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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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eine Dressur im wahrsten Sinne des Wortes, eine oft bei weitem ärgere, als
man sie bei Pferden und Jagdhunden anwendet. Es wurde alles über einen
Kamm geschoren, die Ungeschicklercn und Unachtsamen oder gar störrigen
kamen sehr übel weg. Allerlei Schimpf- und Zankworte, Ohren- und Haar-
zauscn, Knüffe und Püffe, Maulschellen und Schläge, kurz alles war dem
armen Rekruten gegenüber erlaubt, ihn zu "Raison" zu bringen und einen
"reputirlicher Kerl" aus ihm zu machen. Das Probestück wurde an den
Revuetagen gemacht, wo es sich zeigte, wie weit Jnstructor und Zögling ge¬
kommen und wobei es dann wohl Nasen und Absensierungen mehr setzte als
Anerkennung und Lob. --

Jeder Reichsunmittelbare, der Soldaten halten durfte, hielt gewiß mit
allem Pomp alljährlich über seine Armee einige Revuen ab, wenn diese
auch nur aus 20 Mann bestanden hätte. Bisweilen war die fürstliche oder
gräfliche Suite mit überzähligen Offizieren, Hautboisten, Pfeifern und Tam¬
bouren noch einmal so stark, als die unterm Gewehr stehende bewaffnete Macht.

Die bekanntesten Revuen sind die, welche der große Friedrich alljährlich
über gewisse Truppentheile abhielt, namentlich nach dem siebenjährigen Kriege.

Ihr Ruf hatte sich überall hin verbreitet, wo die Anfänge militärischer Civili¬
sation bemerkbar waren; sie wurden von Sachverständigen aus ganz Europa besucht
und bewundert. Mehr als ein Bericht bezeugt den großen Eindruck, welchen
sie auf Sachverständige machten. Die Leistungen des Heeres, welches aus dem
siebenjährigen Krieg hervorgegangen war, wurden zumeist durch die Friedens¬
übungen der letzten 23 Jahre, in denen Friedrich der Große regierte, Muster
für das Exercitium der übrigen Heere Europas. Zu den liebenswürdigsten
Berichten über die epochemachenden Manöver gehört der des zürichcr Jäger¬
hauptmanns Landolt, eines originellen Charakters und tüchtigen Offiziers, der
als leidenschaftlicher Bewunderer Friedrichs des Zweiten auf seinem Pferde von
Zürich nach Berlin ritt, um einmal mit eigenen Augen eine solche Revue zu
sehen. Als er in Berlin ankam, erfuhr er zu seiner Betrübniß, daß es für
Fremde einer besondrer Erlaubniß des Königs bedürfe, um Zutritt zu dem
Uebungsfelde zu erlangen. Er schrieb deshalb an den König und erhielt von diesem
eine gnädige Antwort. Er sah entzückt die Paraden und Feldübungen an
er selbst hielt diese Tage stets für die größten seines vielbewegten Lebens, -- hatte
nachher mit Friedrich dem Großen eine Unterredung, gewann die Gunst des
Königs und kehrte nach längerem Aufenthalt in Berlin in seine Heimath zurück,
wo der Brief des Königs das Kostbarste seiner Habe, das Bild des Königs und
Zictens der liebste Schmuck seiner Zimmer blieb.

Gegen die begeisterte Darstellung, welche er seinen Freunden von den krie¬
gerischen Uebungen des Königs machte, sticht der nachfolgende Bericht allerdings
ab, er schildert die Kehrseite dieses glänzenden Manövers, aber auch an diese


eine Dressur im wahrsten Sinne des Wortes, eine oft bei weitem ärgere, als
man sie bei Pferden und Jagdhunden anwendet. Es wurde alles über einen
Kamm geschoren, die Ungeschicklercn und Unachtsamen oder gar störrigen
kamen sehr übel weg. Allerlei Schimpf- und Zankworte, Ohren- und Haar-
zauscn, Knüffe und Püffe, Maulschellen und Schläge, kurz alles war dem
armen Rekruten gegenüber erlaubt, ihn zu „Raison" zu bringen und einen
„reputirlicher Kerl" aus ihm zu machen. Das Probestück wurde an den
Revuetagen gemacht, wo es sich zeigte, wie weit Jnstructor und Zögling ge¬
kommen und wobei es dann wohl Nasen und Absensierungen mehr setzte als
Anerkennung und Lob. —

Jeder Reichsunmittelbare, der Soldaten halten durfte, hielt gewiß mit
allem Pomp alljährlich über seine Armee einige Revuen ab, wenn diese
auch nur aus 20 Mann bestanden hätte. Bisweilen war die fürstliche oder
gräfliche Suite mit überzähligen Offizieren, Hautboisten, Pfeifern und Tam¬
bouren noch einmal so stark, als die unterm Gewehr stehende bewaffnete Macht.

Die bekanntesten Revuen sind die, welche der große Friedrich alljährlich
über gewisse Truppentheile abhielt, namentlich nach dem siebenjährigen Kriege.

