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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Zuerst ist es jene weltbürgerliche Theilnahme an den gemeinsamen An¬
gelegenheiten der Menschen, die nur da stattfinden kann, wo die Volkskraft sich
selbst verwaltet und frei und rücksichtslos den Regungen der Menschlichkeit
folgen darf. Dagegen fremder Verwaltung übergeben, wird sie nach den Gesetzen
eines engen Staatsrechts mit wirthlicher Sparsamkeit nur für die äußerste Noth¬
wehr in Anspruch genommen. Wird aber dem Volke der freie Selbstgebrauch
seiner Kräfte wiedergegeben, dann wird auch jene heilige Stimme wieder laut
werden, die so oft im Alterthum bei dem Hilfsgeschrei der Nachbarn den Kampf
für die ewigen Rechte der Menschheit entzündete, die Stimme, die sich in dem
freien England gegen die Gräuel des Menschenhandels laut und lauter erhob,
bis die Schläfer am Thron erwachten, und die noch jüngst für die verfolgten
Glaubensgenossen in Frankreichs Mördergruben um Rache rief.

Zweitens jener Gemeinsinn der alten Völker, begründet in dem lebendigen
Gefühl, daß der Staat, ein Gesammteigenthum Aller, nur in den Einzelnen
und durch dieselben bestehe, die heiße Liebe zum Vaterlande, welche Verban¬
nung aus der Heimath dem Tod gleich achtete, der Bürgerstolz, der Weiteifer
des Verdienstes und alle die andern Blüthen des öffentlichen Lebens. Mit dem
Untergange der Volksvertretung sind diese starken Triebfedern großer Thaten
und Entsagungen erschlafft, die angeborene Thätigkeit des menschlichen Geistes
hat sich, edlerer Beschäftigung entbehrend, auf niederen Erwerb, auf Handel
und Verkehr, sonst Sklavenhandwerk, gerichtet; ob die Nachwelt unser Volk
mit Begeisterung nennen, oder ob sie es zu den Steppenvölkern der Geschichte
zählen werde, die auf ihren Weideplätzen keine Spur ihres Daseins zurückließen,
als die Schädel erschlagener Feinde, das kümmert jetzt niemanden. Aber dieser
edle Bürgersinn wird wieder erwachen in der neuen Zeit, deren Morgenroth
schon am Himmel steht, erwachen werden alle jene Spannkräfte, die das alte
Leben bewegten; und die weise Leitung vom Throne herab wird sie vor der
gefahrvollen Richtung schützen, in der sie oft schon sich selbst zerstörten.

Doch mögen diese Hoffnungen auf eine Wiedergeburt Deutschlands Traum
oder Wahrheit werden, immer wird der Name des edlen Fürsten gesegnet sein,
der zuerst unter den deutschen Herrschern, ungemahnt und unbestürmt, seinem
Volke die königlichen Rechte zum neuen, beglückenden Bunde reichte, der Name
unsres erlauchten Friedrich Wilhelm, den die Nachwelt neben den unsterblichen
Wohlthätern der Menschheit nennen wird.




Zuerst ist es jene weltbürgerliche Theilnahme an den gemeinsamen An¬
gelegenheiten der Menschen, die nur da stattfinden kann, wo die Volkskraft sich
selbst verwaltet und frei und rücksichtslos den Regungen der Menschlichkeit
folgen darf. Dagegen fremder Verwaltung übergeben, wird sie nach den Gesetzen
eines engen Staatsrechts mit wirthlicher Sparsamkeit nur für die äußerste Noth¬
wehr in Anspruch genommen. Wird aber dem Volke der freie Selbstgebrauch
seiner Kräfte wiedergegeben, dann wird auch jene heilige Stimme wieder laut
werden, die so oft im Alterthum bei dem Hilfsgeschrei der Nachbarn den Kampf
für die ewigen Rechte der Menschheit entzündete, die Stimme, die sich in dem
freien England gegen die Gräuel des Menschenhandels laut und lauter erhob,
bis die Schläfer am Thron erwachten, und die noch jüngst für die verfolgten
Glaubensgenossen in Frankreichs Mördergruben um Rache rief.

