dadurch das Verbrechen der Desertion nicht zu gering und zu leicht verzeihlich scheine, sondern es müssen zu Ertheilung des Pardons immer erhebliche Gründe, die das Verbrechen beträchtlich mildern, vor¬ handen sein. So viel aber diejenigen Deserteurs, deren Namen bereits an den Galgen geschlagen sind, anbetrifft, so kann diesen der Pardon von den Regi¬ mentschefs oder Commandeurs nicht ertheilt werden, sondern es muß, da das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/354>, abgerufen am 23.07.2024.