Ihr Ruf hatte sich überall hin verbreitet, wo die Anfänge militärischer Civili¬
sation bemerkbar waren; sie wurden von Sachverständigen aus ganz Europa besucht
und bewundert. Mehr als ein Bericht bezeugt den großen Eindruck, welchen
sie auf Sachverständige machten. Die Leistungen des Heeres, welches aus dem
siebenjährigen Krieg hervorgegangen war, wurden zumeist durch die Friedens¬
übungen der letzten 23 Jahre, in denen Friedrich der Große regierte, Muster
für das Exercitium der übrigen Heere Europas. Zu den liebenswürdigsten
Berichten über die epochemachenden Manöver gehört der des zürichcr Jäger¬
hauptmanns Landolt, eines originellen Charakters und tüchtigen Offiziers, der
als leidenschaftlicher Bewunderer Friedrichs des Zweiten auf seinem Pferde von
Zürich nach Berlin ritt, um einmal mit eigenen Augen eine solche Revue zu
sehen. Als er in Berlin ankam, erfuhr er zu seiner Betrübniß, daß es für
Fremde einer besondrer Erlaubniß des Königs bedürfe, um Zutritt zu dem
Uebungsfelde zu erlangen. Er schrieb deshalb an den König und erhielt von diesem
eine gnädige Antwort. Er sah entzückt die Paraden und Feldübungen an
er selbst hielt diese Tage stets für die größten seines vielbewegten Lebens, — hatte
nachher mit Friedrich dem Großen eine Unterredung, gewann die Gunst des
Königs und kehrte nach längerem Aufenthalt in Berlin in seine Heimath zurück,
wo der Brief des Königs das Kostbarste seiner Habe, das Bild des Königs und
Zictens der liebste Schmuck seiner Zimmer blieb.

Gegen die begeisterte Darstellung, welche er seinen Freunden von den krie¬
gerischen Uebungen des Königs machte, sticht der nachfolgende Bericht allerdings
ab, er schildert die Kehrseite dieses glänzenden Manövers, aber auch an diese


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[0344] eine Dressur im wahrsten Sinne des Wortes, eine oft bei weitem ärgere, als man sie bei Pferden und Jagdhunden anwendet. Es wurde alles über einen Kamm geschoren, die Ungeschicklercn und Unachtsamen oder gar störrigen kamen sehr übel weg. Allerlei Schimpf- und Zankworte, Ohren- und Haar- zauscn, Knüffe und Püffe, Maulschellen und Schläge, kurz alles war dem armen Rekruten gegenüber erlaubt, ihn zu „Raison" zu bringen und einen „reputirlicher Kerl" aus ihm zu machen. Das Probestück wurde an den Revuetagen gemacht, wo es sich zeigte, wie weit Jnstructor und Zögling ge¬ kommen und wobei es dann wohl Nasen und Absensierungen mehr setzte als Anerkennung und Lob. — Jeder Reichsunmittelbare, der Soldaten halten durfte, hielt gewiß mit allem Pomp alljährlich über seine Armee einige Revuen ab, wenn diese auch nur aus 20 Mann bestanden hätte. Bisweilen war die fürstliche oder gräfliche Suite mit überzähligen Offizieren, Hautboisten, Pfeifern und Tam¬ bouren noch einmal so stark, als die unterm Gewehr stehende bewaffnete Macht. Die bekanntesten Revuen sind die, welche der große Friedrich alljährlich über gewisse Truppentheile abhielt, namentlich nach dem siebenjährigen Kriege. Ihr Ruf hatte sich überall hin verbreitet, wo die Anfänge militärischer Civili¬ sation bemerkbar waren; sie wurden von Sachverständigen aus ganz Europa besucht und bewundert. Mehr als ein Bericht bezeugt den großen Eindruck, welchen sie auf Sachverständige machten. Die Leistungen des Heeres, welches aus dem siebenjährigen Krieg hervorgegangen war, wurden zumeist durch die Friedens¬ übungen der letzten 23 Jahre, in denen Friedrich der Große regierte, Muster für das Exercitium der übrigen Heere Europas. Zu den liebenswürdigsten Berichten über die epochemachenden Manöver gehört der des zürichcr Jäger¬ hauptmanns Landolt, eines originellen Charakters und tüchtigen Offiziers, der als leidenschaftlicher Bewunderer Friedrichs des Zweiten auf seinem Pferde von Zürich nach Berlin ritt, um einmal mit eigenen Augen eine solche Revue zu sehen. Als er in Berlin ankam, erfuhr er zu seiner Betrübniß, daß es für Fremde einer besondrer Erlaubniß des Königs bedürfe, um Zutritt zu dem Uebungsfelde zu erlangen. Er schrieb deshalb an den König und erhielt von diesem eine gnädige Antwort. Er sah entzückt die Paraden und Feldübungen an er selbst hielt diese Tage stets für die größten seines vielbewegten Lebens, — hatte nachher mit Friedrich dem Großen eine Unterredung, gewann die Gunst des Königs und kehrte nach längerem Aufenthalt in Berlin in seine Heimath zurück, wo der Brief des Königs das Kostbarste seiner Habe, das Bild des Königs und Zictens der liebste Schmuck seiner Zimmer blieb. Gegen die begeisterte Darstellung, welche er seinen Freunden von den krie¬ gerischen Uebungen des Königs machte, sticht der nachfolgende Bericht allerdings ab, er schildert die Kehrseite dieses glänzenden Manövers, aber auch an diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/344>, abgerufen am 23.07.2024.