Zweitens jener Gemeinsinn der alten Völker, begründet in dem lebendigen
Gefühl, daß der Staat, ein Gesammteigenthum Aller, nur in den Einzelnen
und durch dieselben bestehe, die heiße Liebe zum Vaterlande, welche Verban¬
nung aus der Heimath dem Tod gleich achtete, der Bürgerstolz, der Weiteifer
des Verdienstes und alle die andern Blüthen des öffentlichen Lebens. Mit dem
Untergange der Volksvertretung sind diese starken Triebfedern großer Thaten
und Entsagungen erschlafft, die angeborene Thätigkeit des menschlichen Geistes
hat sich, edlerer Beschäftigung entbehrend, auf niederen Erwerb, auf Handel
und Verkehr, sonst Sklavenhandwerk, gerichtet; ob die Nachwelt unser Volk
mit Begeisterung nennen, oder ob sie es zu den Steppenvölkern der Geschichte
zählen werde, die auf ihren Weideplätzen keine Spur ihres Daseins zurückließen,
als die Schädel erschlagener Feinde, das kümmert jetzt niemanden. Aber dieser
edle Bürgersinn wird wieder erwachen in der neuen Zeit, deren Morgenroth
schon am Himmel steht, erwachen werden alle jene Spannkräfte, die das alte
Leben bewegten; und die weise Leitung vom Throne herab wird sie vor der
gefahrvollen Richtung schützen, in der sie oft schon sich selbst zerstörten.

Doch mögen diese Hoffnungen auf eine Wiedergeburt Deutschlands Traum
oder Wahrheit werden, immer wird der Name des edlen Fürsten gesegnet sein,
der zuerst unter den deutschen Herrschern, ungemahnt und unbestürmt, seinem
Volke die königlichen Rechte zum neuen, beglückenden Bunde reichte, der Name
unsres erlauchten Friedrich Wilhelm, den die Nachwelt neben den unsterblichen
Wohlthätern der Menschheit nennen wird.




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[0304] Zuerst ist es jene weltbürgerliche Theilnahme an den gemeinsamen An¬ gelegenheiten der Menschen, die nur da stattfinden kann, wo die Volkskraft sich selbst verwaltet und frei und rücksichtslos den Regungen der Menschlichkeit folgen darf. Dagegen fremder Verwaltung übergeben, wird sie nach den Gesetzen eines engen Staatsrechts mit wirthlicher Sparsamkeit nur für die äußerste Noth¬ wehr in Anspruch genommen. Wird aber dem Volke der freie Selbstgebrauch seiner Kräfte wiedergegeben, dann wird auch jene heilige Stimme wieder laut werden, die so oft im Alterthum bei dem Hilfsgeschrei der Nachbarn den Kampf für die ewigen Rechte der Menschheit entzündete, die Stimme, die sich in dem freien England gegen die Gräuel des Menschenhandels laut und lauter erhob, bis die Schläfer am Thron erwachten, und die noch jüngst für die verfolgten Glaubensgenossen in Frankreichs Mördergruben um Rache rief. Zweitens jener Gemeinsinn der alten Völker, begründet in dem lebendigen Gefühl, daß der Staat, ein Gesammteigenthum Aller, nur in den Einzelnen und durch dieselben bestehe, die heiße Liebe zum Vaterlande, welche Verban¬ nung aus der Heimath dem Tod gleich achtete, der Bürgerstolz, der Weiteifer des Verdienstes und alle die andern Blüthen des öffentlichen Lebens. Mit dem Untergange der Volksvertretung sind diese starken Triebfedern großer Thaten und Entsagungen erschlafft, die angeborene Thätigkeit des menschlichen Geistes hat sich, edlerer Beschäftigung entbehrend, auf niederen Erwerb, auf Handel und Verkehr, sonst Sklavenhandwerk, gerichtet; ob die Nachwelt unser Volk mit Begeisterung nennen, oder ob sie es zu den Steppenvölkern der Geschichte zählen werde, die auf ihren Weideplätzen keine Spur ihres Daseins zurückließen, als die Schädel erschlagener Feinde, das kümmert jetzt niemanden. Aber dieser edle Bürgersinn wird wieder erwachen in der neuen Zeit, deren Morgenroth schon am Himmel steht, erwachen werden alle jene Spannkräfte, die das alte Leben bewegten; und die weise Leitung vom Throne herab wird sie vor der gefahrvollen Richtung schützen, in der sie oft schon sich selbst zerstörten. Doch mögen diese Hoffnungen auf eine Wiedergeburt Deutschlands Traum oder Wahrheit werden, immer wird der Name des edlen Fürsten gesegnet sein, der zuerst unter den deutschen Herrschern, ungemahnt und unbestürmt, seinem Volke die königlichen Rechte zum neuen, beglückenden Bunde reichte, der Name unsres erlauchten Friedrich Wilhelm, den die Nachwelt neben den unsterblichen Wohlthätern der Menschheit nennen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/304>, abgerufen am 23.07.2024.